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Symbolische Gesten reichen nicht

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Diese Begegnung vom Vortag ging mir noch durch den Kopf, als die Kameraleute von Vatikan News Bilder auf die Leinwände produzierten, die uns signalisierten: Es geht los, der Papst kommt. Nach der Eröffnung der Fotodokumentation über Talitha Kum zog er Seite an Seite mit Sr. Carmen Sammut in die Audienzhalle ein und schritt die Stufen herab. Spontan erinnerte mich die Feierlichkeit des Anblicks an eine Hochzeit – allerdings in vertauschten Kleidern und Rollen: Der Papst im langen weißen Gewand und an seiner Seite die Präsidentin der UISG im dunklen Kostüm. Dahinter die Security-Leute, Staatssekretäre und engsten Mitarbeiter des Papstes. Unter dem Applaus der aus der ganzen Welt versammelten Schwestern näherte sich die Prozession einem Podium, das – anders als drei Jahre zuvor – nicht oben auf der Tribüne aufgebaut, sondern unterhalb auf der Ebene des Auditoriums stand. Hatte der Papst 2016 auf einem großen weißen Sessel Platz genommen, flankiert von seinen Staatssekretären, war diesmal ein Tisch bereitgestellt mit zwei unterschiedlich großen Stühlen. Kurzerhand ließ Franziskus den für ihn gerichteten Sessel wegtragen und durch einen kleineren Stuhl ersetzen. Dann bat er Sr. Carmen Sammut, sich direkt neben ihn zu setzen. Wohl um ihre Verlegenheit zu überspielen, kommentierte diese schlagfertig die ihr zuteilwerdende Ehre mit den Worten: „Oh, ich sitze zur Rechten des Vaters.“

Es wird viel darüber spekuliert, inwiefern diese Gesten, für die Papst Franziskus bekannt ist, eine nachhaltige Wirkung haben oder ob sie nicht lediglich darüber hinwegtäuschen, dass er letztlich kaum einschneidende Veränderungen vornimmt, sondern lehramtlich und kirchenrechtlich vieles beim Alten belässt. Auch ich bin hin- und hergerissen, wie die Zeichen und Symbolpolitik einzuordnen sind. In Gedanken gehe ich zurück zu Berninis Cathedra Petri, die nur wenige hundert Meter von der Audienzhalle in Bronze gegossen die Überhöhung des Papstamtes wirkmächtig vor Augen führt. Wenn ich dann sehe, dass 400 Jahre später der ranghöchste Repräsentant dieser Kirche an der Seite einer Frau am Tisch sitzt, ahne ich, welche gewaltige Entwicklung zwischen dem Selbstverständnis Urban VIII. in der frühen Neuzeit und Franziskus I. in der Spätmoderne liegt.

Gemessen an dem Verhalten Jesu, der sich mit Zöllnern und Dirnen zu Tisch legte und grundsätzlich keine Berührungsängste mit Frauen und Fremden, Ausgestoßenen und Sündern hegte, scheint mir allerdings auch diese Inszenierung geradezu grotesk. Und ich frage mich: Was muss geschehen, damit wir angstfrei auf Augenhöhe miteinander kommunizieren? Wie könnten Hierarchien durchbrochen, eine entklerikalisierte Kirche realisiert werden, in der das jesuanische Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe tatsächlich Maßstab allen Redens, Entscheidens und Handelns wäre?

Wenn es bei einigen Einzelentscheidungen bleibt, die eher kosmetisch wirken, als entschieden eine strukturelle Reform in Gang zu setzen, wird dies systemisch kaum Auswirkungen haben. „Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer“, kommentierte Angela Merkel einmal die Bemerkung, dass sie als Bundeskanzlerin beispielhaft für die Chancengleichheit von Frauen steht, in Deutschland eine herausragende Führungsposition einnehmen zu können.40

Ähnlich gilt auch in der katholischen Kirche: Eine vatikanische Museumsdirektorin oder eine paritätisch besetzte Theologische Kommission machen noch kein Ende mit der strukturellen Benachteiligung von Frauen. Zwar hat – und das lässt immerhin aufhorchen – Papst Franziskus den Frauenanteil an den Leitungsfunktionen im Vatikan deutlich erhöht.41 Im Januar 2021 änderte er das Kirchenrecht dahingehend, dass Frauen nun auch dauerhaft mit dem Amt des Lektors oder Akolythen betraut werden dürfen und beseitigt so die letzten Unterschiede, die zwischen Männern und Frauen im Kirchenrecht bestanden, ausgenommen die Vorschriften zum Empfang des Weihesakraments.42

Der Schmerz, dass vorhandene diakonische oder priesterliche Berufungen von Frauen nicht geprüft werden, bleibt weiter bestehen. Auch an den Machtverhältnissen und Entscheidungsbefugnissen wird sich nichts ändern, solange die Spitzenpositionen, die mit der meisten Amtsfülle ausgestaltet sind, nach wie vor die Weihe voraussetzen. Die dem Papst vorbehaltende Leitung der Gesamtkirche sowie die von Bischöfen geleiteten Teilkirchen bleiben in der Hand von ordinierten Männern. Diese klerikal-hierarchische Struktur wird seit Jahrzehnten diskutiert und kritisiert. Eine Änderung dieser Zulassungsbedingungen zum Weiheamt müsste vom Vatikan genehmigt werden, was aktuell allerdings nicht in Sicht ist. Inzwischen äußern einige deutsche Bischöfe, dass es so nicht weitergehen kann. Die Frage ist, ob sie auch den Mut und den Willen aufbringen, ein Votum an den Papst zu richten, per Indult die Weihe von Frauen zu Diakoninnen zuzulassen, sowie ihren Dissens zu erklären, dass Frauen von der Priesterweihe ausgeschlossen sind.43

Als Argument für die Zögerlichkeit des Papstes, eine bahnbrechende, systemverändernde Reform von oben herbeizuführen, werden meist die Gefahr einer Kirchenspaltung und sein Dienst an der Einheit der Weltkirche angeführt. Zu wenig berücksichtigt wird dabei, dass es bereits eklatante Spaltungsphänomene gibt, die durch anhaltenden Reformstau und die weltweit aufgedeckten Skandale verschärft werden. Die Trennlinie verläuft zwischen Hierarchie und Basis, zunehmend aber auch zwischen liberal-aufgeschlossenen Gläubigen (sowohl im Klerus als auch bei den Lai*innen) und rechtskonservativ bis autoritär-fundamentalistisch eingestellten Katholik*innen. Die verschiedenen Positionen stehen sich unvermittelbar und unversöhnt gegenüber.

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