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1.4 Wie die Ägyptologen »Ägyptisch« sprechen

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Unter allen ägyptischen Hieroglyphen gibt es kein einziges Zeichen, das einen Vokal bedeutet. Die ägyptische Schrift ist also, ähnlich wie die »unpunktierte« arabische und hebräische Schrift, eine reine Konsonantenschrift. Nun kann man natürlich eine Folge von lauter Konsonanten nicht aussprechen, man muß eben wissen, welche Vokale in das Konsonantengerüst hineingehören. Das ist weniger kompliziert, als es klingt. Auch wir können ja beispielsweise einen fast nur aus Konsonanten bestehenden Annoncentext ohne alle Schwierigkeit lesen:

Komf. Apptms. b. 4 Pers. 35. – od. komf. Fer.-Whg. b. 8 Pers. 45.–, Zim. m. Frst. 15.–, Ztrhzg….

In ähnlicher Weise können Araber einen arabischen Text lesen, auch wenn die Vokale nicht durch Striche über oder unter den zugehörigen Konsonanten angegeben sind. Ebenso haben die alten Ägypter ihre Hieroglyphen mit den richtigen Vokalen lesen können, obwohl die Vokale nie geschrieben waren. Bei der entsprechenden Kenntnis der Sprache weiß man eben, mit welchen Vokalen das Konsonantengerüst bestimmter Wörter zu füllen ist. Hier liegt nun das Problem für die Ägyptologen. Weil die Sprache der Hieroglyphen seit fast 2000 Jahren eine tote Sprache ist, kennt niemand die Vokalisierung altägyptischer Wörter genau. Gewiß läßt sich mit sprachwissenschaftlichen Überlegungen die Vokalisierung vieler Wörter annäherungsweise erschließen, aber das ist sozusagen eine Wissenschaft für sich. Für den täglichen Gebrauch bedienen sich die Ägyptologen eines ebenso einfachen wie gewalttätigen Tricks, um die Häufung von lauter Konsonanten aussprechbar zu machen: sie fügen zwischen die Konsonanten einfach ein e ein. Ein Wort snb sprechen sie also seneb aus, ein Wort nfrt als neferet usw. Außerdem ist man übereingekommen, bestimmte Konsonanten, die Vokalen nahestehen, als a, i und u auszusprechen (s. dazu S. 21). Die Aussprache der ägyptischen Wörter, die so zustande kommt, ist natürlich absolut künstlich. Sie dürfte so weit von der seinerzeitigen Lautung entfernt sein, daß ein Ägypter des Altertums, könnte er einen heutigen Ägyptologen »Ägyptisch« sprechen hören, diesen schwerlich verstehen würde. Schriftlich könnten sich die beiden dagegen mühelos verständigen!

Man muß zugeben, daß Wörter mit lauter e-Vokalen nicht gerade schön klingen. Deshalb haben sich seit langer Zeit für manche Königsnamen andere Aussprachen eingebürgert, die sich nicht nach den eben genannten Regeln richten. So findet man beispielsweise für den nach ägyptologischer Konvention als Imenhetep auszusprechenden Königsnamen in der Literatur oft Wiedergaben wie Amenhotep, Amunhotpe, Amenhetep u.ä. Für den weiblichen Namen, der eigentlich Neferet-iiti auszusprechen wäre, hat sich in Deutschland die Aussprache Nofretete eingebürgert. Die Engländer sagen dagegen meistens Nefertiti. Natürlich ist keine dieser Formen »richtig«, denn die seinerzeitige Aussprache des Namens ist nach den neuesten sprachwissenschaftlichen Untersuchungen etwa Nafteta gewesen1. Jemand hat sich einmal den Spaß und die Mühe gemacht, alle verschiedenen Wiedergaben des Namens Ij-m-ḥtp, des weisen Baumeisters des Pharaos Djoser, zu zählen, die sich im modernen Schrifttum finden: er kam auf 34 verschiedene Formen!2

Um das Laienverwirrspiel komplett zu machen, gibt es nun noch Namen ägyptischer Könige, die von altgriechischen Schriftstellern überliefert sind und die oft in heutigen Büchern verwendet werden. Für den Namen Amenhotep existiert beispielsweise die griechische Form Amenophis. (Zu weiteren Beispielen vgl. S. 95.) Daß eine solche griechische Namensform vorliegt, läßt sich in vielen Fällen an der Endung -os, -is oder -es erkennen.

Hieroglyphen ohne Geheimnis

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