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„Sie jagen uns wie wilde Tiere“

SPARTACUS, SKLAVENFÜHRER

Spartacus (ca. 105 bis 71 v. Chr.) war der Anführer des gefährlichsten Sklavenaufstandes in der römischen Geschichte. Er versetzte von 73 bis 71 v. Chr. ganz Italien in Schrecken. Die Zahl der Aufständischen dürfte zeitweise bei einigen Zehntausend gelegen haben. Die Sklaven schlugen mehrere römische Heere. Unser fiktives Interview findet direkt nach der Schlacht von Mutina (Modena) im Jahre 72 v. Chr. statt. Damals hätte den Aufständischen der Weg über die Alpen offen gestanden. Im Jahre 71 v. Chr. wurde der Aufstand schließlich niedergeschlagen; Spartacus selbst fiel in der entscheidenden Schlacht. 6000 zunächst überlebende Aufständische wurden entlang der Via Appia gekreuzigt. Dass Spartacus aus Thrakien stammte, ist einigermaßen sicher. Wie er als Gladiator nach Capua kam, lässt sich dagegen ebenso wenig rekonstruieren wie sein Geburtsjahr.

Wir stehen vor dem Sieger von Mutina. Wie war Ihr Tag, Spartacus?

Er ist noch nicht vorbei. Wir werden gleich wieder in Beratungen einsteigen. Im Grunde war der gesamte Tag mit intensiven Gesprächen gefüllt, kaum Zeit zum Durchatmen. Und so richtig erfreulich war nichts.

Das erstaunt uns aber sehr. Sie haben vor wenigen Tagen einen unerwarteten Sieg über den Statthalter der Provinz Gallia Cisalpina errungen und ein Heer von mehr als 10 000 Römern besiegt. Das muss bei Ihnen und Ihren Leuten doch größten Jubel ausgelöst haben.

So unerwartet war der Sieg nicht. Sie wissen, dass wir die römischen Truppen schon in mehreren Gefechten niedergerungen haben. Was mich nicht wundert. Denn mittlerweile sind wir mehrere Zehntausend Aufständische, verfügen über hervorragende Waffen – und eine Motivationskraft, der der Feind nichts Ebenbürtiges entgegenzusetzen hat. Wer hätte das gedacht, als wir vor einigen Monaten mit ein paar Dutzend Gladiatoren aus unserer Kaserne in Capua ausgebrochen sind und nur mit Knüppeln, Messern, Beilen und Bratspießen bewaffnet waren! Unglaublich, wie wir die Römer mittlerweile das Fürchten gelehrt haben!

Zu Anfang sind Sie verhöhnt und verspottet worden.

Sie haben uns gejagt wie wilde Tiere, haben uns nicht ernst genommen. Ein paar aufsässige Arena-Kämpfer, mit denen werden wir schnell fertig und ergötzen uns dann daran, wie sie sich im Amphitheater zur Strafe gegenseitig abschlachten – haben sie gedacht. Ein fataler Irrtum.

Stattdessen haben Sie, von ersten Erfolgen beflügelt, immer mehr Aufständische angelockt. Was sind das für Leute, die sich da unter Ihrem Kommando zusammengefunden haben?

Hauptsächlich Sklaven, Hirten- und Ackerbausklaven. Menschen, die von den Großgrundbesitzern teilweise wie Vieh behandelt worden sind, die mit Brandzeichen markiert, nachts in Fesseln gelegt oder einfach mit den Herden losgeschickt worden sind, ohne Nahrung, ohne Kleidung. Viele Kriegsgefangene, die die Freiheit noch gekannt haben und sich nicht damit abfinden wollen, den Rest ihres Lebens unter unwürdigsten Bedingungen zu verbringen. Die haben nichts zu verlieren.

Die Kerntruppe aber waren Gladiatoren?

Ja, auf Dauer wären wir alle in der Arena auf der Strecke geblieben. Da darf man sich nichts vormachen. Und da gab es dann einen unbeaufsichtigten Augenblick und wir sind raus.

Ein spontaner Ausbruch?

Sie träumen lange von so einem Moment. Und wenn er dann da ist, müssen Sie zugreifen. Da gibt es kein langes Überlegen. Insofern war die Aktion spontan, aber mental dadurch vorbereitet, dass wir Tag und Nacht Ausschau gehalten haben, wie wir da rauskommen könnten.

Haben sich auch Freie Ihrem Aufstand angeschlossen?

Sie werden verstehen, dass ich dazu keine genauen Angaben machen möchte. Sagen wir so: Es könnten mehr sein, wenn man sieht, wie dreckig es vielen Kleinbauern geht. Aber wir haben ja ständig Zulauf.

Was ist mit den Sklaven und der Plebs in den Städten?

Dazu möchte ich im Augenblick nichts sagen. Außer dass wir jeden mit offenen Armen aufnehmen, der sich uns anschließt.

Im Kampf für die Gerechtigkeit?

Im Kampf für die Freiheit.

Dafür brauchen freie Bürger nicht zu kämpfen, auch wenn es ihnen wirtschaftlich schlecht geht. Frei sind sie!

Ich wiederhole: Uns ist jeder willkommen, der sich unserem erfolgreichen Kampf anschließt.

Als Sklaven haben Sie und Ihre Mitkämpfer erfahren, was Sklaverei bedeuten kann, wie sie Menschen demütigt und leiden lässt. Ein wesentliches Ziel Ihrer Rebellion ist vermutlich auch, die Sklaverei abzuschaffen.

Was meinen Sie genau?

Sklaverei als gesellschaftliche Institution zu ächten, weil sie gegen das Naturrecht verstößt.

Sklaverei hat es immer gegeben. Natürlich ist es wünschenswert, dass Sklaven ordentlich behandelt werden. Unser Aufstand ist doch erfolgreich, weil so viele Kameraden so gelitten haben. Aber deshalb muss man nicht die Sache als solche abschaffen.

Einen Menschen zu versklaven – das ist also in Ihren Augen kein Unrecht?

Das weiß ich nicht. Da müssen Sie Philosophen befragen, die verstehen mehr davon und haben mehr Zeit, darüber nachzudenken. Aber soweit ich weiß, vertreten manche sogar die Auffassung, dass es eine natürliche Sache sei, dass Menschen anderen Menschen dienen. Ich weiß nur, dass es immer so war und dass ich nicht Sklave sein will. Ich will frei sein, und meine Kameraden wollen auch frei sein. Dafür kämpfen wir.

Sie hätten kein Problem damit, eigene Sklaven zu haben?

Warum sollte ich? Das ist doch nur gerecht, wenn wir jetzt mal den Spieß umdrehen und die knechten, die uns vorher geknechtet haben. Meinen Sie nicht?

Das werden Sie so aber kaum auf die Gladiatoren übertragen wollen.

Und ob! Das war für viele von uns ein befriedigendes Schauspiel, als wir am Grab meines Mitanführers Krixos vor einigen Monaten 300 kriegsgefangene Römer als Gladiatoren haben antreten lassen. Und eine große Ehre für Krixos! Meine Kameraden haben mich zu der Idee beglückwünscht.

Und Sie hatten kein Mitleid mit denen, die Sie da in Ihre ehemalige Rolle gedrängt haben?

Mitleid? Warum sollte ich? Das war doch ausgleichende Gerechtigkeit. Fortuna hat ihre Gunst verlagert. So geht es im Leben zu. Was meinen Sie, wie viele von denen, die wir da an Krixos’ Grab haben antreten lassen, vorher als Zuschauer in der Arena von Capua gesessen und uns genüsslich zugeschaut haben! Haben die sich damals Gedanken gemacht, wie es uns ergeht? Hat einer von denen Mitleid empfunden?

Vermutlich nicht.

Na, sehen Sie. Aber ausgerechnet von uns erwarten Sie Milde und Mitleid? Jetzt sind wir oben, und das ist gut so.

Wenn sich das alles so gut entwickelt, woher dann Ihre ziemlich mutlose Stimmung zu Anfang des Gesprächs? Ihr Tag sei wenig erfreulich verlaufen, sagten Sie uns.

Wir haben in der Tat ein Problem, und das nicht erst seit heute oder gestern. Wir sind uns nicht einig. Und wir verbeißen uns immer mehr in giftige Diskussionen darüber, wie es weitergehen soll.

Was schwebt Ihnen persönlich denn vor? Sie haben doch bestimmt eine klare Perspektive.

Ich plädiere schon lange dafür, Italien zu verlassen und in den Ländern nördlich der Alpen einen Neuanfang zu machen. Da kann jeder von uns ein neues Leben beginnen. Hier in Italien haben wir dazu keine Chance.

Weil die Römer nicht eher ruhen werden, als bis sie den letzten Aufständischen erwischt und ans Kreuz geschlagen haben?

Genauso ist es. Wir siegen und siegen, aber wir kämpfen letztlich gegen eine gewaltige Übermacht. Rom hat noch etliche Ressourcen, und die wird es gegen uns aufbieten.

Wäre ein Kompromiss denkbar: Sie verzichten auf alle weiteren aggressiven Unternehmungen und die Verwüstung ganzer Landstriche? Und die Gegenseite sagt allen Aufständischen Freiheit und Straflosigkeit zu?

An uns würde ein solches Abkommen nicht scheitern, aber die Gegenseite wird sich dazu nicht bereitfinden. Nie und nimmer. Die sind bis aufs Blut gereizt, die wollen uns vernichten – zumal nach dem Gesichtsverlust, den sie durch ihre Niederlagen erlitten haben.

Aber Ihr Auswanderungsplan stößt auf keine Gegenliebe?

Meine thrakischen Landsleute wären sofort bereit dazu. Die Germanen sind in der Frage gespalten. Aber die Griechen, die Kleinasiaten und die anderen aus dem Osten wollen das partout nicht. Und sie sind in der Mehrheit.

Sie könnten sich teilen, die Thraker ziehen weiter in Richtung Norden. Nach der Schlacht von Mutina werden sie dabei ja nicht mehr auf Widerstand stoßen. Die Alpen sind sozusagen offen. Und die anderen bleiben halt hier in Italien.

Auch dafür gibt es keine Mehrheit. Wir wollen zusammenbleiben. Denn immer wenn sich ein Teil abgespalten hat, war das sein Verderben. Krixos und seine Anhänger haben genau das mit dem Leben bezahlt.

Sie stehen aber weiterhin mit allen Gruppen in Verhandlungen?

Unbedingt. Und es ist auch nicht so, dass meine Autorität grundsätzlich beschädigt wäre. Eine überwältigende Mehrheit will mich als Anführer. Nur mit dem Auswanderungsplan stoße ich bei zu vielen auf taube Ohren. Das meinte ich mit „unerfreulich“.

Hat das vielleicht auch und gerade mit Ihren Triumphen zu tun, die Sie gefeiert haben? Sind Ihre Leute übermütig geworden?

Ich fürchte, das trifft auf einen Teil zu. Sie erkennen nicht die Ausweglosigkeit unserer Situation in Italien. Und viele haben sich an das unstete Leben gewöhnt – das ist allemal besser als in Ketten zu liegen, finden sie. Die sind nicht unzufrieden mit diesem Vagabundenleben.

Obwohl Sie ja materielle Anreize wie den persönlichen Besitz von Gold, Silber und Luxuswaren untersagt haben sollen.

Nicht nur „sollen“! Das habe ich! Nur so lassen sich die notwendige Disziplin und Solidarität in der Truppe aufrechterhalten. Ein behagliches Wohlleben wäre unser Untergang. Wir sind im Krieg!

Wenn Sie sich mit Ihrem Auswanderungsplan nicht durchsetzen können – welche Alternative bleibt Ihnen?

In der Hochstimmung des Augenblicks drängen nicht wenige Redner darauf, kehrtzumachen und direkt auf Rom zu marschieren. Ich halte das für äußerst riskant.

Sogar Hannibal ist letztlich davor zurückgeschreckt.

So ist es. Aber das ist einer Mehrheit meiner Kameraden im Moment nicht zu vermitteln. Vielleicht kommen sie noch zur Vernunft. Eines jedenfalls ist sicher: Aufgeben werden wir nicht! Wir werden unsere Freiheit nicht wieder gegen Sklaverei eintauschen.

Oder sogar gegen den Tod. Mit rebellierenden Sklaven machen die Römer kurzen Prozess.

Vielleicht steht am Ende unseres Kampfes der Tod. Aber es wird einer sein, der uns als freie Menschen sieht!

Wie war Ihr Tag, Caesar?

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