Читать книгу Häuser des Jahres 2020 - Katharina Matzig, Wolfgang Bachmann, Udo Wachtveitl - Страница 14

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Der Solitär

Anerkennung

VON

Think Architecture

IN

Zürich (CH)


Auf einer Wiese über dem Weinberg mit Blick auf den Zürichsee entwickelten die Architekten für ihre Bauherrschaft einen repräsentativen und dabei zeitgemäßen Solitär.

Eine herausragende Lage am Zürichsee erfordert eine herausragende Architektur, da waren sich die anspruchsvollen Bauherren sicher. Für die Bebauung einer Wiese am oberen Abschluss eines Weinbergs suchten sie daher das geeignete Büro über einen privaten Studienauftrag, den sie an drei ausgewählte Architekturteams vergaben. Eine klare Vorstellung für ihr Haus hatten sie bereits: Sie wünschten sich ein symmetrisches Haus mit Sprossenfenstern.

Den Auftrag bekam das 2008 gegründete Büro Think Architecture von Ralph Brogle und Marco Zbinden, das bereits auch mehrfach im Wettbewerb "Häuser des Jahres" ausgezeichnet wurde. Ihren Firmennamen gaben sich der an der ETH Zürich ausgebildete Ralph Brogle und Marco Zbinden, der nach einer Lehre als Hochbauzeichner an der Zürcher Hochschule Winterthur sowie an der Universität der Künste Berlin Architektur studierte, mit Bedacht: „Think Architecture“, so heißt es auf der Website, „ist ein Aufruf an uns und unsere jetzigen und künftigen Auftraggeber, die Herausforderung in der Architektur zu suchen und uns professionell zu messen. Mit „Architektur denken“ kann einerseits das Entwerfen und Umsetzen von Bildern vom Konzept bis zur Detailplanung, anderseits der intellektuelle Prozess vom ersten Kontakt mit dem Kunden und dem Bauort bis zur Realisierung bezeichnet werden.“ Was konkret bedeutet: Mit dem Haus am Weinberg erbrachten sie den Beweis, dass eine symmetrische Raumorganisation nach wie vor Berechtigung hat und zeitgenössisch umgesetzt werden kann.

Das neue Haus besetzt ein Feld von 24 auf 20 Meter, jede Seite erhielt einen Einschnitt in ihr Volumen. Straßenseitig wird er, mittig liegend, als gedeckter Vor- und Eingangsbereich genutzt. Die beiden seitlichen Fassaden, die sich auf die Wiesenflächen orientieren, erhielten je eine kleine Loggia. Richtung Weinberg und Zürichsee erfolgte die größte Zäsur: Eine drei Meter tiefe Veranda vergrößert sich in der Gebäudeachse zum Hof.

Die überhohe Halle ist das Zentrum des Hauses und wichtigster Aufenthaltsort der Familie. Zwei flankierende Erschließungsschlaufen führen als Rundlauf jeweils ins Ober- sowie ins Untergeschoss. Eingefärbter Kalkputz, Eichenparkett und Naturstein harmonieren in den Innenräumen.

Außen wird die naturnahe Materialisierung aus erdigem Kratzputz von einem Skelett aus filigranen Glasfaserbetonelementen zusammengehalten. Ein einheitliches Fenstermodul bespielt die unterschiedlichen Fassaden: Ralph Brogles und Marco Zbindens Sprossenfenster wurden als zweiteilige Schiebefenster mit Minimalprofilverglasungen ausgebildet. In den überdachten Bereichen lassen sie sich bei Bedarf komplett in einer Wandtasche verstauen.

Urteil der Jury

von Katharina Matzig

Zu den Gretchenfragen in der Architektur gehören vermutlich die folgenden beiden: Sprossenfenster: ja oder nein? Grundriss- und Fassadensymmetrie: ja oder nein? Die Antworten scheinen klar: nein. Und nein. Nicht im Jahr 2020. Das war es dann mit dem Auftrag am Zürichsee. Schade.

Es sei denn, die beauftragten Architekten heißen Ralph Brogle und Marco Zbinden. Deren Büro heißt ganz offensichtlich nicht nur Think Architecture, die Architekten agieren auch dementsprechend: Sie denken erst, bevor sie planen und bauen. Sie machen es sich nicht leicht und werfen ihre Prinzipien nicht über Bord, nicht für Honorar. Sodass aus einem Sprossenfenster ein ästhetisch anspruchsvolles, filigranes und minimalprofiliertes Schiebeelement wird. Und aus einem symmetrischen Haus ein Solitär, der elegant und durchaus auch repräsentativ ist, wie es sich auf einem solch großen Grund gehört. Was hätte hier alles schiefgehen können! Entstanden jedoch ist eine wunderbar wohnliche und einladende Villa. Sie bietet öffentliche Räume ebenso wie private Rückzugsbereiche. Sie protzt nicht, sie prunkt nicht: Wertig und wohlproportioniert behaust sie eine Familie.

Quod erat demonstrandum: Man kann Ja zur Symmetrie sagen. Und Ja zum Sprossenfenster. Statt eines lebensfernen hierarchischen Ordnungssystems entwickelte Think Architecture ein Haus, das seine Bewohner nicht auf Distanz hält und Benehmen verlangt, sondern in dem es sich leben lässt. Sehr gut vermutlich.

Wenn Architekten sich so souverän in der Architekturgeschichte bewegen und Elemente der Antike, der Renaissance und des Barock so zeitgemäß und qualitativ hochwertig zu interpretieren wissen, dann ist das anerkennenswert. Wer die Vergangenheit in die Zukunft denkt, vor dem verneigt sich die Jury.


Eine abgesenkte Außenlounge rahmt den Baum im Hof. Er markiert den Abschluss einer Reihe von symmetrisch ausgerichteten Repräsentationsräumen, die die gesamte Tiefe des Hauses bereits beim Eintritt erlebbar machen.


Das Schlafzimmer





Im Uhrzeigersinn: Küche; Enfilade Wohnen, Hof, Küche; Blick in den Wohnraum; Veranda


„Wir stellen grundsätzlich vermehrt fest“, meint Marco Zbinden, „dass Bauherren über soziale Medien wie Pinterest oder Instagram bereits viele Eindrücke gesammelt haben, wie ihr Haus, gewisse Räume, Materialien und sogar Details aussehen sollen. Wir finden es positiv, wenn sich die Bauherrschaft bereits intensiv mit ‚guter‘ Architektur befasst hat und eine Vorstellung hat, was ihr gefällt. Unsere Aufgabe wird neben dem Kreieren von Räumen jedoch vermehrt auch das Kanalisieren von Ideen und das Aufzeigen, welche ‚Bilder‘ wie interpretiert werden können. Nur so entsteht mehr als eine Reproduktion und Addition von Gesehenem. Bei diesem Projekt hat das sehr gut geklappt.“ Stimmt.

Querschnitt


Längsschnitt


Grundriss Obergeschoss


Grundriss Erdgeschoss


Grundriss Untergeschoss


Material/Hersteller: Außenwand/Fassade: Betonelemente, Elementwerk Istighofen, Istighofen, Kratzputz, Isi & Hegglin, Stäfa | Fenster: Filigranverglasungen Sky-Frame, Frauenfeld | Sonnenschutz: Spezialanfertigung, MD-Morandi, Erlenbach | Innentüren: Schreinerei Burger, Endingen | Beschläge: USW Piet Boon | Parkett und Laminat: DiLegno Fischgrätparkett in Eiche, Woodrangers, Meilen, Kolly & Schweizer, Höri | Fliesen und Naturstein: Solid Nature | Armaturen: Dornbracht Tara | Beleuchtung innen: PS Lab, Stuttgart | Küche: Schreinerei Burger, Endingen • Beteiligte Unternehmen: Zusammenarbeit Innenarchitektur: Atelier Zürich, Zürich | Landschaftsarchitektur: Enea, Rapperswil-Jona

Maßstab

M 1:400

1Eingang

2Halle

3Veranda, Hof

4Wohnen

5Musik

6Kochen

7Arbeiten

8Schlafen

9Bad

10Garage

11Lager

12Wein

13Zimmer

14Ankleide

„Das Haus am Weinberg erbringt den Beweis, dass die symmetrische Raumorganisation nach wie vor ihre Berechtigung hat und zeitgenössisch umgesetzt werden kann.“


Think Architecture

Ralph Brogle, Marco Zbinden

www.thinkarchitecture.ch

Anzahl der Bewohner:

4

Wohnfläche (m2):

480

Grundstücksgröße (m2):

1.200

Standort: Zürich (CH)

Bauweise: Massivbau

Fertigstellung: 05/2019

Architekturfotografie:

Simone Bossi, Malnate

www.simonebossi.it

Lageplan


Häuser des Jahres 2020

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