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Zwangsräumung, ich werde obdachlos

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Mein Wasser ist der reinste Modder. Ich will mich ja nicht beschweren, denn Schlammbäder sind grundsätzlich gut für die Haut, lösen Verspannungen und helfen gegen Stress. Im Prinzip also gerade richtig in meiner derzeitigen Situation. Ist nur blöd, wenn du das Zeug die ganze Zeit schlucken musst und auch noch einatmest, so wie ich.

Mein Hals fühlt sich an wie zugeschnürt und ich bekomme kaum noch Luft. So sieht’s im Moment aus bei mir. Und das Einzige, was aktuell bei mir perfekt läuft, ist mein Durchmarsch.

Ich bewege mich nicht mehr, um meine Körperfunktionen auf dem untersten Level zu halten. Das spart Energie und kostbare Atemluft. Darum liege ich die meiste Zeit nur rum und schlafe.

»Was ’n jetzt los?«

Plötzlich werde ich aus meinem Schlaf gerissen und schrecke hoch. Ein Höllenlärm bricht um mich herum aus. Wer ist denn das?

»Menschenskinder, ich will schlafen!«

Aber außer mir interessiert das niemanden. Erst einmal versuche ich zu mir zu kommen. Solch eine Hektik bin ich nicht gewöhnt. Was ist da draußen bloß los? Ich verstehe kein Wort bei dem ganzen Gegacker. Bin ich hier etwa in einen Hühnerstall geraten? Das würde dieses Chaos jedenfalls erklären. Halt! Nein! Ich habe mich geirrt. Das sind keine Hühner. Ich höre Stimmen. Verdammt. Stimmen sind gar nicht gut. Kann gewaltig nach hinten losgehen, wenn du davon jemandem erzählst.

Gerade habe ich den Namen Doktor gehört. Was macht der denn schon wieder hier? Obwohl, bei den Erwachsenen heißt sowieso jeder Zweite Doktor.

Warum reden die bloß alle so durcheinander? Das hält doch kein Mensch aus. Trotz dieses furchtbaren Lärms schnappe ich ein paar Wortbrocken auf. Das darf nicht wahr sein, denke ich, und verliere soeben das letzte Quäntchen Vertrauen in die da draußen. Diese hinterhältigen Lulatsche wollen mich gewaltsam aus meiner Wohnung zerren, und zwar jetzt!

Vor Schreck bekomme ich wieder Durchfall. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, ruhig zu bleiben, da ich sowieso kaum noch atmen kann. Aber daran ist im Augenblick nicht zu denken. Ich bin total panisch und schlucke versehentlich eine große Menge von dem verdreckten Modder, der mal mein Fruchtwasser war. Lang ist’s her.

Der Mensch gewöhnt sich normalerweise an so einiges, nur ich bin noch ein Baby, na ja fast. Deshalb haut es mich prompt um und ich werde ohnmächtig. Das war dann doch etwas zu viel von dem Zeug.

Das Nächste, was ich mitbekomme, das Dach meiner Wohnung ist verschwunden. Es ist scheißkalt und ich friere. Rasch versuche ich, meine Augen zu öffnen, aber mehr als einen Spaltbreit bekomme ich sie nicht auf. Sie sind total mit Modder verklebt.

Aus dem kleinen Augenschlitz heraus sehe ich über mir zwei Maskierte. Ach du Scheiße, denke ich, bin ich nun auch noch in einen Banküberfall geraten? Der eine hat ein Messer in der Hand. Jetzt bloß nicht bewegen. Doch die beiden starren mich nur an. Bin ich etwa ansteckend? Wissen die denn nicht, dass ich aus einer keimfreien Zone komme?

Verdammt, am Ende sind die selber infiziert. Scheiß Corona. Soeben fällt mir ein, vielleicht sind die aber auch sauer, weil ich noch keinen Test gemacht habe. Um Himmels willen! Na das gibt garantiert Knast.

Ich versuche aus der Situation das Beste herauszuholen und stelle mich besser tot. Nicht dass dem noch einfällt, mich abzustechen. Mein Plan funktioniert, denn mit einem Mal legt er das Messer zur Seite. Was nun kommt, ist allerdings auch nicht besser. Er packt mich am Genick und zerrt mich nach oben.

Die Gelegenheit lasse ich mir nicht entgehen und sehe mich kurz um. Mit etwas Glück sind die Kollegen der Abteilung Freund und Helfer bereits eingetroffen und retten mich hoffentlich aus den Fängen meines Angreifers. Weit gefehlt. Dafür weiß ich auf einmal, woher der Wind weht. Das hier ist gar keine Bank. Ich bin in einem Krankenhaus.

Mama hat mich ganz oft davor gewarnt. ›Niemals in eine Klinik‹, hat sie gesagt.Dort ist alles nur weiß und kahl. Die Wände, der Boden, das Licht, die Kittel. Einfach schrecklich.‹ Und sie hatte recht. Ich bin an einen Ort des Grauens gelangt.

Plötzlich wickelt der seine Wurstfinger um meine Fußgelenke und lässt mich kopfüber nach unten baumeln. Helft mir, will ich schreien, doch dazu komme ich gar nicht. Unvermittelt erfahre ich bisher noch nie erlebte Schmerzen. Ich werde brutal und rücksichtslos verdroschen. Vermutlich haben meine Eltern vergessen, die Krankenversicherung zu zahlen. Zum Glück trete ich noch mal weg und muss diese Demütigung nicht länger über mich ergehen lassen.

Als ich wieder zu mir komme, geht es weiter mit der Tortur. Ein anderer Maskierter schlägt ununterbrochen auf meinen Brustkorb ein. Gleichzeitig drückt der Typ, der danebensteht, so ein Plastikdings auf mein Gesicht. Ich nehme an, es dient allein dazu, um meine Schreie zu unterbinden, falls ich mich dagegen wehre.

Verdammte Hacke. Was habe ich denen getan, dass die mich um die Ecke bringen wollen? Das Einzige, was mir dazu einfällt, ist, weil ich nun alles spitzbekommen habe und ihre Tarnung aufgeflogen ist. Ich glaube, bei Geheimdiensten ist es so üblich, dass sie einen foltern und anschließend abmurksen.

Es kommt mir vor wie eine Ewigkeit. Endlich sind die Folterknechte befriedigt und lassen mich in Ruhe. Ich habe Glück, ich lebe noch. Leise heule ich vor mich hin.

Kurz danach wird mir klar, ich habe mich geirrt. Das war doch noch nicht alles. Ich muss in ein Nest geraten sein. Denn ein Nächster mit Maske erscheint, packt mich und wirft mich in eine Schale. Hinter der Tarnkleidung verbirgt sich eine Frau, das höre ich an ihrer Stimme.

»Drei Komma acht Kilo und fünfzig Gramm«, ruft sie. Dann legt sie mir ein Stirnband an, nimmt es aber sofort wieder ab. Findet mich damit wohl nicht hübsch genug. Gleich darauf probiert sie einen neuen Look. Sie versucht das Band von den Zehenspitzen über meinen Kopf zu ziehen, was natürlich nicht funktioniert. So ein Dummerchen.

»Kopf sechsunddreißig, Länge zweiundfünfzig«, brüllt sie dem Schreiberling zu und reicht mich an den nächsten Maskierten weiter.

Ich werde untersucht. Keine Ahnung, was der zu finden glaubt. »Und? Schon mal ’nem nackten Mann in die Tasche gegriffen?«, frage ich kess.

Keine Antwort. Höflich ist der nicht gerade. O nein, jetzt packt er meinen Dumbo bei den Ohren. Ohne zu fragen. Was fällt dem denn ein? Erschrocken überlasse ich meinem Rüssel das Wort und pinkle dem Typ in hohem Bogen auf die Maske.

Ha, na das hat gesessen. Sofort lässt er los und schnappt sich ein Tuch. Damit würgt er Dumbo ab und versteckt ihn schnell darunter.

Den Trick werde ich mir für später merken.

Jetzt nimmt er einzeln nacheinander jeden meiner Füße, jede Hand und beginnt zu zählen.

»Überraschung«, rufe ich. »Es sind immer fünf.«

Hätte ich ihm gleich sagen können. Hab ich schon vor Wochen alles überprüft, aber mit mir will ja dieser unhöfliche Typ nicht reden.

Nachdem sie mich nun genug gedemütigt haben, sperren sie mich in eine durchsichtige Plastikkiste mit winzigen Fenstern. Muss eine Art Gefängnis aus der Neuzeit sein, komplett ohne Gitterstäbe. Die wollen wahrscheinlich sichergehen, dass ich nicht weglaufe. Dabei weiß ich nicht einmal, wie das geht. Ich habe bisher immer nur Purzelbäume geschlagen.

Hier in dem Knast geht die Überwachung weiter. Ich werde an Kopf und Brust verkabelt und meine Hände und Füße werden gefesselt. Zumindest schlingen sie mehrere Drähte drum.

Eins steht fest, später, wenn sie mal nicht hinsehen, dann befreie ich mich.


Am Ende dieses Tages muss ich einsehen, meine Gutgläubigkeit an die Erwachsenen hat sich nun leider als falsch erwiesen. Mit denen ist nicht zu spaßen.

Ich glaube, meine Chancen lagen von Anfang an bei null. Es ist eingetreten, wovor ich mich immer gefürchtet habe. Sie haben mich total rücksichtslos aus meiner Wohnung gezerrt und letztlich ihr Ziel damit erreicht. Im Anschluss bin ich verprügelt, gefoltert, hin- und hergeschubst worden und danach haben sie mich in eine Zelle geworfen. Ich bin also gezwungenermaßen hier angekommen.

Rückblickend muss ich sagen, die ersten Minuten waren meine schlimmste Erfahrung. In der Zeit hatte ich nur einen einzigen Gedanken: Diese Welt ist kalt und grausam. Seither frage ich mich: Wie konnte es passieren, dass ich ausgerechnet hier gelandet bin?


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