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Abbildungen und Funde

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Ein besonders frühes und auch schönes Beispiel ist die Orgelszene in Form eines Medaillons in einem Fußbodenmosaik, das man 1852 in Nennig bei Trier ausgegraben hat. Datiert wird es auf die Zeit Kaiser Hadrians in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. Man erkennt von der Technik der Anlage nicht allzu viel, sieht nur den Sockel, der den Wasserbehälter enthält, mitsamt zwei Pumpen rechts und links. Dafür hat man es mit einem schon sehr ansehnlichen Pfeifenwerk von 29 Pfeifen (oder 27, wenn die äußeren in Wirklichkeit Halterungen darstellen) zu tun, hinter denen ein Mann sitzt oder steht, der nur der Organist sein kann, neben ihm ein Bläser mit ringförmig gebogenem Horn. Weil sich das Bild in der Umgebung weiterer Darstellungen befindet, die sämtlich Gladiatorenkämpfe zeigen, nimmt man an, dass die hier abgebildete Orgel in einem Zirkus zum Einsatz kam. Was jedoch auf ihr ertönte, ist schlicht nicht auszumachen. Eine »Untermalung« der Kämpfe, wie man in der Literatur liest (vielleicht unter Verallgemeinerung der Bemerkung des Petronius), erscheint als schon reichlich kühne Spekulation, genauso könnte es sich um ein Signal etwa zu Beginn oder Ende eines Kampfes handeln. Vergleichbare Abbildungen sind übrigens öfter bezeugt, zum Beispiel im Mosaik aus Dar Buk Amméra im heutigen Libyen aus der Zeit Kaiser Traians wenige Jahrzehnte früher. »Kammermusik« bietet demgegenüber das Mosaik aus Maryamin in Syrien mit ausschließlich weiblichen Instrumentalisten. In diesem Fall ist sicher eine Balgorgel abgebildet.


Auf dem Fußbodenmosaik von Nennig ist eine Hydraulis zusammen mit einem Hornbläser abgebildet. Da alle weiteren Abbildungen Gladiatorenkämpfe wiedergeben, nimmt man an, dass die kleine Musikergruppe ebenfalls zu entsprechenden Veranstaltungen gehörte.

Eine weitere, noch wesentlich jüngere Darstellung bietet die Abbildung von zwei Orgeln auf dem Obelisken des Theodosius (gest. 395) in Konstantinopel, sie stammt also aus dem späten 4. nachchristlichen Jahrhundert. Auf ihr sieht man den Kaiser bei einer Siegerehrung im Hippodrom der Stadt, heute noch ein Besichtigungsmuss für alle Istanbul-Reisenden. Der Kaiser ist von seinen Höflingen umgeben und hält einen Siegerkranz in der Hand. Unter ihm, also unterhalb der Tribüne, sind Musiker und Tänzerinnen aufgereiht, darunter auch zwei Männer mit Orgeln, die jeweils zwei Bälgetreter neben sich haben, weiter Spieler der Syrinx und des Doppelaulos. Natürlich würde man liebend gerne hören, was diese Musiker »aufführten«. Aber alles Nachdenken ist zwecklos. Wir wissen es nicht, können nur mutmaßen, dass die Orgeln irgendwie mit den anderen Instrumenten zusammenwirkten.

Das gleiche Ergebnis gilt für den Fund von zahlreichen Terrakotten, Bronzebechern, Gemmen, Münzen und Sarkophagen, auf denen Orgeln abgebildet sind. Vielleicht am schönsten die Inschrift auf dem Grabmal der Aelia Sabina von Aquincum, auf dem es tatsächlich heißt: »Sie wird in Erinnerung bleiben, wie sie öffentlich anmutige Orgelkonzerte gab.« Womit (neben mindestens dem weiteren Sarkophag der Iulia Tyrannia in Arles) bestätigt wird, dass Orgelspieler vielleicht sogar bevorzugt weiblichen Geschlechts waren. Allerdings bleibt völlig offen, ob zu Aelia Sabina die Orgel gehört, die tatsächlich im Bereich des alten römischen Heerlagers Aquincum bei Budapest gefunden wurde.

Damit sind wir nun bei der nächsten und unbestreitbar authentischen Quellenform, die erstens jeden Zweifel an der Existenz der Hydraulis beseitigt und zweitens demonstriert, wie das Instrument wirklich ausgesehen hat. Allerdings muss man auch dabei einige Abstriche machen. Eine komplette oder gar spielbare Hydraulis ist weder in Aquincum noch sonst wo jemals ausgegraben worden. Ans Licht kamen bislang Fragmente, größere und kleinere, insgesamt drei. Das größte ist dasjenige von Aquincum. Die Ausgrabung erfolgte 1931 und wurde zwei Jahre später in einer umfangreichen Dokumentation veröffentlicht. Danach wissen wir dank einer Inschrift, dass das Instrument genau 228 n. Chr. erbaut wurde und schon wenige Jahrzehnte danach einem Brand zum Opfer fiel – die bronzenen Einzelteile lagen zerbrochen in einem Keller, alles aus Holz oder Leder Gefertigte fehlte. Man weiß also nicht, ob der Wind durch Wasserdruck oder einen Blasebalg zustande kam, wahrscheinlich ist ein Blasebalg. Dafür konnten die Windlade, die Einrichtung der Tasten für die einzelnen Töne und die Züge zum Ein- und Ausschalten der Register identifiziert werden. Mehr noch: Die Pfeifen ließen sich insgesamt vier Registern mit je 13 Pfeifen zuordnen (drei gedeckte und eine offene Reihe).

Und am wichtigsten überhaupt: Die Pfeifenreihen waren aller Wahrscheinlichkeit nach in verschiedenen »Tonarten« gestimmt – genau wie es Vitruv beschrieben hat. Und das wiederum bedeutet (sowohl nach der Theorie des Vitruv wie nach dem Fund von Aquincum): Man spielte immer nur je ein Register, zog nicht die Töne der vier Register zusammen. Es waren Tasten vorhanden, sodass man mehr als einen Ton gleichzeitig erklingen lassen konnte, aber eben nur jeweils Töne eines einzigen Registers. Noch einmal: Wichtig, ja entscheidend ist dies, weil die mittelalterliche Orgel in diesem Punkt genau anders verfuhr. Hier war es geradezu der Witz am Instrument, dass beim Druck einer Taste die Töne aller Register zusammen erklangen – im »Blockwerk«, wie man dann sagte. Wie genau die Orgel von Aquincum klang, wissen wir damit immer noch nicht. Aber wir wissen, dass es ein Instrument für Melodien und Mehrklänge innerhalb fester »Tonarten« war. Wieweit die Rekonstruktion von Werner Walcker-Mayer aus dem Jahre 1969 der Realität nahekommt, ist unklar. Nach dem Zeugnis ihres Erbauers soll sie einigermaßen gewöhnungsbedürftig geklungen haben.


Rekonstruktion der Hydraulis, die 1931 bei Aquincum ausgegraben wurde und sich dank einer Inschrift auf das Jahr 228 n. Chr. datieren lässt.

Weiter führt auch der nächste Fund nicht, der 1992 in Dion am Fuß des Olymps in Griechenland gemacht wurde. Es handelt sich um eine Hydraulis, die ganze 200 Jahre älter sein soll, damit also in die Zeit von Vitruv und Heron zurückreicht. Wahrscheinlich war die Sorgfalt bei der Bergung größer, dafür das Material noch weit mehr beeinträchtigt. Es fanden sich letztlich um die 40 verstreute Pfeifen, dazu eine Kupferplatte mit Keramikresten – wieder nichts, was zum Beispiel genaueren Aufschluss über die Winderzeugung bieten könnte. Einige Rekonstruktionen erfolgten auf mehr oder weniger gut Glück. Wie der Zufall es wollte, fand 1993 in Athen die Einweihung der großen Orgel statt, die die Firma Klais in der Konzerthalle des Megaron am Fuß der Akropolis errichtet hatte. Zu diesem Anlass stellte man den Fund in der Eingangshalle aus, ehrfürchtig und vorsichtig hinter dickem Plexiglas. Natürlich musste sich für jeden Besucher die Assoziation von Henne und Ei ergeben. Was auch immer jedoch auf der antiken Hydraulis gespielt wurde: Es wird weit weg von dem gewesen sein, was Klais nebenan gebaut hatte.

Schließlich die dritte und vorläufig letzte Entdeckung im schweizerischen Avenches nahe dem Murtensee südwestlich von Bern. Das antike Aventicum war einst eine respektable Stadt mit Amphitheater und Palastvilla (dem Fundort). In diesem Fall handelt es sich um ein Stück einer durchlöcherten Bronzeplatte, die man nach der Ausgrabung 1865 zunächst einmal bis 1996 für einen Grill gehalten und so auch ausgestellt hatte. Weil es ein weiteres kleines Bronzeteil gab, dessen Löcher mit denen der Platte genau übereinstimmten, tauchten Zweifel an der »Grilltheorie« auf. Man zog als Experten Friedrich Jakob hinzu, den Direktor der Orgelfirma Kuhn aus Männedorf am Zürichsee. Dem verschlug es die Sprache, erkannte er doch sofort, dass hier der obere Teil einer Windlade samt »Schleife« vorlag, wie man ihn beim Orgelbau benötigt – auch schon im antiken.

Es wurde bereits erklärt, aber wiederholen wir es noch einmal etwas ausführlicher: In die Windlade (als Windverteilungsvorrichtung) sind Löcher gebohrt, in denen die Pfeifen stehen. Die »Schleife« ist ein Metallstab, der so geschoben werden kann, dass seine Löcher genau unter die Löcher der Windlade geraten (und der Wind aus der Lade in die Pfeifen gelangt), oder eben so, dass die Löcher der Windlade verschlossen werden (und kein Wind in die Pfeifen gelangt). Jedes Register verfügt über eine solche Schleife, die also hin und her »schleift«. Liegen die Bohrungen übereinander, entscheidet dann ein weiteres Ventil, ob die gewünschte Pfeife Wind erhält und einen Ton ergibt. Genau diese Anlage ist es, die Vitruv beschrieb und die an der gefundenen Bronzeplatte (mit ihren Lötstellen für die »Dämme« zwischen den einzelnen Tönen) nachgewiesen werden kann. Die Bronzeplatte von Avenches lässt sechs Register erkennen mit vermutlich je zwölf Pfeifen/Tönen. Die »Stimmung« ist völlig offen. Die abnehmende Größe der Bohrlöcher macht es lediglich wahrscheinlich, dass hinter größeren Pfeifenreihen kleinere (also höher klingende) standen. Weiter lässt der Fundort in der Palastaula die Vermutung zu, dass es sich um ein Instrument handelte, das man bei offiziellen Anlässen benutzte, jedenfalls nicht im Zirkus, den es in Avenches gar nicht gab. Jakob hält den Fund im Übrigen aufgrund der Größe für eine echte Hydraulis, also keine Blasebalgorgel.

Die Orgel

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