Читать книгу Hieroglyphen ohne Geheimnis - Karl-Theodor Zauzich - Страница 10

Der ornamentale Reiz der Hieroglyphen liegt wesentlich in ihrem Bildcharakter begründet, der die Ägypter oft dazu veranlaßt hat, die einzelnen Zeichen höchst kunstvoll auszugestalten. Fast alle Hieroglyphen stellen ein Lebewesen oder einen Gegenstand dar und sind in den meisten Fällen unschwer zu erkennen. Da die Zeichen keinen abstrakt-geometrischen Charakter haben, sind sie verhältnismäßig leicht zu erlernen, allerdings vielfach nicht ganz leicht zu schreiben. Seien Sie daher nicht enttäuscht, wenn Ihre ersten hieroglyphischen Versuche noch nicht so schön aussehen – das ist nur eine Frage der Übung.

Trotz der Bildhaftigkeit der Hieroglyphen ist die ägyptische Schrift aber keine Bilderschrift in dem Sinne, daß Bild und Bedeutung immer übereinstimmen. Das Schriftzeichen zum Beispiel bedeutet im allgemeinen keine Eule, sondern nur den Buchstaben m. Zwischen dem bildhaften ägyptischen Schriftzeichen und dem (scheinbar!) abstrakt-geometrischen lateinischen Schriftzeichen M besteht kein prinzipieller Unterschied: beides sind nur Buchstaben mit dem Lautwert m. Komplizierter wird die Sache erst dadurch, daß viele Hieroglyphen bald einen allgemeingültigen Lautwert, bald die ursprüngliche Bildbedeutung haben können. Soll eine Hieroglyphe wirklich das bedeuten, was ihr Bild darstellt, setzt man ihr gern einen kleinen Strich, den sogenannten Determinativstrich, hinzu. So bezeichnet die Hieroglyphe z.B. im allgemeinen nur den Buchstaben r; mit dem Determinativstrich hingegen hat das Zeichen die Bedeutung »Mund« oder auch »Spruch«.

Die ägyptische Hieroglyphenschrift ist also nur in sehr begrenztem Maße eine echte Bilderschrift mit Übereinstimmung zwischen Bild und Sinn. Diese Erkenntnis ist grundlegend für ihr Verständnis. Weil man lange Zeit von der falschen Voraussetzung des symbolischen Wertes aller Hieroglyphen ausging, sind alle Entzifferungsversuche bis zu Champollions genialer Entdeckung (1822) gescheitert.