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Das Märchen von »Monstern« und »Tyrannen«

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Wir sind auf der Suche nach neuen Möglichkeiten, miteinander zu leben. Wir sind in einer Phase der Ungewissheit und des Umbruchs. Dieser Zustand erklärt, warum so viele Debatten geführt werden über die angebliche »Disziplinlosigkeit« der Kinder und Jugendlichen von heute. Auch ist es in solch einer gesellschaftlichen Stimmung nur nachvollziehbar, dass Bücher, die aus medizinisch-psychiatrischer Sicht einen angeblichen »Erziehungsnotstand« ausrufen und Kindern neben der inflationären Diagnose ADHS zugleich noch eine psychische Reifeverzögerung attestieren, auf breites Interesse stoßen. Und nachvollziehbar ist ebenfalls, dass die autoritären Traktate, in denen von »kleinen Monstern« die Rede ist, die uns den »letzten Nerv rauben«, die uns »auf der Nase herumtanzen«, die »irrsinnig anstrengend« sind, offene Ohren finden. Diese Diskussionen über Kinder, die nicht »erzogen« sind, und über Eltern, deren Erziehung »aus dem Ruder gelaufen« ist und die sich »kleine Tyrannen herangezüchtet« haben, tragen ihren Teil dazu bei, dass bei vielen Eltern die Unsicherheit verstärkt wird. Zusätzlich angeheizt wird die Stimmung durch Schriften, die ein Loblied auf die »Disziplin« singen und in denen gefordert wird, dass Eltern mehr »durchgreifen« sollten. Wie viel zusätzliche Verantwortung lastet da auf den Schultern der Eltern!

Auffällig – und ALARMIEREND – ist, dass gerade in derartigen Büchern kindliches Verhalten als »normal« oder »anormal« eingeordnet und gewertet wird, ohne dass die Verfasser sich mit der jeweiligen Situation, in der ein Kind agiert, oder mit den Gründen für ein bestimmtes Verhalten auseinandersetzen. Heute scheinen Kinder sofort mit Diagnosen belegt und bei jeder kleinsten Abweichung als »verhaltensauffällig« eingestuft zu werden. Ganz so, als ob keinerlei Zweifel daran bestünden, was als »normal«, »nicht normal«, als abweichendes Verhalten oder gar als krankhaft zu gelten habe. PAUSCHALIERUNGEN und VEREINFACHUNGEN von komplexen Fragen sind jedoch weder für Kinder noch für Eltern hilfreich und werden der diffizilen Materie nicht gerecht. Sie tragen vielmehr zur Unsicherheit von Eltern bei und lösen Angst und Sorge auf ihrer Seite aus.

Vieles ist normal!

»Normales«, also typisches Verhalten von Kindern ist erst mal ein rein statistischer Wert, und es bedarf einer differenzierten, umfassenden Beobachtung des Kindes unter Einbeziehung seiner Lebensumwelt, um fachlich einordnen zu können, ob es sich im konkreten Fall um ein Normverhalten handelt oder ob eine Abweichung vorliegt. Denn die Vielfalt dessen, was innerhalb einer gesunden kindgerechten Entwicklung geschehen kann, ist ungemein groß – und lässt viel Platz für Interpretation.

Du bist ok, so wie du bist

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