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Einleitung
ОглавлениеDer Zeitrahmen der Biografien reicht von 1738/1740 bis 1806, teilweise bis 1815, das heißt logengeschichtlich von der Aufnahme Friedrichs Prinz von Preußen in den Freimaurerbund und der Gründung der Logen du Roi und Aux trois Globes und landesgeschichtlich von der preußischen Eroberung Schlesiens, die die Geschichte Preußens und Europas in eine neue Bahn lenkte, bis zum Untergang des Alten Preußens und zu den Preußischen Reformen. Der geographische Rahmen umfaßt das Staatsgebiet in den Grenzen von 1795, dem Frieden von Basel und der Zweiten Polnische Teilung, und erstreckt sich von West nach Ost von den Vereinigten Niederlanden bis zum Russischen Kaiserreich und von Nord nach Süd von Nordsee und Ostsee bis zum Habsburgerreich, zu Sachsen, Thüringen, Anhalt, Braunschweig. Preußen war nächst dem Habsburgerreich das größte Reichsterritorium. Weite Gebiete der Monarchie lagen außerhalb der Grenzen des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, so das namensgebende Königreich Preußen (Ostpreußen) sowie das durch die Polnischen Teilungen gewonnene Preußen königlichen (polnischen) Anteils (Westpreußen). Das Staatsterritorium war westlich der Elbe gestreut inmitten anderer Reichsteile, dagegen östlich der Elbe ein geschlossenes Gebiet. Man reiste viele Tage, um von einem Ende zum anderen zu gelangen, Daniel Chodowiecki brauchte auf einem alten Kavalleriepferd von Berlin bis in seine Geburtsstadt Danzig eine Woche.
Die Geschichte der preußischen Freimaurer begann in der Nacht vom 14. zum 15. August 1738, als eine Abordnung der Loge d'Hambourg in Braunschweig den preußischen Thronfolger Friedrich zum Freimaurer aufnahm. Er beauftragte 1739 seinen Vertrauten Oberst Friedrich Sebastian Wunibald Graf zu Waldburg, die beiden damaligen Abgeordneten Georg Ludwig v. Oberg (Meister vom Stuhl) und Georg Jakob Bielfeld (Sekretär und Redner), nach Schloß Rheinsberg einzuladen, um dort eine Freimaurerloge einzurichten, ganz im geheim, weil der noch lebende König Friedrich Wilhelm I. gegen die Freimaurerei eingenommen war und sie in seinen Staaten nicht duldete. Friedrich nahm in die nunmehrige Hofloge französisch aufgeklärte Verwandte und Freunde auf, meist Adlige wie er, aber auch Bürgerliche wie Bielfeld, Michael Gabriel Fredersdorff, Étienne Jordan. Die Loge Première, ab der Thronbesteigung Loge du Roi, war die erste Loge in Brandenburg-Preußen.
König Friedrich II. fällte nach der Thronbesteigung am 31. Mai 1740 hinsichtlich der Freimaurerei zwei grundlegende Entscheidungen. Der Journal de Berlin ou Nouvelles politiques et littéraires brachte in der ersten Ausgabe vom 4. Juli 1740 die von ihm verfaßte Meldung, daß ein „unglücklicher Verein, dem man, wie es scheint, das gleiche Schicksal bereitet wie den alten Templern“, sich „unter dem hochherzigen Schutz S. M. eine Freiheit versprechen“ könne. Friedrich bezog sich auf den 1312 von Papst Clemens V. aufgehobenen und von dem französischen König Philipp IV. dem Schönen blutig unterdrückten Orden der armen Gemeinschaft Christi und des salomonischen Tempels und auf die Bulle In eminenti Papst Clemens’ XII. von 1738. Die Bulle gebot den Katholiken bei Strafe der Exkommunikation, „weder in die Gesellschaft der Freimaurerei einzutreten, noch die Gesellschaft fortzupflanzen, noch sie zu schützen, noch sie in ihre Häuser oder Paläste aufzunehmen“. Friedrich II. nannte die société beim Namen, nämlich die der Freimaurer. „Sie können ihre Loge unter den Schutz des Thrones stellen und sich einer Ruhe erfreuen, die keine Verfolgung stören wird.“ Am 9. Juli 1740 publizierte der Journal de Berlin die Namen der Mitglieder der Loge du Roi. Die Freimaurerlogen erhielten somit in Preußen staatliche Legalität.
Friedrich II. initiierte zudem wenige Wochen später in der Haupt- und Residenzstadt Berlin eine zweite, diesmal allen sozietätsfähigen Ständen offene Stadtloge. Er beauftragte damit seinen Sekretär Étienne Jordan, zugleich Sekretär der Loge du Roi. Jordan und die Berliner Kaufleute Philippe Simon, Jean Serre, Paul Benezet und Christian Gregory, sie alle Freimaurermeister, gründeten am 13. September 1740 mit sentement de la Cour, welche sie nachgesucht und erhalten hatten, in dem in der Alt-Köllner Brüderstraße gelegenen Hôtel de Montgobert die gerechte, vollkommene und gesetzmäßige Loge Aux trois Globes (Zu den drei Weltkugeln). Die mit der Autorität des Königs gegründete Loge bedurfte keiner förmlichen englischen Konstitution, was, so die Einleitung der Bundesmatrikel, doch immer mit einer Art von Unterwürfigkeit verbunden gewesen wäre von der Großen Loge zu London, die in Seinem Lande anzunehmen, dies wollte und konnte der Große Friedrich nicht. Jordan nahm an den ersten drei Sitzungen der neuen Loge als Besucher (Visiteur) teil.
Die Große Loge von London erkannte den preußischen König, den Verbündeten Großbritanniens, als natürlichen Großmeister in Seinem Lande an. Die Freimaurerlogen in Brandenburg-Preußen waren organisatorisch von London unabhängig und nur dem König verpflichtet. Darin unterschieden sie sich von Anbeginn von allen übrigen deutschen Logen, die direkt oder indirekt der maurerisch rechtlichen (gerechten) Anerkennung (Konstitutionspatent) der Großen Loge von London bedurften. Dennoch hielt sich die Loge Aux trois Globes, wie Franz August v. Etzel schrieb, an das englische Konstitutionenbuch, die freimaurerische Verfassung, auch wenn die Sprache französisch war. Das Konstitutionenbuch war auch für sie das eigentliche Gesetzbuch, wenn auch in einer „etwas schwankenden, doch von der englischen im Wesentlichen wenig abweichenden Form“.
Friedrich II. übertrug sein Recht des Großmeisters, Logen zu konstituieren, ihnen maurerische und staatliche Rechtlichkeit zu erteilen, an die Loge Aux trois Globes. Sie übte das königliche Recht erstmals am 9. September 1741 aus, als sie in Meiningen im Herzogtum Sachsen-Meiningen die Loge Aux trois Boussoles (Zu den drei Kompassen) konstituierte. Das Patent verpflichtete eine Tochterloge, Programm und Statut der Mutterloge zu übernehmen und ihre Führung anzuerkennen. Die Mutterloge zu den drei Weltkugeln schuf einen zunächst lockeren, ab den sechziger Jahren zunehmend fest gefügten Logenbund in und außerhalb Preußens, die Große National-Mutterloge zu den drei Weltkugeln.
Die Berliner Mutterloge zu den drei Weltkugeln konstituierte in den ersten beiden Jahrzehnten nur wenige Logen und diese ausschließlich in Städten überregionaler Bedeutung: 1741 in der Haupt- und Residenzstadt Meiningen und in Breslau, dem Hauptort des Herzogtums Schlesien, durch diese 1742 in der Kaiserstadt Wien, 1742 in Dresden, der Hauptstadt des Kurfürstentums Sachsen, 1743 in der Universitätsstadt Halle an der Saale und in Neuenburg (Neuchâtel), dem Hauptort des Herzogtums Neuenburg, einer brandenburgischen Exklave in der Schweiz.
Die Logen beschränkten in den ersten Jahrzehnten aus praktischen Gründen die Mitgliederzahl. Sie nahmen daher den Kandidaten in zwei Schritten auf, zunächst allgemein als Freimaurer und erst dann, wenn er es wünschte und ein Platz frei war, als Mitglied der Loge. Die damalige Zahl der Freimaurer, lediglich einige hundert, war somit größer als die der Logenglieder.
Die Freimaurer gründeten 1739-1806 in Brandenburg-Preußen in 70 Städten und auf einigen wenigen Herrensitzen 130 Logen (122 Johannislogen in den Graden I-III sowie acht Schotten- bzw. Andreaslogen im IV. Grad, außerdem Logen höherer Grade, Kapitel, Oriente, Stewardslogen zur Logenverwaltung, deren Mitglieder in der Regel die der Johannislogen waren).
Der Siebenjährige Krieg 1756-1763 warf die preußische Freimaurerei zurück, eröffnete ihr aber auch neue Perspektiven. Französische Kriegsgefangene, Freimaurer, führten die über die Johannisgrade der englischen Maurerei hinausführenden Hochgrade ein, aber auch Bräuche wie die Tafellogen und die Feste. Die über die wahre Freimaurerei zerstrittenen Freimaurer spalteten nach dem Krieg in bitteren und verletzenden Auseinandersetzungen die ursprünglich einheitliche englische Maurerei unheilbar in Richtungen, die so genannten Systeme ― in die weiter arbeitende englische Maurerei (Royale York de l’Amitié, Logen in Westfalen), das Clermont-Rosaische System, den freimaurerischen Tempelritterorden strikter Observanz (Mutterloge Zu den drei Weltkugeln, Mutterloge Zu den drei Kronen), das Zinnendorf-schwedische System (Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland), das System der Afrikanischen Bauherren, das Eklektische System.
Nach dem Siebenjährigen Krieg und den Nachkriegskrisen setzte ein wohl konfliktreicher, dennoch grandioser Aufstieg der preußischen Freimaurerei ein. Die drei Berliner Mutterlogen verschiedenen Systems gründeten und konstituierten in Brandenburg-Preußen, im Reich und im Ausland zahlreiche Tochterlogen in immer mehr Orten mit wachsender Mitgliederzahl auf einer zunehmend breiten sozialen Basis. Die preußischen Könige erteilten den Mutterlogen nach und nach Protektorien, die staatliche Anerkennung, Friedrich II. 1740 der Loge Aux trois Globes und 1774 der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland, Friedrich Wilhelm II. 1796 der Mutterloge Zu den drei Weltkugeln.
Die preußischen Logen waren 1764-1798 unterschiedlicher Provenienz, meist jedoch Glieder der Berliner Mutterlogen sowie der Strikten Observanz mit Ordenssitz in Dresden bzw. Braunschweig:
Große National-Mutterloge zu den drei Weltkugeln (1740)
Royale York de l'Amitié (1752; 1798 Große Loge von Preußen genannt Royal York zur Freundschaft, genannt nach dem Protektor August Friedrich Prinz von England, Herzog von Sussex)
Bauherrenloge der Verschwiegenheit der Freunde freier Künste und schöner Wissenschaften (1765-1775)
Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland (1770)
Mutterloge Zu den drei Kronen in Königsberg/Pr. mit Tochterlogen in Ost- und Westpreußen
Johannisloge Zu den drei Degen in Halle (Saale), eine Hauskommende der Strikten Observanz, nach deren Untergang selbstständig, ab 28.10.1787 Konstitution der Großen National-Mutterloge zu den drei Weltkugeln
Großloge von England bzw. Eklektischer Freimaurerbund in Frankfurt am Main (Zur Hoffnung in Duisburg und Ruhrort, Kleve, Aurora zur vollkommenen Gleichheit in Krefeld)
Großloge der Vereinigten Niederlande (Den Haag) bzw. Grand Orient de France (Johannisloge Pax inimica malis in Emmerich)
Loge zur Toleranz 1782-1792 in Berlin
Andreasloge St. Jean de la Candeur (IV. Grad) 1768-1772 in Berlin
Hoflogen der Prinzen von Preußen Heinrich und Ferdinand in Berlin, der Markgrafen in Schwedt und des Grafen Johann Nepomuk Gotthard v. Schaffgotsch in Berlin.
Die preußischen Logen standen nach Irrungen Wirrungen um die Jahrhundertwende vor einer Wende. Es galt, sich veränderten politischen und gesellschaftlichen Umständen, den Folgen der Französischen Revolution und der Revolutionskriege sowie der Krise des spätfeudalen Ancien régimes, anzupassen. Die Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland vertiefte ihr Lehrsystem, die Große National-Mutterloge zu den drei Weltkugeln reinigte und reformierte Rituale und Organisation, die Royale York de l’Amitié gab sich neue Rituale und eine neue Organisationsstruktur und errang den Status einer Groß- und Mutterloge, der Großen Loge von Preußen genannt Royal York zur Freundschaft.
Andererseits drohten neue Gefahren. Der Immerwährende Regensburger Reichstag empfahl 1793 ein Verbot der geheimen Studentenorden. Mehrere deutsche Fürsten erließen derartige Verbote und dehnten sie auf die Freimaurerlogen aus, so etwa der Kaiser und die Kurfürsten von Bayern und Hannover (für Göttingen). Der preußische König Friedrich Wilhelm II. forderte ein schärferes Vorgehen gegen die aufgeklärten Publizisten und neologischen Theologen. Besonders Schlesien bereitete Sorgen, das in eine Wirtschaftskrise geriet und von wo soziale Unruhen auf Brandenburg überzugreifen drohten. König und Minister diskutierten ein Verbot der Logen, zu dem es indes nicht kam. Stattdessen erließ der König auf der Grundlage des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten (1794) am 20. Oktober 1798 das Edikt wegen Verhütung und Bestrafung geheimer Verbindungen, welche der allgemeinen Sicherheit nachteilig werden könnten ― an beiden Gesetzeswerken hatten Freimaurer mitgewirkt. Das Edikt regelte das Verhältnis zwischen Staat und Freimaurerei. Es definierte die Berliner Mutterlogen und die von ihr konstituierten Filialen, die später so genannten Altpreußischen Logen, nicht als geheime, sondern als legale Gesellschaften, stellte sie aber unter Polizeiaufsicht. Die Logen anderer Systeme, auch die selbstständige Königsberger Mutterloge Zu den drei Kronen und ihre ostpreußischen Töchter, mußten schließen oder sich von einer der legitimierten Mutterlogen neu konstituieren lassen. Das Monopol der Berliner Großlogen galt in Preußen bis 1893. Die Kernbestimmung des Edikts über die Geheimbünde stand als § 128 bis 1968 im Strafgesetzbuch der Bundesrepublik Deutschland.
Die preußischen Logen waren wie nahezu alle damaligen Sozietäten Männergesellschaften ― mit einer Ausnahme, der androgynen, Männer und Frauen vereinenden Loge Tempel der Freundschaft in Stendal.
Die preußischen Freimaurer waren Gestalten und Gestalter ihrer Zeit, tätige Menschen, viele von Rang und Namen in Staat, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft. Ihre Namen leben noch heute in unserem Gedächtnis.
Die Freimaurer fanden in Brandenburg-Preußen günstige Entwicklungsbedingungen vor: erstens den aufgeklärt französisch gebildeten Monarchen, einen Freimaurer, und sein europäisches Ansehen in einem Jahrhundert der Aufklärung, zweitens das reformierte, die Religionen tolerierende Herrscherhaus, dessen Bevölkerung eine starke Immigration konfessionell weiter auffächerte, drittens den wirtschaftlichen, sozialen, militärischen, wissenschaftlichen und kulturellen Aufstieg Preußens zu einer europäischen Großmacht in einem Jahrhundert des tiefen Umbruchs von der spätfeudalen Ständegesellschaft zu einer bürgerlich kapitalistischen Klassengesellschaft.
Die legalen Logen führten die Akteure dieses Aufstiegs in wachsender Zahl, landesweit und dauerhaft zusammen ― den (regierenden) Hochadel mit Führungs- und repräsentativen Funktionen, den niederen Adel und das sich herausbildende neue Bürgertum im zivilen Staatsdienst, in Wirtschaft, Kirche, Bildung und Kultur. In den Logen organisierten sich in wachsender Zahl die studierten adligen und bürgerlichen zivilen Verwaltungs- und Justizbeamten, die adligen Infanterie- und Kavallerieoffiziere und die bürgerlichen Auditeure, Feldprediger, Feldschere, Artilleristen und Militäringenieure, die Manufaktur- und Finanzunternehmer einschließlich zahlreicher Buchdrucker, Buchhändler und Verleger, die Theologen, Universitäts- und Gymnasialprofessoren, Ärzte, Chirurgen und Apotheker, Schriftsteller, Schauspieler und Musiker, bildenden und angewandten Künstler, Studenten.
Adel und Bürgertum hielten sich in den altpreußischen Logen in etwa die Waage.
Gab ein Adliger den Dienst auf und zog sich auf sein ererbtes, gekauftes oder angeheiratetes Gut mit hörigen Bauern zurück, endete auch seine aktive Zeit als Freimaurer. Die bürgerlichen Freimaurer der Ober- und der Mittelschicht waren in der Regel in der zweiten oder dritten Generation Söhne beruflich gesicherter und gesellschaftlich geachteter Männer. Wenn die Familie verarmte, etwa der Vater früh starb, konnte der begabte Sohn mit der solidarischen Unterstützung von Paten und Förderern rechnen. Mindestens 64 in dem Lexikon aufgeführte bürgerliche Freimaurer wurden nobilitiert.
Die sozialen Grenzen der Loge des 18. Jahrhunderts waren nach oben offen, nach unten zum Volk hin indes nahezu geschlossen; kleine Gewerbetreibende, Domestiken, Soldaten konnten lediglich maurerisch minder berechtigte dienende Brüder werden. Nur wenigen Kleinbürgern gelang der Aufstieg in das logenfähige Bürgertum.
Brandenburg-Preußen wurde mit dem Edikt von Potsdam (1685) ein Einwanderungsland. Die Zahl der Immigranten in den Logen war erheblich, am höchsten in Berlin. Sie nutzten die Loge, um in der neuen Heimat schneller gesellschaftlich Fuß zu fassen oder fördernde Bekanntschaften zu machen. Die Logen mit ihrer sozial und konfessionell breiten Mitgliedschaft boten die beste Gelegenheit. Die jungen, beruflich gut ausgebildeten, unternehmenden und geistig regen Immigranten kamen aus dem Reich, viele aus Sachsen und Thüringen, aus dem Habsburgerreich, aus Böhmen und Österreich, sowie dem Ausland jenseits der Reichsgrenzen, so aus Frankreich, der Schweiz und Italien. Die preußischen Logen waren Stätten der Integration und Assimilierung.
Die Freimaurer bekannten sich zu einer der christlichen Hauptkonfessionen. Die Konfessionen der Stadt und der Region, der überregionalen Verwaltungen, Garnisonen und Universitäten waren auch die der Loge. Die Logen waren überkonfessionelle Gesellschaften der christlichen Hauptreligionen. Juden blieben, außer in der frühen Johannisloge Royale York de l’Amitié und der Christen und Juden vereinenden Loge zur Toleranz in Berlin, aus religiösen, weniger aus ethnischen Gründen, wie die Aufnahmen christlich Konvertierter zeigen, ausgeschlossen. Christliche Sekten wie die Mennoniten fanden im wirtschaftlich entwickelten Westfalen eher den Zugang in die Logen als im Osten der Monarchie, Böhmische Brüder, weil Handwerker, fehlten ganz.
Die auf die ethisch-moralische Bildung des Einzelnen orientierten Freimaurer übten in den Logen eine ständische und religiöse Gleichheit mit republikanischer, demokratischer Organisation, die jedoch der freimaurerische Tempelritterorden der strikten Observanz untergrub. Die preußischen Logen stellten die absolutistische Monarchie nicht in Frage, ihre Mitglieder waren loyale Untertanen. Der Eid auf den König stand selbstredend über dem auf die Freimaurerei. Dennoch unterhöhlten die auf soziale und konfessionelle Gleichheit und Brüderlichkeit setzenden unpolitischen Logen die spätfeudale Gesellschaft allein schon durch ihre Existenz. Auch die Freimaurer schufen die sozialen und politischen Voraussetzungen für die konstitutionelle Monarchie und den Kapitalismus.
Die Freimaurerei übte auf aufgeklärte Männer wie den französisch gebildeten Kronprinzen Friedrich eine große Anziehungskraft aus. Dennoch waren die preußischen Logen keine Aufklärungsgesellschaften an sich wie etwa die Wiener Loge Zur wahren Eintracht, sie waren aber Kinder des Aufklärungszeitalters und von dessen Ideen inspiriert, wenn auch von Gegenströmungen gefährdet; in ihnen wucherten gegen die rationale Aufklärung gerichtete Systeme. Kern der preußischen Freimaurerei war nicht die Philosophie der Aufklärung, sondern eine bürgerlich-aufgeklärte Ethik. Die Logen richteten ihre Bestrebungen nach innen, auf die moralische Bildung der Mitglieder, wirkten dennoch auch nach außen in die bürgerliche Gesellschaft nach Neigung und Vermögen, die einen Systeme mehr, andere weniger. Allen Logen gemeinsam war das soziale Engagement. Sie unterstützten regelmäßig bedürftige Brüder und profane Arme, einige gründeten Arbeits- und Regimentsschulen für Jungen und Mädchen, andere unterhielten Orchester mit Laien und professionellen Musikern, mit Freimaurern und Profanen, die in den Logen und in der Öffentlichkeit Konzerte gaben, meist zu sozialen Zwecken, oder veranstalteten Bälle, zu denen Frauen und Mädchen eingeladen waren. Mehrere Logen errichteten in ihren Häusern Gesellschaften für Freimaurer und Profane, für Frauen und Männer, die bedeutendste wohl die Berggesellschaft in Halle an der Saale. Die Logen sollten, so König Friedrich II. 1774, keinem anderen Zweck dienen als „die Menschen mehr gesellschaftlich, mehr wohltätig und mehr tugendhaft zu bilden und so viel Gutes als möglich zu bewirken, als worin ihre Pflichten und Vergnügen vorzüglich beständen“.
Die preußischen Logen nahmen 1739-1806 13 180 Freimaurer an bzw. auf einschließlich der 761 dienenden Brüder. Der Organisationsgrad der sozietäts- bzw. logenfähigen Männer war hoch. Er läßt sich indes nur für Berlin annähernd verläßlich berechnen. Die 1801/1805 in Berlin organisierten 927 Freimaurer (von ihnen 701 Berliner) machten 0,55 Prozent der 170 000 Einwohner aus, jedoch 13,4 Prozent der etwa 7000 logenfähigen Männer ― sicher der damals höchste Prozentsatz in Preußen. Zum Vergleich zu heute: Die Maßzahl der gewerkschaftlich Organisierten betrug 2010 in Deutschland 17,4 Prozent. Ähnliche Berechnungen lassen sich für einzelne Berliner Behörden, Militäreinheiten oder Gewerbezweige anstellen. Dafür drei Beispiele: Freimaurer waren am Kammergericht, einer freimaurerischen Hochburg, 1783/84 drei der neun Räte des Oberappellationsgerichts und fünf der 22 Räte des Instruktionssenats einschließlich seines Präsidenten, um die Jahrhundertwende neun von 24 privilegierten Buchhändlern (37,5 Prozent), 1740-1806 12,2 Prozent des Offizierskorps des in Potsdam und Spandau garnisonierenden Infanterieregiments Nr. 35 einschließlich des Regimentschefs Prinz Heinrich von Preußen.
Die in das biografische Lexikon aufgenommenen 1039 Freimaurer ― Angenommene, in die Logen Aufgenommene, dienende Brüder ― einschließlich zweier Ausländer, des Landesgroßmeisters Ernst II. Ludwig Herzog von Sachsen-Gotha-Altenburg und des Heermeisters Karl Gotthelf v. Hund, machen 7,9 Prozent aller preußischen Freimaurer aus. Auswärtige Freimaurer, etwa Wolfgang Amadeus Mozart, sowie Profane, etwa die Dichterin Anna Louisa Karsch, die Karschin, werden dann biografisch genannt, wenn sie für die jeweilige Biografie von Belang waren; das gilt auch für nahe Verwandte, Väter, Mütter, Ehefrauen usw. 608 Freimaurer werden in einem Hauptartikel, weitere 431 in einem Unterartikel abgehandelt. Die aufgenommenen Freimaurer repräsentieren nur diese Auswahl, nicht die Gesamtheit der preußischen Freimaurer mit einer weit größeren sozialen Breite.
Die Freimaurerei faszinierte. Sie war ein großes Thema in Literatur, Publizistik und Musik. Wesen, Erscheinung, Symbolik, Brauchtum reizten die Neugier, indes erschloß sich das Geheimnis der Freimaurerei dem Aufgenommenen erst Stufe für Stufe, jedoch nicht jedem, weil er nicht über den Lehrlings- oder Gesellengrad hinaus gelangte oder die Loge ruhte oder erlosch. Der in den Quellen am ehesten genannte Grund, Freimaurer zu werden, war der Wunsch, Mitglied einer Gesellschaft zu werden, die im Glanze königlicher Protektion strahlte und in der er angesehene Männer mit Einfluß kennenlernte. Der Student hoffte in ihr berufliche Förderer zu finden, und fand sie dort auch, der besorgte Vater Aufsicht und Sicherheit für seinen studierenden Sohn zu erhalten, der Emigrant, in der neuen Heimat gesellschaftlich schneller Fuß zu fassen. Der 33-jährige Apotheker Martin Heinrich Klaproth begründete seinen ernsthaften Wunsch zur Aufnahme damit, daß er „von den Vorzügen einer Verbindung mit einer solchen hochachtungswürdigen Gesellschaft nun vollkommen überzeugt“ sei, da er sehe, daß die Glieder dieses Ordens, so viel er davon kenne, „durchgehends wackre Männer sind, die gesunde Denkungsart mit dem besten zur Ausübung wahrer Freundschaft gestimmten Herzen verbinden, so kann es nicht fehlen, daß ich nicht nach dem Glücke, an einer solchen wünschenswerten Gesellschaft teilnehmen zu können, streben sollte. Ich weiß nicht, was für Eigenschaften der Orden von seinen Kandidaten fordert: Lässet selbiger nur Männer von Genie zu, so bescheide ich mich gern, daß ich solches Glücks schwerlich fähig sei; siehet der Orden aber mehr auf Vorzüge des Herzens und auf guten Willen, dann schmeichle ich mir, vielleicht ein nicht ganz unwürdiges Mitglied werden zu können.“
War der Vater Freimaurer, wurde es meist auch der Sohn. Manch eine Familie wies mehrere Freimaurer auf. Die Mitgliedschaft war kein Geheimnis. Verbindungen führten in den Verwandten- und Bekanntenkreis. Eine Logenmitgliedschaft gründete Freundschaften, vielleicht auch Ehen, was aber die Logenquellen kaum nachweisen. Die Heirat war selten eine Liebes-, meist eine Geschäftsangelegenheit. Das Familieninteresse, Vermögen, gesellschaftliches Ansehen, Geschäftsbeziehungen, stand obenan. In der Regel heiratete man unter seinesgleichen, beispielhaft die Apotheker.
Die hier genannten Freimaurer erreichten durchschnittlich ein Alter von 62,1 Jahren, ihre Ehefrauen von 59,6 Jahren. Es entsprach vermutlich etwa dem damaligen Durchschnittsalter für beide Geschlechter von 55-60 Jahren (Kai Lehmann), lag aber erheblich unter dem heutigen (2017/2019 in Deutschland bei Männern 76,6 und bei Frauen 83,4 Jahre). Die Kindersterblichkeit war sehr hoch. Viele Kinder aller Bevölkerungsschichten, ob in der Familie des Königs oder in der armer Menschen, starben in ihren ersten Lebensjahren. Viele junge Mütter starben im Kindbett, auch viele Ehefrauen von Freimaurern. Welches Leid für Frauen, Väter, Kinder! Das Tagebuch des → Grafen Ernst Ahasverus Heinrich v. Lehndorff, eines langjährigen Freundes Prinz Heinrichs, gibt ein erschütterndes Zeugnis. Viele Freimaurer heirateten daher, weil sie eine Mutter für die Kinder und eine Frau für den Haushalt brauchten, ein zweites oder drittes Mal. Vielleicht rührt daher die böse Schwiegermutter der Märchen her?
Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Freimaurerlogen waren im spätfeudal- absolutistischen Preußen ein bedeutender gesellschaftlicher Faktor als soziale und kulturelle, indes nicht als politische Institution. Sie waren keine Aufklärungsgesellschaften an sich, aber ein Kind der Aufklärung. Das Wesen der Freimaurerei war nicht irgendeine politische oder philosophische Richtung, sondern die innere Bildung des Einzelnen zu bürgerlich-aufgeklärter Moral, den bürgerlichen Tugenden. Die Mitglieder trieben außerhalb der Loge aktiv den Aufstieg Preußens und den politischen, wirtschaftlichen, sozialen, wissenschaftlichen, kulturellen Fortschritt voran, wenige stemmtem sich als Reaktionäre gegen den gesellschaftlichen Fortschritt. Sie agierten politisch für und wider die Monarchie, für und wider die Aufklärung. Eine Geschichte Preußens im 18. Jahrhundert ohne die Geschichte der Freimaurerei scheint undenkbar.
Die Hauptartikel sind nach dem Beispiel der Neuen Deutschen Biographie zweigegliedert in Genealogie und Leben.
Die Genealogie ermöglicht es, die an sich isolierte Biografie in den Zusammenhang von Familie, Loge, Gesellschaft und Zeitgeschichte zu stellen. Sie bietet die Lebensdaten des Freimaurers mit Lebensdaten und Beruf (Stand), die Namen der Eltern und Ehepartner, ab und an der Kinder, Großeltern, Schwäger, Onkel, Neffen.
Der Teil Leben, der Lebenslauf des Freimaurers, schildert in gebotener Kürze die familiäre, berufliche und maurerische Laufbahn (Aufnahme, Beförderungen, Funktionen, Logenreden, Ereignisse) sowie besondere Lebensumstände, Erlebnisse, Leistungen, Publikationen. Die Biografien suchen somit die private, öffentliche und gesellschaftliche Sphäre des Freimaurers, damit die Ganzheit seines Lebens, zu zeigen.
Gleiches gilt von den Unterartikeln, wenn auch kürzer und in Stichpunkten.
Die Biografien bauen auf den biografischen Daten der dreiteiligen, im Studienverlag in Innsbruck erschienenen Logengeschichten des Verfassers auf: Die Freimaurer im Alten Preußen. Die Logen in Berlin (2014), Die Logen zwischen mittlerer Oder und Niederrhein (2007) und Die Logen in Pommern, Preußen und Schlesien (2009) sowie den überarbeiteten digitalen Neuauflagen der beiden letzten Teile. Hier findet man auch die archivalischen Quellen und die Literatur.