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Erbe Caesars

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Die Wahl, vor der Octavius stand, war tatsächlich monumental. Caesars Erbe zu sein – was genau würde das bedeuten? Den meisten seiner Zeitgenossen muss klar gewesen sein, dass es hier um mehr ging als einen privaten Nachlass, der lediglich Caesars Vermögen beinhaltete. Das Ganze hatte nämlich eine unmittelbare offizielle und weitreichende öffentliche Dimension: Dem Erben wurde auferlegt, den Hausherren der 250.000 Haushalte der römischen Plebejer je 300 Sesterzen auszuzahlen. Das war eine ungeheure Menge Geld, die dem Jahressold von fast 85.000 Legionären entsprach – ein wahrlich beispielloses Konjunkturprogramm. Und es gab noch weitere Verpflichtungen, die den Erben mitten auf die öffentliche Bühne stellen würden. Brutus und Cassius mochten triumphieren und von Befreiung reden – Tatsache war: Caesar war ermordet worden, und sein Erbe hatte die Pflicht, ihn zu rächen und die Mörder vor Gericht zu stellen. In dieser Hinsicht wie in vielen anderen Bereichen unterschieden sich die Sitten im alten Rom von unseren (einige moderne Interpretationen der Aeneis, des augusteischen Epos schlechthin, vernachlässigen solche Unterschiede leider), und dieses Problem nimmt in unseren Quellen zu Octavius’ Entscheidung einen prominenten Platz ein. Sie geben sich alle Mühe, es so darzustellen, als habe er sorgfältig abgewogen und sich von verschiedener Seite beraten lassen. Seine endgültige Entscheidung lag zwischen zwei Extremen – das eine wäre gewesen, das Erbe auszuschlagen (wozu ihm sein Stiefvater dringend riet), das andere, sofort eine private Armee aus Caesar-Veteranen zu rekrutieren und nach Rom zu marschieren, um die Caesarmörder zu jagen. Octavius trat das Erbe an und ließ das Testament Anfang Mai ordnungsgemäß durch den zuständigen Magistrat, einen Prätor, der zufällig einer der Brüder von Marcus Antonius war, amtlich bestätigen.

Allerdings hatte das Testament natürlich noch eine ganz andere Dimension: Octavius wurde zum Erben von Caesars politischem Vermächtnis. Als Caesar starb, war er nichts weniger als der Herrscher der bekannten Welt. Kein anderer Römer war jemals in der Lage gewesen, so viel Macht in seiner Person zu vereinen; zudem hatte er endlich auch in seinen militärischen Erfolgen Pompeius übertroffen, und neben seinen vielen anderen Leistungen zählte selbst Cicero ihn zu den besten Rednern seiner Zeit. Wenn das das Vermächtnis war – wie konnte irgendjemand erwarten, dass ein Achtzehnjähriger (ein „Junge“, wie Antonius und Cicero ihn sofort nannten) ohne jegliche militärische und politische Erfahrung, mit schwacher Konstitution und kaum überzeugendem rhetorischen Geschick in diese Fußstapfen trat? Und wie würde er mit den vielen Altlasten umgehen, die der Diktator zugleich mit seinen Leistungen im Laufe der Zeit angesammelt hatte? Niemand hätte auch nur im Entferntesten ahnen können, wie sich die Dinge dann tatsächlich entwickeln würden. Natürlich wissen wir heute, was geschah; genau das ist es, was die Beschäftigung mit der Geschichte so faszinierend macht, und was nun folgte, ist noch immer eines der erstaunlichsten Kapitel der Weltgeschichte. Um es aus Octavius’ Perspektive zu betrachten: Als er in einer öffentlichen Rede später im selben Jahr vor einer teils fassungslosen Menschenmenge verkündete, er habe vor, „dem ehrenvollen Vorbild“ seines Vaters nachzueifern, muss ihm selbst klar gewesen sein, dass er keine Kopie von Julius Caesar werden würde. Stattdessen wollte er seinen eigenen Weg gehen, und das tat er auch. Die Dynamik zwischen den beiden Alternativen, Caesars Vermächtnis fortzuführen und seine eigene Identität zu finden, war ein wesentliches Merkmal seiner frühen Karriere als Herrscher.


Abbildung 2. Marmorkopf des Octavian. Kopie aus den 30er Jahren v. Chr. eines Originals aus der Zeit seiner politischen Anfänge. Der Schleier kennzeichnet ihn als Angehörigen einer Priesterschaft. Privatsammlung in La Alcudia, Mallorca.

Da der junge Mann bis zu den Iden des März 44 v. Chr. keinerlei bemerkenswerte Leistungen vorzuweisen hatte, lag viel Wahres in dem spöttischen Kommentar von Antonius: „Junge, alles hast du Caesars Namen zu verdanken“ (siehe Kasten 1.4). Wie wir gesehen haben, hatte Caesar in seinem Testament verfügt, dass sein Erbe seinen Namen annahm, und das tat Octavius auch und nannte sich umgehend „Gaius Julius Caesar“. Um Verwechslungen mit, nun ja, Gaius Julius Caesar zu vermeiden – es gab keine Möglichkeit, sich als Sohn „Jr.“ zu nennen – begannen Cicero und andere Zeitgenossen damit, ihn neben dem informellen Spitznamen „der junge Caesar“ als „Gaius Caesar Octavianus“ zu bezeichnen, nach seiner tatsächlichen Abstammung. Man muss an dieser Stelle betonen, dass Octavius diesen Namen niemals selbst benutzt hat. Wer das ebenfalls nicht tat, war Brutus, der ihn weiterhin „Octavius“ nannte und damit implizierte, dass er Caesars Testament ebenso wenig anerkannte wie seine Reinkarnation. Dennoch setzte sich der Name „Octavian“ durch, und so nannte man ihn ab dem Tod Caesars bis zum Januar 27 v. Chr., als der Senat ihm offiziell den Namen „Augustus“ verlieh, „Octavian“.

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