Читать книгу Häuser des Jahres 2020 - Katharina Matzig, Wolfgang Bachmann, Udo Wachtveitl - Страница 13
ОглавлениеHinter grünen Mauern
Anerkennung
VON
bergmeisterwolf architekten
IN
Vahrn (I)
Ohne sich anzubiedern, dockt der radikale Anbau an die bestehende Villa an. Die Außenwelt bildet er verschwommen ab.
Die kleine Gemeinde Vahrn liegt im Eisacktal, nördlich von Brixen. Wegen ihrer Lage zwischen der schluchtartigen Enge des Wipptales und der Talweitung von Brixen wurde sie früher von Reiseschriftstellern oft als „Tor zum Süden“ beschrieben. Tatsächlich lebten seit dem Mittelalter Gastwirte und Handwerker vom regen Fuhrwerksverkehr an der Nord-Süd-Verbindung, mit der Eröffnung der Brennerbahn im Jahr 1867 lockte der Ort bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs vornehme Gäste aus Wien, München und anderen Städten. Gut fünf Kilometer ist Brixen entfernt, wo Gerd Bergmeister und Michaela Wolf ihr Büro bergmeisterwolf architekten führen. „Unser Büro-Knotenpunkt“, so war kürzlich in einem Interview zu lesen, „ist die Modellbauwerkstatt, um die sich alles dreht: das gemeinsame Entwickeln am Modell, das Experimentieren und Forschen in unterschiedlichen Maßstäben. Modelle sind für uns Werkzeuge, sie werden zu Prototypen, an denen gearbeitet, entwickelt, im Landschaftsmodell getestet und verfremdet wird.“ Kein Wunder also, dass die beiden, die auch von Rosenheim aus arbeiten, wo Michaela Wolf als Professorin Grundlagen des Entwerfens lehrt, ihrer Einreichung für den Wettbewerb auch Fotos von ihren Entwurfsmodellen beifügten. Als einziges Büro.
In den Modellen ist ein skulpturales, kompaktes Volumen zu erkennen, das sich in der Länge abtreppt. Über einen schwebenden Glasbereich dockt es an die bestehende Villa Volgger an, respektvoll. Ohne sich anzubiedern und durchaus radikal fügt sich der Zubau, wie man in Südtirol sagt, in das Ensemble und die Lücke. Als Wohnen nach innen beschreiben die Architekten die Vorstellung der Bauherren: Mauern umschließen das neue Haus. Im Gegensatz zu ihrer Farbigkeit im Modell sind sie jedoch nicht weiß: Grün pigmentierter Verputz wechselt mit Profilglas, einer speziellen Art von Gussglas, das 6 bis 7 Millimeter dick ist. Es lässt die Umgebung – von innen heraus betrachtet – grünlich verschwimmen. Und es erlaubt – vice versa – nur einen unscharfen, surrealen Einblick in das Innere des Hauses.
Urteil der Jury
von Alexander Gutzmer
Die Frage nach Offenheit und Abschottung ist – gerade in der Architektur von Wohnvillen – eine durchaus kontroverse. Es kann von daher als eine Stärke eines Gebäudes gesehen werden, wenn es hierzu eine eigene, im besten Fall auch eigenwillige Position bezieht. Die „Villa r“ von bergmeisterwolf in Brixen tut dies. Dieses Gebäude deutet Öffnungen an, ohne das Geheimnis der gelebten Intimität komplett preiszugeben. Wir sehen ein „nach innen“ gerichtetes Wohnen, wie es die Architekten nennen, doch zugleich eines, das auch das Außen, den sozialen Raum miteinbezieht. Die umschließenden Mauern schotten einerseits natürlich ab. Zugleich lassen großzügige Profilfenster schemenhafte Einblicke in das Innere zu. Die Verlängerung des Glases über die verputzte Fassade hinweg stiftet eine Kohärenz des gesamten Baukörpers und schafft an der Fassade eine Dreidimensionalität, die das Gestaltungselement Fassade selbst weiterentwickelt. Der neue Baukörper spielt mit Textur und Dimensionalität. Körnungen aus Glas verleihen dem grün pigmentierten Verputz eine gewisse Tiefenwirkung. Durch die Verkleidung mit Profilglas wird dieser Effekt noch erweitert. Die tiefen Laibungen schaffen eine Wichtigkeit der Öffnungen, diese werden somit zu einem gestalterischen Moment.
Dies ist also ein Gebäude, das sich seiner selbst bewusst ist – und das, obwohl es nicht unbedingt auftrumpft. Der monolithische Neubau fügt sich durch seine Gestaltung und Form nämlich durchaus in das bestehende Ensemble ein. Mittels des schwebenden Glasbereiches dockt der neue Baukörper unaufgeregt an die bestehende Villa an. Diese Architektur ordnet sich in die Baulücke ein, ohne jedoch ihr Eigenes zu verlieren.
Ein schwebender Glaskörper verbindet den Alt- mit dem Zubau. Hier ist der Fitness- und Saunabereich für die Familie untergebracht. Das darunterliegende Erdgeschoss wird vom Sohn der Familie bewohnt.
Eigenständig und eindeutig heutig sucht der Neubau die Nähe zur bestehenden Villa: Die historischen Fensterläden werden neu interpretiert, sie bieten Schutz und fungieren als verbindendes Element zwischen den beiden Gebäuden.
Körnungen aus Glas lassen den grün pigmentierten Verputz dreidimensional wirken. Bewusst tief wurden die Laibungen ausgebildet.
Ansicht
Grundriss Obergeschoss
Grundriss Erdgeschoss
Maßstab
M 1:400
1Eingang
2Schlafen
3Bad
4Kochen, Essen, Wohnen
5Hof
6Übergang Altbau
7Fitness
„Nicht an einem Ort sollst du bauen, sondern den Ort sollst du bauen.“
bergmeisterwolf architekten
Gerd Bergmeister, Michaela Wolf
Anzahl der Bewohner:
3
Wohnfläche (m2):
380
Grundstücksgröße (m2):
315
Standort: Vahrn (I)
Fertigstellung: 2017
Architekturfotografie:
Gustav Willeit, Corvara – Zürich
Lageplan