Читать книгу Hieroglyphen ohne Geheimnis - Karl-Theodor Zauzich - Страница 7

Das ist das erste, worüber Sie sich klar werden sollten: Die ägyptische Hieroglyphenschrift ist seinerzeit von vielen Menschen beherrscht worden. Die meisten von ihnen waren gewiß ebenso weit von Genialität entfernt wie die meisten von uns heutigen Menschen – die Ägyptologen eingeschlossen. Natürlich, ein bißchen komplizierter als unser einfaches Alphabet war ihr Schriftsystem schon. Man kann das auch in Zahlen ausdrücken: unser Alphabet hat 26 Buchstaben, die ägyptische Hieroglyphenschrift des Mittleren Reiches etwa 700 Zeichen – genau hat sie niemand gezählt –, die zudem vielfach mehrdeutig sind. Das hört sich immerhin noch einigermaßen erschreckend an, ist aber lange nicht so schlimm wie’s klingt, weil viele Zeichen davon so bildhaft »einsichtig« sind, daß sie nicht eigens gelernt werden müssen. In diesem Buch werden rund 150 Hieroglyphen vermittelt, mit denen sich schon viele kurze Inschriften lesen lassen.

Übrigens braucht man nicht einmal als Ägyptologe alle Hieroglyphen mit ihrer Bedeutung auswendig zu kennen, da man die seltenen Zeichen schnell in entsprechenden Büchern nachschlagen kann.

Die Zahl der schriftkundigen Personen ist im alten Ägypten zwar nie ganz klein gewesen, andrerseits hat die relative Kompliziertheit des Schriftsystems bewirkt, daß immer nur ein kleiner Prozentsatz der Bevölkerung lesen und schreiben konnte. Um ein guter Schreiber zu werden, mußte man lange Jahre studieren. Viele Übungen, die emsige Schüler im Unterricht oder als Hausaufgaben geschrieben haben, werden heute in den Museen der Welt als Kostbarkeiten gehütet. Die Schreibversuche der Schüler lassen interessanterweise erkennen, daß die ägyptische Schrift nach der Ganzheitsmethode gelehrt wurde.

In einer Hinsicht hatten’s die ägyptischen Schüler leichter als ihre heutigen Kollegen: Es gibt in der ägyptischen Schrift keine strikten orthographischen Regeln. An die Stelle der Orthographie tritt die Ästhetik.