Читать книгу Und über uns das Licht - Katharina Groth, Melanie Weber-Tilse, Alisha Mc Shaw - Страница 13
Valea
Оглавление»Wofür werde ich eigentlich ausgezeichnet?«
Mit finsterem Blick traten mir die beiden schwarz gekleideten Männer in den Weg, nachdem ich den Schleusenbereich des Hafens verlassen und den großen Steg betreten hatte. Beide trugen gelbe Armbänder und sahen aus, als absolvierten sie mehr Sporteinheiten als Aaron, Thera und ich zusammengenommen. Fehlte nur noch die obligatorische Sonnenbrille wie in den Filmen aus dem letzten Jahrtausend, wo es als cool galt, seine Augen mittels der dunklen Gläser zu verbergen. Aber eine solche zu tragen wäre auf einer Unterwasserstation wirklich vollkommen unsinnig gewesen. »Valea, Bewohnerin 27867«, beeilte ich mich, zu sagen. »Ich habe eine Einladung zu den Festlichkeiten in Kuppel 1.«
Für einen Samstagabend war erstaunlich wenig los im Hafen, der als Dreh- und Angelpunkt zwischen den einzelnen Kuppeln diente. Vermutlich lag das daran, dass die Sicherheitsvorkehrungen aufgrund der Feierlichkeiten um ein Vielfaches erhöht worden waren. Normalerweise waren die Häfen in den Kuppeln frei zugänglich. Man identifizierte sich mithilfe des Retinascans und die kleine Gebühr, die für das Nutzen der U-Boote anfiel, wurde direkt von den Gehaltscredits abgezogen.
Auch wenn ich es nicht gern zugab, war da tief in meinem Inneren ein kleiner Funke Neugier auf das, was mich heute Abend erwarten würde. Thera und Aaron hatten mir - während Thera beim Flechten vollkommen mitleidslos ungefähr die Hälfte meiner Haare ausgerissen hatte - von diesen Veranstaltungen erzählt. Zwar war sicher das Meiste davon maßlos übertrieben, aber selbst wenn nur ein Bruchteil davon stimmte, stand mir eine rauschende Party mit viel Essen und Trinken bevor. Das war der Teil, der mir am wenigsten gefiel, denn das Essen auf D.U. Atlantis wurde schon seit Jahrhunderten rationiert. Das hatte größtenteils gesundheitliche Gründe, denn man beugte damit vielen Krankheiten vor, die oft genug aufgrund übermäßigen Nahrungsverzehrs entstanden, aber es war auch der Tatsache geschuldet, dass man stets darauf bedacht sein musste, die ganze Station ernähren zu können.
»Das soll die Besonderheit dieser Feste hervorheben«, hatte Thera mit glänzenden Augen gesagt, aber für mich war das keine Rechtfertigung. Für mich war es eine Ausrede zur legalen Dekadenz. Dennoch hatte ich meinen besten Freunden versprochen, dass ich wenigstens versuchen würde, das alles zu genießen.
»27867, verifiziert«, leierte Atlantis in diesem Moment herunter und die beiden Sicherheitsleute machten mir Platz. Mit klopfendem Herzen betrat ich das U-Boot, mit dem ich zu Kuppel 1 reisen würde.
Die schlichte, hauptsächlich aus kühlem Metall bestehende Innenausstattung und die unbequemen Sitzbänke verliehen dem großen Tauchfahrzeug keine besonders gemütliche Atmosphäre, aber das war gewollt. Die Bewohner der einzelnen Kuppeln sollten sich nicht länger als nötig in den Shuttles aufhalten. Je weniger Abnutzung sie aufwiesen, desto seltener mussten sie ausgetauscht werden. Jegliche Art von Rohstoffen waren auf D.U. Atlantis Mangelware.
Mein Blick glitt nach oben zu der abgerundeten Decke, die aus Festibulum bestand, einem transparenten Plastik, das dem Druck in dieser Tiefe standhalten konnte und einen Blick in die Weite des Meeres gewährte. Manchmal fragte ich mich, warum die U-Bootkuppeln aus diesem durchsichtigen Material bestanden, denn eigentlich gab es hier unten nichts Besonderes zu sehen. Ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf das Innere und setzte mich auf eine der Bänke, nachdem ich mich vergewissert hatte, dass diese sauber war. Mit einem leisen Grollen setzte sich das U-Boot kurz darauf in Bewegung.
Etwa zehn Minuten später tauchte aus dem Dunkel der majestätische Umriss von Kuppel 1 auf. Sie war die größte von allen und beherbergte ausschließlich die Menschen, die zur ersten und zweiten Stufe gehörten. Gott sei Dank waren die Bewohner der Stufen 3 und 4 ebenfalls zusammen untergebracht, denn das ermöglichte es Thera, Aaron und mir, einander regelmäßig zu sehen.
Zugegeben, der Anblick der riesigen, hell erleuchteten Kuppel trug seinen Teil dazu bei, Vorfreude in mir zu wecken. Mit klopfendem Herzen wartete ich ab, bis wir angelegt hatten, und folgte nach dem Verlassen des Hafens den erklärenden Hinweisschildern.
Neugierig sah ich mir die Umgebung an, die sich gar nicht so sehr von der in meiner Heimatkuppel unterschied, wie ich insgeheim erwartet hatte. Die künstlich angelegten Wege zwischen den Gebäuden waren unfassbar sauber, nirgendwo konnte ich auch nur eine weggeworfene Verpackung oder sonstigen Müll entdecken, wie es bei uns ab und zu der Fall war. Man schien hier sehr bedacht auf Reinlichkeit, was übersetzt hieß, dass das Reinigungspersonal hier sicherlich Sonderschichten schieben musste. Auch jedes einzelne der mehrstöckigen Wohngebäude sah gepflegt aus, sodass das Silber der Fassade in der künstlichen Beleuchtung strahlte.
Schneller, als ich erwartet hatte, war ich an dem Gebäude angelangt, in dem die Feierlichkeiten stattfinden würden. Vor der Tür stand eine Vielzahl von Mitarbeitern der Security, die jeden, der auch nur in ihre Nähe kam, genau unter die Lupe nahmen. Erneut nannte ich meine Nummer und machte mich bereit, durch den Securityscanner zu treten, damit der Computer mich checken konnte. Dieser Scanner funktionierte ähnlich wie das In-Watch auf der Krankenstation, nur das hier nicht meine inneren Organe samt Blutdruck und Herzfrequenz überprüft wurden, sondern mein gesamter Körper auf irgendwelche unerlaubten Gegenstände.
Nachdem Atlantis mich erneut verifiziert hatte und auch der Check durch den Scanner erledigt war, erhielt ich ein orangefarbenes Armband. Dieses wies mich als Besucher von Kuppel 1 aus. Soweit ich wusste, würde das Band spätestens in sechs Stunden seine Leuchtkraft verlieren, und ich damit jegliche Berechtigung, mich in diesem Gebäude aufzuhalten. Würde man mich nach Ablauf der Zeit noch hier auffinden, stünde mir eine unangenehme Befragung bevor, wenn ich keine gute Erklärung hatte.
Auf genau diese Tatsache wies mich jetzt auch der Security, der das Band an meinem Handgelenk befestigte, mit leiernder Stimme hin und erklärte mir, welchen Aufzug im Inneren ich nehmen musste, um zur Festhalle zu gelangen. Wie oft er diese Sätze heute wohl schon gesagt hatte?
»Vielen Dank für Ihre Mühe«, sagte ich und lächelte dem Mann zu, der mich überrascht anblinzelte.
Dann lächelte er ebenfalls und wies Atlantis an, mir die letzte Tür zu öffnen, die mich von den Fahrstühlen trennte. »Viel Spaß!«, wünschte er mir und es klang, als meinte er es vielleicht sogar ehrlich.
Das Gefühl, etwas Nettes getan zu haben, glitt warm meinen Bauch herab und ich ertappte mich dabei, zusätzlich zu der Neugier auch ein wenig Vorfreude zu empfinden. Ich verknotete die Hände ineinander und betrat nach kurzem Warten den Fahrstuhl, der mich innerhalb von Sekunden in die Etage brachte, in der die Feierlichkeiten stattfinden sollten.
Im Gang vor dem großen Festsaal blieb ich stehen und ließ die Umgebung auf mich wirken. Thera hatte mir zwar erzählt, dass die Creme de la Creme solche Gelegenheiten gern nutzte, um sich zu zeigen, aber davon zu hören oder es zu sehen, waren zwei ganz unterschiedliche Dinge. Wohin ich auch blickte, überall standen Grüppchen in schicker Kleidung herum und unterhielten sich gedämpft, während sie einander mit Sektkelchen zuprosteten.
Ein letztes Mal holte ich tief Luft, bevor ich den Saal schließlich betrat. Augenblicklich schlug mir ein herrlicher Duft entgegen und ich wandte automatisch den Kopf in die Richtung, aus der er kam. Braun gekleidete Mitarbeiter der Stufe 4, die für die Nahrungsmittel zuständig waren, hatten mehrere Tische zu einer langen Fläche zusammengestellt und dort alles, was ihre Produktion so hergab, aufgebaut.
Ich ließ den Blick darüber gleiten und mir wurde anders. Auf dem ersten Tisch lag Obst, soweit das Auge reichte. Bananen, Mandarinen, Orangen, Ananas und noch viel, viel mehr. Teilweise war es zu prunkvollen Bauten aufgetürmt, bei denen ich schon vom Hinsehen Angst bekam, dass sie zusammenstürzten, wenn sich einer an ihnen bedienen würde. Früchte, die es schon seit Jahrhunderten nur zu ganz besonderen Anlässen gab, weil sie schwer zu züchten waren und sogar solche, die ich bislang nur aus den Videos der Lernabschnitte kannte. Alles war fantasievoll dekoriert und dampfendes Trockeneis sorgte dafür, dass das Obst gekühlt wurde.
»Faszinierend, nicht wahr?«, vernahm ich eine helle Stimme neben mir und zuckte zusammen. Eine junge Frau, ganz in weiß gekleidet sah mich amüsiert an. Sie trug ein Schild am Revers, dass sie als Nadeesha auswies. »Sie müssen Valea sein, eine unserer Preisträgerinnen. Das System hat mir ihre Ankunft bereits gemeldet.«
Ich nickte. Zu beidem. Vor mir stand tatsächlich die persönliche Assistentin von Michael, dem Leiter der gesamten Station und ... sie sprach mit mir! Für jemanden, für den dieser Prunk nicht alltäglich war, wirkte all das hier tatsächlich zunächst einmal faszinierend. Auch, wenn es nichts an meiner Grundeinstellung änderte. »Wofür werde ich eigentlich ausgezeichnet?«, stellte ich die Frage, die mich schon beschäftigte, seit Thera mich mit der Einladung zu dieser Feier überrumpelt hatte.
Für den Bruchteil einer Sekunde geriet das Lächeln von Nadeesha ins Wanken, aber sie war viel zu sehr Profi, als dass es jemand bemerkt hätte, der sie nicht so genau beobachtete, wie ich es gerade tat. »Nun, soweit ich weiß, sind sie der jüngste, ausgebildete Med-Op, den es jemals auf D.U. Atlantis gab«, fing sie sich schnell und auch ihre Mundwinkel hoben sich wieder. »Dank eines IQ von 157 haben sie in den schulischen Lernabschnitten mehrere Jahre übersprungen und auch während der Studienzeit war ihr Lernfortschritt so enorm, dass sie schneller promovierten als jeder andere Student zuvor.«
Verblüfft sah ich die schlanke Frau neben mir an, die sich mit einer Handbewegung das dunkelbraune Haar hinter das Ohr strich. »Ich bekomme eine Auszeichnung, weil ich schneller lerne als andere?« Gut, es war tatsächlich noch nie vorgekommen, dass ein Bewohner schon mit achtzehn Jahren fertig ausgebildeter Medical Operator war – das hatte ich irgendwann aus Neugier mal in der Datenbank des Bordcomputers recherchiert – aber das darum so ein Wirbel gemacht wurde, verstand ich nicht.
»Genau.« Nadeesha nickte. »Und nun bitte ich sie, mich zu entschuldigen, es ist ein weiterer Preisträger eingetroffen. Ich wünsche ihnen viel Spaß.«
Ehe ich mich versah, stand ich wieder allein da und sah dabei zu, wie die Assistentin vom obersten Boss den nächsten Preisträger begrüßte, einen Mann in den Vierzigern, der immer wieder nervös die Augen zusammenkniff und dessen Ausgehkleidung so schlecht saß, dass ich einen stillen Dank an meine besten Freunde sandte, denn ich sah – sogar in meinen Augen – wirklich passabel aus! Es hatte mich zwar extrem genervt, dass sie so ein Theater um diesen Abend gemacht hatten, aber jetzt war ich doch erleichtert darüber, dass sie sich bezüglich meiner Garderobe durchgesetzt hatten.
Thera hatte meine widerspenstigen roten Locken vom linken Ohr ausgehend so über meinen Kopf zur anderen Seite geflochten, dass mir keine störenden Strähnen ins Gesicht fallen konnten, die Haare aber hinten dennoch in weichen Wellen über die beigefarbene Bluse fielen. Der geschwungene blaue Rock wippte bei jedem Schritt fröhlich um meine Beine und ich musste zugeben, dass die Ballerinas wirklich bequem waren. Ja, ich war angenehm überrascht von meinem Spiegelbild gewesen.
Über mich selbst grinsend löste ich mich vom Obsttisch und schlenderte weiter. Ein Kellner blieb vor mir stehen und hielt mir ein Tablett entgegen, auf dem sich verschiedenfarbige, vom Inhalt nicht zu definierende Flüssigkeiten in Sektkelchen befanden. Ich lächelte und griff nach einem, von dem ich hoffte, dass sich Orangensaft darin befand. Der nächste Aufbau beinhaltete kleine Snacks, die aber Kanapee genannt wurden, wie Aaron mich aufgeklärt hatte, und metallene Tabletts mit Tomaten- oder Champignonsuppe darauf, die von unten mit einem brennenden Gel auf Temperatur gehalten wurden.
Auf dem nächsten Tisch starrte mich ein Schwein mit knusprig braungebratener Haut und einem Apfel in der Schnauze an. Mein Mund klappte auf und ich war versucht, das Tier anzufassen, um zu überprüfen, ob es echt war. Aber vermutlich würde man mich dann für vollkommen durchgeknallt halten. Ob dieses Tier auch nur annähernd so schmeckte wie die Fleischpaste auf unserem täglichen Speiseplan, von der behauptet wurde, sie beinhalte mindestens zwei Prozent echtes Schwein? Ich wusste, dass es auch Tierweiden in der Produktionskuppel gab und dass dort neben Hühnern auch Schweine gehalten wurden, aber ich hatte noch nie eines so nah vor mir gesehen. Gut, dieses hier war tot, aber immerhin bestand es nicht aus künstlich hergestelltem Pressfleisch.
Gerade, als ich mich dem letzten Tisch, auf dem die Nachtische standen, widmen wollte, veränderte sich das Licht und ein Raunen ging durch die Anwesenden. Ich wandte meinen Kopf in die Richtung, in die auch alle anderen blickten. Scheinbar wusste mal wieder jeder außer mir, was jetzt passieren würde. Die dem Buffet gegenüberliegende Wand glitt fast lautlos auseinander und vergrößerte den Raum noch einmal um die gleiche Größe. Dahinter kamen nun festlich dekorierte Tische zum Vorschein und vor diesen standen Stationsleiter Michael, Corvin und Elizabeth.
Alle drei waren komplett in weiß gekleidet und ich konnte nicht anders, als Elizabeth anzustarren. Sie trug ein bodenlanges Kleid, das im Nacken zusammengehalten wurde und ihren Körper wie eine zweite Haut umschmeichelte. Ein goldglitzerndes Band war um ihre Hüfte gebunden und passte perfekt zu den golden abgesteppten Nähten des weißen Sakkos und der Anzugshose, die der Mann an ihrer Seite trug.
Zugegeben – diese Frau hatte einfach eine umwerfende Wirkung, solange sie den Mund hielt. Aber auch Corvin, der den Arm besitzergreifend in ihren Rücken gelegt hatte, sah in Natura so aus, wie Thera ihn beschrieben hatte.
Hotter als Hot.
Wie hätte ich leugnen können, was so offensichtlich war? Sogar seine Haare, die eigentlich einen Tick zu lang waren und ihm in verwegenen Strähnen ins Gesicht hingen, schmälerten seine Ausstrahlung nicht.
Mühsam riss ich mich von ihm los und lenkte meine Aufmerksamkeit auf Michael. Auch Corvins Vater war eine durchaus beeindruckende Erscheinung, wenn auch auf andere Weise. Fast zwei Meter groß überragte er so ziemlich jeden in diesem Saal, obwohl schon sein durchdringender Blick allein eine einschüchternde Wirkung hatte.
»Guten Abend«, erklang seine ruhige und leise Stimme. Ich hatte noch nie jemanden erlebt, der so dezent seine Überlegenheit demonstrieren konnte wie er. »Ich freue mich, dass alle Preisträger meiner Einladung gefolgt sind und gemeinsam mit mir und meinem Sohn diesen Abend verbringen wollen.«
Wollen? Ja klar, so was von. Wüsste ich nicht um die Lebensmüdigkeit, die das beinhaltete, hätte ich gelacht. So aber blickte ich nur weiter stumpf nach vorn und legte jenes nichtssagende Lächeln auf meine Lippen, das ich gestern auch Elizabeth geschenkt hatte.
»Meine Assistentin Nadeesha wird die einzelnen Preisträger und die weiteren Gäste jetzt nach vorn bitten, damit wir einander kurz vorstellen können, bevor wir dann zum angenehmen Teil übergehen können, dem Essen.« Er lachte pflichtschuldig, aber sogar von hier aus konnte ich sehen, dass seine Augen teilnahmslos blieben.
Leiser Applaus erklang und dann sah ich auch schon Michaels Assistentin durch den Raum auf mich zu kommen. Mit klopfendem Herzen folgte ich ihr und wartete, bis der Stationsleiter die restlichen Gäste und den zweiten Preisträger begrüßt hatte. Endlich war auch ich an der Reihe und die Stimme des Stationsleiters erklang vor und über mir.
»Sie sind also die junge Dame, die trotz ihres zarten Alters schon so viel erreicht hat und als Jahrgangsbeste bei den Medical Operators promoviert hat?«
Ein Schauer rann mir über den Rücken und ich wagte nicht, meinen Kopf anzuheben, während ich nickte. »Ja, Sir«, antwortete ich leise.
»Corvin, darf ich dir Valea vorstellen? Ich setze große Hoffnungen in ihre Fähigkeiten. Ich glaube, sie wird noch großartige Dinge für unsere Station tun.« Auch wenn die Worte wieder leise gesprochen waren, war mir der verborgene Befehl, der eindeutig an seinen Sohn gerichtet war, nicht entgangen und das ließ mich nun doch neugierig den Blick heben.
»Guten Tag, Valea.« Corvin streckte mir die Hand entgegen und sein leicht verkrampftes Lächeln machte mir klar, dass er mindestens genauso viel Bock auf diese ganze Aktion hatte wie ich. Nämlich gar keinen. »Ich gratuliere dir herzlich zu deiner Auszeichnung!«
Auch ich zwang erneut ein Lächeln auf mein Gesicht und ergriff seine Rechte. Im gleichen Moment durchfuhr es mich wie ein Stromschlag.
»Ich kann dich in meinem Leben nicht brauchen!«, flüsterte er an meinem Hals und ich hielt unwillkürlich die Luft an. »Aber ...«, fuhr er noch leiser fort, »ich will dich in meinem Leben.« Langsam löste er sich von mir und sah mich an. Die kleine Falte zwischen seinen Augenbrauen zuckte vor Anspannung und die Haare fielen ihm wirr ins Gesicht.
Ich widerstand dem Impuls, nach vorn zu greifen und sie ihm aus der Stirn zu streichen. »Sie werden das niemals zulassen«, erwiderte ich und konnte nicht verhindern, dass meine Stimme zitterte. Meine Hand hob sich und dann schob ich seine Locken doch zur Seite. Mich in seiner Gegenwart unter Kontrolle halten konnte ich. Nicht.
Erneut zog er mich an sich, vergrub seine Nase in meinen Haaren und atmete tief ein. »Dann müssen wir eben dafür sorgen, dass sie andere Probleme haben«, sagte er leise.
Die Entschlossenheit in seiner Stimme ließ mich erschaudern. »Was hast du vor?«
»Wir werden ...«
»Valea?«
Blinzelnd kehrte ich in die Gegenwart zurück und starrte auf meine Hand, die noch immer die von Corvin umklammert hielt. Und zwar so fest, dass das Weiß an meinen Knöcheln hervortrat. Ich hob den Kopf zu seinem Vater an, der mich irritiert ansah.
»Oh, Verzeihung«, murmelte ich und zog die Hand so abrupt zurück, als hätte ich mich verbrannt. Corvin entwich ein leises Keuchen und als unsere Blicke sich begegneten, konnte ich in seinen klaren blauen Augen die gleiche Überraschung lesen, die mich gerade heimsuchte.
Hatte er es auch gespürt?