Читать книгу Gefährliche Botschaft - Kate Sedley - Страница 4
Prolog
ОглавлениеIrgendwo in meinem Hinterkopf dämmerte mir, daß ich immer noch schlief. Ich spürte den harten Steinboden, auf dem ich lag, und spürte, daß das Stroh, das ich zu einem Kopfkissen gebündelt hatte, mich an der einen Wange kitzelte, während die grobe, graue Decke der Barmherzigen Brüder vom Heiligen Kreuz gegen meine andere Wange scheuerte. Zugleich war mein Traum sehr wirklich: Ich spürte den Wind, der über mir die Zweige der Bäume bog und miteinander verwob, über mein Gesicht streichen, ich fühlte den unebenen Weg unter meinen Füßen, ich hörte das Rascheln irgendeines kleinen Waldtieres, das sich hastig durch das Gewirr von Sträuchern und Büschen davonmachte, die den Pfad säumten.
Ebenfalls war mir bewußt, daß ich mich fürchtete, obwohl ich nicht genau zu sagen wußte, wovor. Meine Beklommenheit verwandelte sich in Angst, als ich langsam vorwärts tappte, wobei meine Stiefel auf dem weichen, feuchtschweren Erdboden kein Geräusch verursachten, bis auf das gelegentliche Knacken eines Zweigs. Wenn ich den Blick vom Boden löste und nach oben schaute, konnte ich den zunehmenden Mond sehen, der kühl und erhaben zwischen den Wolken dahinzog. Unten auf der Erde, dort wo das Ufer steil abfiel und die Büsche sich lichteten, sah ich ab und an das Wasser schimmern. Ein- oder zweimal hielt ich inne und drehte mich um, als würde ich auf etwas oder jemanden horchen, und in diesen Augenblicken trat ich neben meinen Körper und wurde zu einem Späher hinter einem Baum. Doch bald darauf war ich wieder ich selbst, nahm alles mit eigenen Augen wahr und strengte mein Gehör an, damit mir auch nicht das kleinste Geräusch entging. Deutlich spürte ich, wie mir der Schweiß die Schulterblätter hinunterrann.
Langsam stieg ich hinab, verhielt an jeder Krümmung und Biegung des Pfades, durchforschte die Dunkelheit vor mir, suchte nach etwas und fürchtete dennoch, es zu finden. Eine Eule flog auf und glitt lautlos von einem Aussichtspunkt zum nächsten. Diese plötzliche Bewegung überraschte mich, ich erstarrte, mein Atem ging kurz und schnell, das Herz klopfte mir bis zum Halse. Dann ging ich behutsam weiter, wobei ich mir darüber klar wurde, daß mein Abstieg bald beendet war und ich mich auf gleicher Höhe mit dem Fluß befand. Denn als der Pfad breiter wurde und die Bäume zurückwichen, vermochte ich das breite Band des Wassers zu sehen, das sich bis ans andere Ufer hinzog und im Mondschein silbern schimmernd dahineilte.
Vorsichtig bewegte ich mich vorwärts. Das hohe Gras, das meine Uferseite säumte, reichte mir fast bis zum Oberschenkel. In den Bäumen hinter mir schrie eine Eule. Plötzlich stieß ich mit der linken Stiefelspitze gegen etwas, gegen einen größeren Gegenstand, der halb im Gras verborgen lag. Mir sträubten sich die Nackenhaare, und ich ahnte, daß ich über genau das gestolpert war, was zu entdecken ich so gefürchtet hatte. Just in dem Augenblick, da der Mond wieder einmal hinter den Wolken hervortrat, sah ich zu Boden und machte die Umrisse eines menschlichen Körpers aus. Ob es sich um den Körper eines Mannes oder den einer Frau, den eines jungen oder alten Menschen handelte, vermochte ich nicht zu erkennen. Durch den zähen Nebel meines Traums hindurch wurde mir dennoch klar, daß ich es bereits wußte. Ich hielt inne, überwand meine Beklommenheit und sah genauer hin.
Der Körper lag mit dem Gesicht nach unten. Ich streckte meine Hand aus und berührte den Hinterkopf, zuckte jedoch zurück. Die klebrige Flüssigkeit konnte nur Blut sein. Der Hinterkopf war zertrümmert worden, und dieser Mensch – wer immer es gewesen sein mochte – war jetzt tot.
Meine Umgebung löste sich in nichts auf, und ich lag schweißgebadet und verängstigt auf dem Flur des Armenhauses im Hospiz zum Heiligen Kreuz in Winchester, wo ich für eine Nacht Zuflucht gefunden hatte.