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5.

DAS ROM
der Katastrophen

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Das antike Rom war kein Sehnsuchtsort, jedenfalls nicht im romantischen Sinne und schon gar nicht für seine Bewohner. Die Pracht vieler öffentlicher Gebäude und die goldenen Tempel waren schon im Altertum ein Touristenmagnet. Aber die von der Ausstrahlung der Ewigen Stadt geprägte moderne Perspektive auf Rom darf nicht den Blick darauf verstellen, dass die Metropole am Tiber als städtischer Organismus eine stark gefährdete, regelmäßig von Katastrophen heimgesuchte Siedlung gewesen ist. Unzählige Römerinnen und Römer sind Opfer dieser Katastrophen geworden, ohne dass sie in einem einzigen Geschichtswerk der Antike Erwähnung finden. Macht man sich mit der Bauhistorie prominenter Bauwerke vertraut, dann erkennt man rasch, dass man heute in den seltensten Fällen dem Originalbau bzw. seinen Ruinen gegenübersteht. Das berühmte Pantheon beispielsweise erweckt mit seiner Architravinschrift, die Marcus Agrippa als Erbauer feiert, den Eindruck, dass es tatsächlich noch aus augusteischer Zeit stamme. In Wirklichkeit ist es zweimal abgebrannt und heute gewissermaßen in der dritten, im Übrigen stark veränderten „Auflage“ zu bewundern.

Die größte Gefahr für die Hauptstadt des Imperium Romanum ging in der Tat von Bränden aus. Modernen Schätzungen zufolge brachen bis zu zwanzigmal am Tag größere Feuer aus. Die Gründe dafür waren die Allgegenwart offener Feuerquellen zum Beleuchten, Heizen und Kochen, Baumaterialien wie Fachwerk, die alles andere als brandhemmend waren, und eine gewachsene Infrastruktur, die mit ihren engen, gewundenen Straßen die Feuerwehr nur mühsam vorankommen ließ. Erst Augustus baute eine professionelle Feuerwehr auf, die sich auch um prophylaktischen Brandschutz kümmerte. Zuvor war dieser wichtige öffentliche Dienst reiner Privatinitiative überlassen worden. Die 7000 vigiles der Kaiserzeit konnten indes nicht verhindern, dass immer wieder katastrophale Brände ganze Straßenzüge und Stadtviertel zerstörten und auch berühmte alte Tempel und andere renommierte Bauten ein Opfer der Flammen wurden. Die dichte Bebauung im Zentrum machte es dem Feuer leicht, auf Nachbarhäuser überzuspringen. Leidtragende solcher Großfeuer waren vor allem die kleinen Leute, die in den wenig soliden Mietblöcken (insulae) wohnten. Viele Häuser von Reichen (domus) waren zumindest durch einen umgebenden Garten oder Park geschützt, manche öffentlichen Gebäude durch eine Brandmauer. Die besterhaltene ragt hinter dem Augustus-Forum auf. Sie sollte das Forum mit seinem Mars-Ultor-Tempel vor Bränden schützen, die in der nördlich gelegenen Subura ausbrachen.

Die verheerendste Brandkatastrophe ist allgemein bekannt: Das Feuer, das im Jahr 64 n. Chr. eine volle Woche wütete und einen Großteil der Stadt in Schutt und Asche legte. Das Urteil der modernen Geschichtsschreibung neigt dazu, Nero vom Vorwurf der Brandstiftung freizusprechen. Sicher hatte es auch mit den einschlägigen Verdächtigungen zu tun, dass der Kaiser in der Wiederaufbauzeit strengere Brandschutzgesetze durchsetzte und breitere Straßen bauen ließ. Der sogenannte Neronische Brand und seine Auswirkungen müssen für viele zehntausend Menschen furchtbar gewesen sein. Über die Zahl der Todesopfer ist nichts bekannt, auch nicht über die Zahl damals vernichteter Existenzen.

Die Katastrophe incendium, „Feuer“, als vermeintlich unentrinnbarer Schicksalsschlag wird von antiken Autoren regelmäßig in einem Atemzug mit einer zweiten, nämlich ruina, „Einsturz von Gebäuden“, genannt. Auch dieses Unglück traf die Bewohner der insulae mit besonderer Wucht. Wohnungsbau in Rom brachte den Investoren wegen der starken Nachfrage eine hervorragende Rendite ein. Aber er hatte einen gewaltigen Nachteil: Es gab keine Feuer- oder Wohngebäudeversicherung, und dadurch war, wenn ein Haus durch Brand oder Einsturz zerstört wurde, das investierte Kapital bis auf den Wert des Grundstücks komplett verloren. Das führte zu einer Sparmentalität beim Bau und bei der Sicherheit, die wiederum die Wahrscheinlichkeit einer Katastrophe erhöhte – ein gewissermaßen systemimmanenter circulus vitiosus, der für die Sicherheit der Stadt eine schwere Hypothek bedeutete.

Unzureichend gegründete Wohnhäuser waren durch eine weitere Katastrophe gefährdet, die das antike Rom in periodischen Abständen heimsuchte. Das waren Tiberüberschwemmungen. Erst seit dem späten 19. Jahrhundert ist der Fluss im Stadtgebiet so stark kanalisiert, dass er nur noch in Extremfällen über die Ufer tritt. Ganz anders in Altertum und Mittelalter: Eine Auswertung antiker Nachrichten zeigt, dass durchschnittlich jede Generation einmal von einer großen Überschwemmung betroffen war, die die tiefer gelegenen Stadtteile bis hin zum Forum Romanum unter Wasser setzte – manchmal mit solch einem Hochwasser, dass man in der City Roms Boot fahren konnte (bzw. musste).

Das Tiber-Hochwasser ist tückisch, weil es ohne lange Vorwarnzeit kommt. Es dauert meist nur wenige Tage an. Doch das reichte im Altertum, um Brücken zu zerstören und Häuser zu unterspülen, die einige Zeit nach dem Ablaufen des Wassers zusammenbrachen. Im Jahr 15 n. Chr. analysierte eine Senatskommission Möglichkeiten, den Fluss umzuleiten. Die Pläne wurden aber bald wieder begraben. Man legte dem „Vater Tiber“ keine Zügel an, der ja auf der anderen Seite eine für die Stadt enorm wichtige Verkehrsader war: Das Gros der Nahrungsmittel, die das Überleben der Bevölkerung sicherten, wurde über den Fluss nach Rom geschafft.

Das antike Rom

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