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Der schwarze Punker, mein neuer Freund

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Wenn meine Mama bei mir vor der 1B sitzt, ist sie echt nett. Sie redet mit mir und streichelt mich. Ich finde es auch anständig, dass sie mich füttert. Das Einzige, das ich nicht ausstehen kann, sie schlägt mich nach dem Essen genauso wie die Tanten im weißen Kittel.

Ich bin mir sicher, das hat sie sich einreden lassen. Das war schon damals so, als ich noch im Apartment to go zu Hause war. Wir beide waren unzertrennlich, ein richtig gutes Team. Doch dann kamen Leute und haben sie bequatscht, sie solle mithelfen, dass ich ausziehe. Leider kein sehr willensstarker Mensch, darum hat sie mitgemacht. Das Gleiche ist wohl jetzt der Fall. Na ja, besser von ihr verdroschen zu werden als von den anderen, sage ich mir.

Allmählich wird meine Mama wieder die Alte. Gott sei Dank.

Sie kommt gerade auf meine Zelle zu. Heute besucht sie mich schon früh am Morgen. Darüber freue ich mich. Doch plötzlich tut sie etwas, das mich glatt umhaut. Was für ein Glück, dass ich schon liege. Sie öffnet einfach den Deckel von der 1B und hebt mich heraus. Das finde ich so super, dass ich vor Freude ganz laut schreie: »Ich bin ein Star, hol mich hier raus!«

Anschließend entführt sie mich klammheimlich in ihr Zimmer.

Als sie die Tür aufmacht, verschlägt es mir prompt die Sprache. Wow, denke ich, die muss stinkreich sein. Bin ich hier im Four Seasons? Die Mama hat in ihrem Zimmer so viel Platz, sie kann sogar um ihr Bett komplett herumlaufen, hat ein extra Badezimmer und eine Badewanne. Ist mir letztens gar nicht aufgefallen. An diesem Tag war ich aber auch sehr aufgeregt, denn da habe ich zum ersten Mal meine Mama erblickt.

Bei mir in der 1B habe ich gerade mal so viel Platz, dass ich ausgestreckt liegen kann. An Umherlaufen ist da nicht zu denken. Und mein Badezimmer ist nur eine Alternativlösung im selben Raum. Ich wohne sozusagen in einer All-in-one-Zelle. Ich habe eine Windel als Toilette, Feuchttücher statt Badewanne und all das spielt sich auf einem viertel Quadratmeter ab, auf dem ich auch noch schlafen muss.

Jetzt legt mich Mama auf ihr riesiges Bett.

»So mein kleiner Fratz, und das hier ist dein neuer Freund«, sagt sie.

Ich bin irritiert. Sie hat Fratz zu mir gesagt. Ist das zu glauben? Auf einmal nennt sie mich auch nicht mehr Baby-Schatz, genau wie Papa. Das hat er ihr eingeredet. Verdammt! Warum muss sie immer auf andere hören. Ich finde den Namen Fratz doof. Fratz-Schatz. Das klingt für mich eher nach ’nem schnellen Rührkuchen. Außerdem haben sie mal wieder entschieden, ohne mein Recht auf Mitsprache in irgendeiner Weise zu beachten. Das ist ganz schön gemein.

Moment mal, hat sie nicht gerade was von einem neuen Freund gesagt? Wen meint die denn, hier ist doch gar niemand. Aber grundsätzlich habe ich nichts gegen neue Freunde.

Vorsichtig schaue ich mich um. Und tatsächlich, ich bemerke einen Schatten aus dem Augenwinkel. Wo kommt ’n der so schnell her, frage ich mich. Liegt der schon die ganze Zeit auf Mamas Bett? Etwa länger als ich? Das gefällt mir nicht.

Ich drehe meinen Kopf und sehe ihn grimmig von der Seite her an. Im selben Moment jagt mir der Schreck durch die Glieder.

»Um Himmels willen, ein schwarzer Punker!«

Vor Entsetzen kreische ich auf, zwinge mich aber gleich wieder zur Ruhe, denn ich bekomme Mitleid. Er muss ein Brandopfer sein, denke ich. Deshalb ist er ganz schwarz und hat ’ne Glatze. Die paar restlichen weißen Fusseln auf der Stirn hat das Feuer wahrscheinlich nicht erwischt.

»Was is ’n dir passiert?«, frage ich ihn.

»Wieso?«, fragt der Verkohlte zurück.

Ich versuche es noch einmal. »Warum bist ’n du so schwarz, biste verbrannt?«

»Ach du meine Nase! Verbrannt?« Darüber lacht der schwarze Punker nur blöde. »Ich bin Pittiplatsch, der Liebe, ’n Kobold, aber kannst Pitti zu mir sagen.«

Pittiplatsch, der Liebe, dass ich nicht lache. Mein Mitleid verpufft schlagartig und ich weise ihn gleich in seine Schranken.

»Damit eins klar ist, Kohlebold. Das hier ist meine Mama und die hat nur mich lieb. Haste das kapiert?«

»Heul doch, platschquatsch. Im Übrigen heißt es Kobold und nicht Kohlebold.«

Na der hat vielleicht Nerven, mir zu widersprechen.


Jetzt kommt Mama zum Bett und nimmt mich auf den Arm.

»Siehste«, rufe ich ihm zu, »ich bin die Nummer eins. Es kann eben nur einen geben.« Frech strecke ich meine Zunge zu Pitti heraus.

Mama geht mit mir hinüber zur Badewanne. Klasse, die hat genau meine Größe. Muss sie extra für mich besorgt haben.

Als Erstes nimmt sie diese ganzen Abhördinger von meinem Körper. Das ist sehr schlau von ihr. So können mich die Tanten im weißen Kittel nicht aufspüren. Vorsicht ist besser als Nachsicht.

Dann hebt sie mich in die Wanne und taucht mich in das warme Wasser.

»Wuah!« Für einen Moment erschrecke ich gewaltig und schreie.

Puh, ist das nass. War das in Mamas Bauch auch so? Ich kann mich gar nicht mehr erinnern. Ich glaube, es ist einfach schon zu lange her. Doch ratzfatz bin ich wieder ganz in meinem Element und habe mich daran gewöhnt.

Ich finde Wasser einfach klasse und kann mich nicht mehr zurückhalten. Wie verrückt zappele ich in meiner neuen Wanne.

»Guck mal, ich kann schwimmen. Ich bin ein Fisch.«

Dabei spritze ich alles nass. Auch meine Mama bekommt eine volle Ladung ab. Wie es scheint, gefällt ihr das nicht so ganz. Denn sie verzieht ihr Gesicht und trällert schrill die Tonleiter. Das hohe C erreicht sie dann doch nicht.

Was soll ich dazu sagen, meine Schuld ist es nicht. Aber ich glaube, sie hat trotzdem ihren Spaß.

Danach trocknet sie mich ab und wickelt mich in eine Windel. Viel zu hektisch für meinen Geschmack, denke ich eben noch, schon wird mir klar, warum.

Ganz so taff, wie ich anfangs dachte, ist Mama leider doch nicht. Offenbar hat sie Schiss bekommen, weil sie mich aus der Zelle geholt hat, und hofft jetzt, dass es noch niemand bemerkt hat. Denn gleich nach dem Abtrocknen stöpselt sie wieder alle Kabel an meinen Körper und nimmt mich auf den Arm. Oje, ich ahne Schreckliches. Sie will mich wohl tatsächlich zurück in die 1B bringen. Das ist ein herber Rückschlag für mich und erschüttert mein Vertrauen in meine Mama.

Ich wehre mich heftig dagegen und setze alles daran, Mama zur Vernunft zu bringen.

»Angsthase, Pfeffernase, morgen kommt der Osterhase«, singe ich ihr ins Ohr.

Das ist nicht gerade sehr feinfühlig, ich weiß, aber genau meine Absicht. Blöderweise kümmert sie das gar nicht. Ihre Angst vor den weißen Kitteln ist stärker. Doch noch gebe ich nicht klein bei und ziehe ein letztes Ass aus dem Ärmel, okay, aus der Windel. Viel mehr trage ich nicht am Leib. Ich setze nun verbissen auf die Taktik: Beleidigte Leberwurst.

»Wieso darf der schwarze Punker bleiben und ich nicht!«

Dabei bäume ich mich voll auf und werfe Pitti über Mamas Schulter hinweg einen extrem strengen Blick zu. Einen, der sich so richtig gewaschen hat. Aber auch davon lässt sie sich nicht erweichen. Sie zieht ihr Ding gnadenlos durch und bringt mich zurück in Zelle 1B. Ich bin mächtig empört und fühle mich irgendwie diskriminiert.

»So geht das nicht«, rufe ich ein letztes Mal.

Als Antwort lächelt sie mich an und gibt mir einen Nasenstupser.

»So, kleiner Fratz, jetzt wird geschlafen.«

»Warum hier und nicht in dem großen Bett, so wie der Verbrannte?«, brülle ich ihr hinterher.

Doch Mama bleibt stur. Meine Meinung interessiert sie nicht. Ohne auf meine Frage einzugehen, schließt sie endgültig die Tür hinter sich und ich bleibe zurück. Schade. Wenigstens sind Birne und mein Zwillingsbruder Teddy bei mir und trösten mich.


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