Читать книгу Heiße Küsse & eine neue Kulisse - Bettina Kiraly, Kathrin Fuhrmann - Страница 7
Kapitel 3
ОглавлениеTeestunde im Garten! Bei diesem windigen Wetter! Auf diese Idee konnten auch nur Engländer kommen. Es war beeindruckend, wie vehement sich die Blumen in der schweren Vase auf dem weißen Tischtuch weigerten, sich von den Windstößen zerrupfen zu lassen. Patrick wünschte, er wäre genauso standfest. Angus schien von der Aussicht angetan, trockene Kekse in viel zu schnell auskühlenden Tee zu tunken. Deshalb würde Patrick sich zusammenreißen und die Tortur schweigend über sich ergehen lassen. Das bedeutete allerdings nicht, dass er tatsächlich Vergnügen dabei empfinden musste.
Patrick bemerkte, dass die Anspannung in seinem Gesicht schmerzhaft wurde. Seine Mundwinkel waren jetzt schon so lange krampfhaft nach oben geschoben, dass er morgen davon vermutlich einen Muskelkater spüren würde. Er hoffte, dass man ihm dank seiner Anstrengung im Augenblick wenigstens nicht ansah, wie unwohl er sich fühlte.
„Schmecken dir die Flap Jacks nicht?“, fragte Angus und blickte prüfend auf Patricks unberührten Teller. „Wenn du lieber etwas anderes essen würdest, kann ich dir das selbstverständlich bringen lassen.“
„Das ist nicht notwendig“, versicherte Patrick rasch. Er zwang sich dazu, in die schlechte Imitation eines Müsliriegels zu beißen.
Während er kaute, zog ein Windstoß an seinen Haaren. Mit einer ruckartigen Handbewegung schob er die zerzausten Strähnen wieder nach hinten. Ein Frösteln konnte er jedoch nicht unterdrücken. Die Kälte in seinem Inneren wurde nicht nur durch das Wetter verursacht. Die Stimmung am Tisch war ähnlich frostig.
Sein Partner legte den Kopf etwas schief. „Du wirkst nicht sonderlich glücklich über die Essensauswahl. Bestimmt haben wir noch Scones im Haus. Ich weiß gar nicht, warum man sie nicht mit nach draußen gebracht hat.“
„Nein, danke. Es ist in Ordnung.“ Wie unangenehm es Patrick war, dass Angus so viel Aufheben um ihn machte! Sogar Cornish und Ailis musterten ihn inzwischen aufmerksam. Er hasste es, dass sie ihn für einen verweichlichten Amerikaner halten mussten. Als er nach fünf Minuten hier draußen gezwungen gewesen war, sich eine dickere Jacke zu holen, hatten sie geschmunzelt.
„Ihre erlesenen Geschmacksnerven scheinen mit den lokalen Köstlichkeiten nichts anfangen zu können. Kennt man Flap Jacks in Amerika nicht?“ Cornish warf ihm einen spöttischen Blick zu.
„Tatsächlich habe ich den Begriff erst einmal gehört“, gestand Patrick und hoffte, mit seiner Ehrlichkeit Angus’ Cousin dazu zu bringen, seine Sticheleien zu beenden. „In Nordamerika versteht man darunter kleine Pfannkuchen. Mit Ahornsirup ein wahrer Leckerbissen.“
„Das würde nun wirklich nicht zu einer echten englischen Teatime passen.“ Cornish lachte auf.
Diesbezüglich würde Patrick gerne widersprechen, aber das hätte die Situation nicht entschärft. Es war ihm wichtig, von der Familie seines Freundes akzeptiert zu werden, doch es schien, als hätten diese Menschen nicht die Absicht, ihn in ihrer Mitte willkommen zu heißen. Er würde weiter versuchen, sich anzupassen. Viel Hoffnung, dass das genügen würde, hegte er allerdings nicht. Möglicherweise wäre es die bessere Wahl gewesen, den anderen weiterhin aus dem Weg zu gehen.
Nach dem steifen Lunch gestern hatte Patrick sich am Abend geweigert, mit dem Rest der Familie zu essen, und auf einem Mahl in seinem Schlafzimmer bestanden. Man hatte ihm deutlich zu verstehen gegeben, dass er unerwünscht war. Angus hatte das dazu veranlasst, seinen Freund flammend zu verteidigen. Diese übertriebene Reaktion war Patrick unangenehm. Deshalb hatte er kein schlechtes Gewissen dabei gehabt, Migräne vorzutäuschen. Angus hatte die Nacht trotzdem bei Patrick verbracht und länger geschlafen.
Um vor den anderen das Frühstück beendet zu haben, hatte Patrick sich extra früh in das Speisezimmer geschlichen. Leider war der Plan gescheitert, weil Angus’ Großmutter kurz nach Patrick erschienen war.
Überraschenderweise hatte sie ihn mit einem kurzen Blick gestreift und ihm einen guten Morgen gewünscht. Nach ein paar schweigsamen Minuten hatte sie über das Wetter referiert. Patrick war dabei nicht zu Wort gekommen, dennoch hatte er es als positives Zeichen gedeutet. Die Stimmung war leider gekippt, als Angus zu ihnen gestoßen war. Er hatte seine Großmutter mit einem von Patrick als unangenehm empfundenen Kuss direkt auf die Lippen provoziert. Danach hatte Isla trotzig geschwiegen.
Patrick wäre am liebsten im Erdboden versunken. Obwohl er noch nicht satt gewesen war, hatte er die Flucht ergriffen. Auch jetzt hätte er nichts dagegen gehabt, zurück ins Haus zu kehren und sich zu verkriechen. Dann wäre er allerdings nicht in der Lage, Angus’ Familie näher kennenzulernen. Da sie beide nun zusammengehörten, sollte er es sich mit ihnen nicht verscherzen. Angus’ überfürsorgliches Verhalten machte es ihm allerdings nicht leichter, ernst genommen zu werden.
„Wir lieben es als echte Schotten etwas herzhafter“, warf Ailis ein. „Das mag für Sie schwer vorstellbar zu sein, zeigt aber wieder einmal deutlich, wie unterschiedlich wir doch sind.“
„Dank Angus weiß ich deftiges Essen inzwischen mehr zu schätzen.“ Patrick vertiefte sein verkrampftes Lächeln. „Auf Garbh werde ich mit würzigen Speisen verwöhnt. Meine Figur droht davor langsam zu kapitulieren.“
Angus griff nach seiner Hand und drückte ihm einen Kuss auf die Finger. „Du bist perfekt, wie du bist.“
Ailis schnaubte. „Dennoch schadet es nicht, wenn man darauf achtet, was man sich zwischen die Lippen schiebt.“
Essensvorlieben sollten kein Grund sein, jemanden nicht in seiner Familie zu wollen. Die Liste von Patricks Verfehlungen war allerdings noch länger, sodass er sich eine Diskussion sparen konnte. Sein Freund dachte darüber anscheinend anders.
„Patrick soll essen, worauf er Lust hat“, brummte Angus. „Lass ihn in Ruhe, Mutter.“
„Ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass die Dinge, die er sich in den Mund steckt, zeigen, welche Art von Mensch er ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Flap Jacks, Scones, deine Zunge oder andere Körperteile von dir handelt.“
„Mutter!“ Empört funkelte Angus in Ailis Richtung.
„Stimmt es, dass es einen Unterschied macht, was man zuletzt gegessen hat?“, fragte Cornish. „Den Geschmack von du-weißt-schon-was betreffend?“
Patrick krümmte sich und überlegte, unter die im Wind flatternde Tischdecke zu flüchten. Was für eine Frage! Darüber hatte er sich noch niemals Gedanken gemacht. Ganz sicher würde er in dieser Runde nicht damit anfangen.
Nun kam ein Schnauben von Angus’ Großmutter. „Früher mussten wir uns zum Glück mit diesen Dingen nicht beschäftigen. Abends schaltete man als gehorsame Frau das Licht aus und ließ über sich ergehen, wofür Gott die Männer vorgesehen hat. Für die perversen Vorlieben waren dann Frauen in einschlägigen Häusern zuständig. In der Branche, in der Sie arbeiten, ist man angeblich zu ähnlichen Anbiederungen gezwungen. Entspricht das der Wahrheit, Mr Harris?“
Hitze brachte Patricks Wangen förmlich zum Glühen, weil nach diesen unerwarteten Worten alle Blicke abschätzig auf ihm zu ruhen schienen. Wie überaus peinlich! „Mir ist bewusst, dass der Beruf des Models mit einigen Vorurteilen behaftet ist. Um einen Auftrag an Land zu ziehen, war ich allerdings noch niemals gezwungen, meinen Körper einem Kunden anzubieten.“
Angus drückte seine Hand inzwischen so fest, dass es wehtat. Bei Cornishs ungläubigem Auflachen brach er Patrick beinahe die Finger. „Wie kannst du es wagen, so etwas anzudeuten, Großmutter! Patrick verkauft sich nicht.“
„Das kann man sehen, wie man will“, warf Cornish ein. „Die Presse hat den Eindruck, dass es für Ihre Popularität von Vorteil ist, dass Sie mit meinem Cousin ins Bett gehen. Möglicherweise hat die Wahl des anderen Ufers dazu beigetragen, einige Fotokampagnen an Land zu ziehen, die sonst unerreichbar in der Mitte des Flusses vorbeigetrieben wären.“
Diesbezüglich widersprach Patrick vehement, verkniff sich allerdings einen Kommentar. Nein, seine Beziehung und sein Outing hatten ihm nicht nur positive Reaktionen beschert. Das beste Beispiel, welchen Vorurteilen er sich nun gegenübersah, war das Gespräch an diesem Tisch.
„Ich würde vorschlagen, dass du dich um deine eigenen Angelegenheiten kümmerst“, schlug Angus mit harter Stimme vor. „Patrick wird sich diese Art von Behandlung nicht gefallen lassen. Von keinem von euch.“
„Vielleicht sollte er uns von seinem Leben erzählen, damit wir uns ein eigenes Bild von ihm machen können.“ Ailis’ Lächeln erreichte ihre Augen nicht. Dennoch war Patrick bereit, ihr einen Vertrauensvorschuss und einen Einblick zu geben.
„Sehr gerne“, setzte er an. „Ich arbeite bereits seit vielen Jahren …“
„Er muss sich nicht rechtfertigen.“ Wut ging in Wellen von Angus aus, als er sich vorbeugte. Sein flammender Blick wanderte von einem zum anderen. „Hört auf, ihn zu bedrängen.“
Patrick legte seine freie Hand auf Angus’ Oberarm. Dass sein Geliebter ihn unterbrochen hatte, verärgerte ihn. Er wollte diese Gelegenheit nutzen, um die anderen auf seine Seite zu ziehen. „Das tun sie nicht“, flüsterte er ihm zu. „Lass mich einfach den Tisch mit ein paar amüsanten Anekdoten aus meiner Laufbahn unterhalten.“
„Denkst du wirklich, sie würden sich dafür interessieren?“, antwortete Angus ähnlich leise.
Ehrlich zuckte er mit den Schultern. „Einen Versuch ist es wert.“
Angus seufzte. „Wenn du meinst.“
Bevor Patrick die Gelegenheit erhielt, seinen Plan in die Tat umzusetzen, stand Ailis auf. „Es wird langsam frisch. Ich habe auch noch einen wichtigen Termin, den ich einhalten muss. Wenn ihr mich also entschuldigt.“
Isla wandte sich an Cornish. „Hilfst du mir nach drinnen?“, bat sie. „Ich bin ein wenig müde. Ein Nickerchen wird mir gut tun.“
Angus’ Cousin beeilte sich, die alte Dame zu stützen. Gefühlte Sekunden später waren Angus und Patrick allein zurückgeblieben. Der schnelle Aufbruch fühlte sich für Patrick an, als wäre er gegen eine Betonmauer gelaufen.
Patrick knurrte der Magen schon wieder, dieses Mal aber richtig. Um das Geräusch zu übertönen, räusperte er sich und überschlug die Beine. Der Stuhl vor Angus’ Arbeitstisch war nicht sonderlich bequem. Da Patricks Lover allerdings seit Stunden über Geschäftsunterlagen brütete, war das die einzige Möglichkeit, sich zumindest in seiner Nähe aufhalten zu können.
Sein Blick tastete über das Gesicht seines Geliebten. Patrick öffnete den Mund, schloss ihn allerdings wieder. Es gab etwas, das er Angus gerne erzählt hätte. Eine Stimme in seinem Inneren ließ ihn allerdings zögern. Er wollte nicht, dass Angus sich Sorgen um ihn machte. Sein geliebter Eremit hatte im Moment mit genug eigenen Dämonen zu kämpfen. Jede weitere negative Neuigkeit würde ihn nur weiter in Aufregung versetzen.
Noch einmal änderte er seine Sitzposition. Das Papier, das förmlich ein Loch in seine Hosentasche brannte, raschelte dabei leise. Patrick hielt die Luft an und beobachtete Angus. Der schien nicht zu bemerken, was um ihn herum vor sich ging. Also entspannte Patrick sich und ärgerte sich, dass er den Brief nicht gleich im Kamin verbrannt hatte.
Er hatte das Kuvert erst vorhin in seinem Koffer entdeckt. Vor seiner Abreise hatte er die Fanpost, die Neil ihm vorbeigebracht hatte, ungeöffnet hineingeworfen. Sein Agent hatte noch eine dringende Unterschrift gebraucht, was Patrick verärgert hatte, weil ihm die Zeit bis zum Abflug durch die Finger geronnen war. Er hätte das Zeug gar nicht mitnehmen sollen. Jetzt bereute er, diesen bestimmten Brief geöffnet zu haben.
Schwuchteln haben es nicht verdient zu leben. Solche, die ihre Perversität nach außen hin zeigen, schon gar nicht. Du wirst die Rechnung dafür schon bald präsentiert bekommen.
Eine dämliche Drohung. Wenig geschickt und schon gar nicht ernst gemeint. Wer warnte sein Opfer schon vor, damit es Sicherheitsvorkehrungen treffen konnte? Die Person, die sich die Mühe gemacht hatte, die Buchstaben aus der Zeitung auszuschneiden, auf ein Stück Papier zu kleben und das Ganze dann noch zur Post zu bringen, war ein Idiot. Unwichtig, infantil und total ungefährlich. Und dennoch …
Es war nicht die erste Nachricht dieser Art. Beleidigungen und Drohungen kamen immer wieder von anonymen Mailadressen. Gemeine Kommentare sammelten sich unter seinen Bildern in den sozialen Medien an. Dieser eine Brief traf ihn nur deshalb so schwer, weil er die Fanpost auf der Suche nach aufbauenden Worten geöffnet hatte.
Angus murmelte etwas. Scheinbar war ihm bei seiner Lektüre etwas Spannendes ins Auge gefallen. Er blätterte eine Seite zurück, strich mit dem Finger die Zeilen entlang und gab dann ein Brummen von sich.
Patrick überlegte, ob er Angus ansprechen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Offensichtlich beschäftigte Angus sich mit wichtigen Unterlagen. Deshalb streckte Patrick sich und holte die Zeitung, die auf einer Ecke des Schreibtisches lag. Unmotiviert begann er sie durchzusehen. Seine Gedanken wanderten aber schnell wieder in eine andere Richtung.
Klatsch und Tratsch über A bis C Promis fesselten seine Aufmerksamkeit nicht lange. Viel zu schnell wurde er sich seines weiter wachsenden Hungers bewusst. Es war jetztkurz vor dem Abendessen, und er wäre bereit gewesen, ein Nacktfotoshooting vor Angus’ Familie abzuhalten, wenn er dafür sofort etwas zwischen die Zähne bekommen hätte.
Er seufzte, als sein Magen sich noch einmal verkrampfte. Ob er noch mal versuchen sollte, sich mit der Lektüre der Zeitung abzulenken?
„Alles in Ordnung, Geliebter?“, fragte Angus, der von seinem Laptop aufgesehen hatte. „Du wirkst besorgt.“
„Hungrig bin ich in erster Linie. Nichts, was das Abendessen nicht korrigieren könnte.“ Patrick schickte Angus ein Lächeln. Ihm lag zwar noch mehr auf dem Herzen, doch das war nicht die Zeit oder der Ort, um eine ernsthafte Diskussion zu führen.
Angus sah auf seine Armbanduhr. „In einer guten Viertelstunde wirst du von deinem Leid erlöst. Leider kann ich meine Arbeit noch nicht beenden. Tatsächlich muss ich ein wichtiges Telefonat führen. Vielleicht möchtest du dich währenddessen schon auf den Weg in den Speisesaal machen?“ Seine grünen Augen funkelten ihn an.
„Das halte ich für eine gute Idee. Wenn deine Mutter auftaucht, bevor du fertig bist, lieferst du ihr beim Eintreten bestimmt eine Show, die sie nie vergessen wird. Dass du dazu in der Lage bist, hast du beim Frühstück ja schon bewiesen. Was das betrifft, würde ich mich gerne noch mit dir unterhalten. Später, wenn deine Aufgaben dich nicht mehr ablenken.“
„Leider wird das nicht so schnell der Fall sein. Dieses Telefonat ist wirklich wichtig. Furchtbar langweilig, aber notwendig. Du kannst auch gerne in deinem Zimmer auf mich warten.“
Der Rausschmiss überraschte Patrick. Üblicherweise hatte Angus kein Problem damit, geschäftliche Details vor ihm auszubreiten. Trotzdem stand er auf und trat vor den Schreibtisch. Er stützte sich auf der Arbeitsplatte ab und beugte sich vor, um Angus zu küssen. „Bis später. Beeil dich.“
Angus hatte diesen Ausdruck auf dem Gesicht, der nur für Momente reserviert war, in denen sie unbeobachtet waren. „Natürlich, Liebster. Bis gleich.“
Nach einem Augenzwinkern in Angus’ Richtung schlenderte Patrick auf den Gang. Kurz darauf schloss er die Tür des Gästezimmers hinter sich. Er nutzte die Wartezeit auf Angus, um sich frisch zu machen. Dann checkte er seine Mails.
Zumindest wollte er das. Leider wurde ihm klar, dass die Verbindung ohne WLAN-Passswort zu langsam war, um die Fotos öffnen zu können, aus denen er eine Auswahl für seine neue Arbeitsmappe treffen sollte. Er geduldete sich zehn weitere Minuten, bis der Hunger und die Langeweile ihn dazu trieben, sich auf die Suche nach Angus zu machen.
Zuerst warf er unbemerkt einen Blick in den Speisesaal, wo Angus’ Familie bereits Platz genommen hatte und sich über die Verspätung von Angus und Patrick beschwerte. Rasch zog Patrick sich zurück. Sein Geliebter hatte also nicht bloß vergessen, ihn abzuholen. Scheinbar hatte das Telefonat ihn länger in Beschlag genommen als gedacht.
Als Patrick sich dem Arbeitszimmer näherte, drang Angus’ Stimme zu ihm. Er blieb stehen, um nicht zu stören.
„Natürlich! Gar kein Problem. Ich bin sicher, er findet diese Rolle perfekt.“
Ein paar Sekunden lang herrschte Schweigen.
Patricks Nackenhaare stellten sich auf. Hoffentlich sprach Angus von einem seiner Angestellten.
„Nein, diesbezüglich muss ich nicht Rücksprache mit ihm halten. Ich kenne ihn in und auswendig. Schon jetzt weiß ich genau, was er sagen wird, wenn ich ihm erzähle, dass er die Möglichkeit bekommt, diesen Film zu drehen.“
Wieder eine kleine Pause. Dann lachte Angus auf.
„Ja, dieser Aspekt gefällt mir besonders gut. Dieses Projekt klingt von der Idee her aufregend. Die Namen der Schauspieler, die Sie bereits gecastet haben, beeindrucken mich. Für Patrick wird ein Traum wahr, wenn er mit diesen Größen zusammenarbeiten darf.“
Nein! Das durfte nicht wahr sein! Angus konnte es unmöglich gewagt haben, ihm noch einmal ein Casting vermittelt zu haben, ohne ihn vorher zu fragen.
„Vielen Dank. Ich weiß Ihr Entgegenkommen zu schätzen. Geben Sie mir ein paar Tage, damit ich alle notwendigen Vorkehrungen treffen kann. Schließlich soll Patrick nicht ahnen, dass ich über diese Sache Bescheid weiß. Wir bleiben in Kontakt.“
Patrick blieb die Luft weg. Pries Angus ihn schon wieder bei Kontakten der Filmbranche an? Hatte er nicht deutlich gemacht, dass er diese Einmischungen nicht länger duldete?
Er stieß die Tür auf und trat in den Raum. „Leg sofort auf!“, befahl er.
Erbleichend erwiderte Angus seinen Blick. Tatsächlich nahm er das Handy vom Ohr und drückte auf das Display. „Es ist nicht so, wie … Okay, es ist genau so, wie es aussieht. Ich habe erfahren, dass ein Freund aus alten Tagen …“
„Das ist mir völlig gleichgültig!“, unterbrach Patrick. „Es spielt keine Rolle, wer wie wann auf diese Schnapsidee gekommen ist. Ich will damit nichts zu tun haben!“
„Warte. Diese Chance erhältst du nur einmal. Hollywood, Patrick. Das, was du dir immer gewünscht hast.“
„Damit bringst du das Fass zum Überlaufen. Seit wir hier angekommen sind, benimmst du dich wie ein anderer Mensch. Highcomb macht aus dir einen Fremden, der alles vergessen hat, was wir jemals vereinbart haben.“
Angus legte das Handy weg und trat zu ihm. „Bitte, du übertreibst. Möglicherweise war es nicht klug von mir, dir zu verheimlichen, mit wem ich mich unterhalten wollte. Doch du lässt es klingen, als wäre ich verrückt.“
„Dieses Telefonat ist doch nur ein Symptom des eigentlichen Problems, das sich hier offenbart hat.“
„Wovon sprichst du?“
„Hör auf, dich ständig vor mich zu stellen!“, schrie Patrick. „Ernsthaft. Das ist übergriffig und beleidigt mich! Denkst du, ich wäre nicht in der Lage, mich selbst zu verteidigen?“
„Natürlich bist du das. Beruhige dich doch.“ Angus tätschelte seine Schulter.
„Du behandelst mich, als wäre ich ein kleines Kind. Du kannst meine Kämpfe nicht für mich austragen. Wenn du es ständig versuchst, lässt mich das schwach dastehen!“
Mit betroffenem Gesichtsausdruck nickte Angus.
Das machte Patrick noch wütender. „Tu nicht so, als würdest du verstehen, wovon ich spreche. Ich weiß zu schätzen, dass du mich unterstützt. Es ist wichtig, dass du mich nicht im Stich lässt, wenn ich deine Hilfe brauche. Doch du beleidigst jeden, der mir bloß eine Frage stellt. Du tust, als würde man mich angreifen, nur weil der Tonfall deiner Familie etwas rau ist.“
„Denkst du etwa, sie verhalten sich so, weil sie dich testen wollen? Sie machen damit sehr deutlich, wie sie zu meinem Lebensstil stehen. Sie zeigen mir ihre Verärgerung, weil ich offen in einer schwulen Beziehung lebe. Sie versuchen dich zu verjagen, um mich wieder in mein altes Leben zurückkatapultieren zu können.“
Patrick verdrehte die Augen. „Es geht also nur um dich und hat nichts mit mir zu tun?“
„Natürlich!“ Dann merkte Angus, was er da gerade gesagt hatte. „Du weißt, wie ich das gemeint habe.“
„Tue ich das? Irgendwie habe ich trotzdem das Gefühl, alles dreht sich immer nur um dich.“
Angus schlug mit der Faust auf den Tisch. Die Gegenstände darauf erbebten. Eine Vase kippte um und ergoss ihren Inhalt über die teure Holzplatte.
„Das ist nicht wahr! Ich liebe dich. Meine Gedanken kreisen unablässig darum, wie ich dich glücklich machen kann.“
Rasch griff Patrick nach der Vase und stellte sie auf. Aus einer metallenen Dose ragte ein Taschentuchzipfel. Daran zupfte Patrick und begann das Wasser aufzuwischen. Bei dieser Arbeit wich er Angus’ Blick aus.
Angus nahm ihm das Taschentuch weg, das ohnehin schon vollgesogen war. „Du bist mir wichtiger als mein eigenes Glück.“
„Diese Verantwortung kann ich nicht tragen.“
Frustriert knurrte Angus. „Was heißt denn das nun wieder?“
„Du bist auf mich fixiert“, präzisierte Patrick mit ruhiger Stimme. „Allerdings nicht auf die gute Art. Du willst alles tun, um mich bei Laune zu halten. Ich fühle mich, als hättest du mich zu deinem neuesten Lieblingsspielzeug gemacht, das du auf der Spielfläche nach deinem Willen hin und her schieben kannst. Du willst der Held sein. Du willst die Kontrolle haben. Du willst die Fäden in der Hand halten, an denen ich tanze. Weil es in Wahrheit nur darum geht, wie du bei der ganzen Sache wegkommst.“
In den letzten Monaten hatte sich viel in ihm angestaut. Er liebte Angus von ganzem Herzen, und die meiste Zeit war er glücklich an seiner Seite. Doch in Momenten wie diesen, wenn Angus in seine schimmernde Rüstung kletterte und sich aufs Pferd schwang, um ihn zu retten, wurde es ihm einfach zu viel. Angus übertrieb maßlos. Erkannte er das denn nicht selbst?
Angus’ Nasenflügel bebten. „Ist das dein Ernst?“
„Tut mir leid, wenn ich die Fakten so direkt ausspreche. Das zwischen uns kann nur funktionieren, wenn du in mir einen gleichberechtigten Partner siehst. Im Moment behandelst du mich allerdings wie ein kleines Kind.“
„Meine Familie ist der Albtraum!“, tobte Angus. „Sie nehmen mich nicht ernst und zerstören immer alles Gute in meinem Leben. Ich will dich doch nur vor Beleidigungen beschützen.“
„Und ich hätte gerne eine echte Chance, deine Mutter kennenzulernen. Sie gehört zu deinem Leben. Wenn ich ein fester Teil davon sein soll, wäre es nicht schlecht, wenn sie mich nett findet.“
„Das wird niemals passieren.“
Patrick stöhnte. „Nicht, wenn du sie angreifst, sobald sie das Wort an mich richtet.“
„Sie ist der Feind, nicht ich!“
„Im Augenblick bist du die größere Gefahr für unsere Beziehung.“ Patrick wusste, dass er seinen Geliebten damit verletzte. Allerdings wusste er nicht, wie er ihm deutlicher machen konnte, dass sie an einem Scheideweg standen. Er war es leid zu kämpfen, wenn Angus kein Verständnis dafür aufbrachte, was seinen Partner überhaupt störte.
Angus legte seine Hände um Patricks Gesicht. „Ich flehe dich an. Überdenke deine Worte.“
„Das habe ich. Seit einiger Zeit kreisen sie in meinem Kopf. Ich habe überlegt, wie ich sie ausdrücken soll. Daran, dass ich es muss, habe ich leider seit längerem nicht mehr gezweifelt.“
„Willst du unsere Beziehung etwa beenden?“ Panik lag in Angus’ Blick. Aus seiner Stimme war die Verzweiflung zu hören.
Es brach Patrick das Herz. Wie sollte ihn die Angst seines Geliebten unberührt lassen? „Nein“, sagte er bedächtig. „Nein, das habe ich nicht vor. Ich würde dich nur bitten, dir Gedanken über den Eindruck zu machen, den dein Verhalten auf Außenstehende macht.“
Angus schüttelte den Kopf. „Worauf willst du hinaus?“
„Nimm dir in einer ruhigen Minute Zeit, den Verlauf der letzten Tage zu rekapitulieren und schlüpfe dabei in meine Rolle. Stell dir vor, wie es sich für mich angefühlt hat, wenn du mich nicht selbst antworten lassen hast, wenn du mir nicht die Gelegenheit gegeben hast, für mich selbst Partei zu ergreifen. Und dieses Telefonat, das ich vorhin belauscht habe …“
„Alles nur, um dich glücklich zu machen.“
„Dafür bist du nicht verantwortlich“, stellte Patrick klar. „Ich halte es hier nicht länger aus. Ich reise ab. Noch heute.“
„So schnell bekommen wir keinen Flug zurück nach Garbh.“ Angus schien in Gedanken die nächsten Schritte durchzugehen. Offensichtlich hatte er Patrick missverstanden. „Es gibt einige Dinge, die ich zuerst noch erledigen muss. Lass mich unsere Heimkehr in Ruhe vorbereiten. Vielleicht verschieben wir den Aufbruch auf übermorgen. Obwohl das verdammt knapp wird.“
„Du hast alle Zeit der Welt. Ich mache mich allein auf den Weg.“ Patrick drehte sich um und ging zur Tür. „Wir sehen uns dann, wenn deine Aufgaben hier erledigt sind. Das gibt mir die Gelegenheit, mir über ein paar Dinge klar zu werden. Hoffentlich nutzt du die Pause, um dein Verhalten zu überdenken. Es würde uns beiden guttun.“
„Beziehungspause? Bitte Patrick, das kannst du nicht ernst meinen. Es tut mir leid, dass ich dich übervorteilt habe. Ich schwöre, ich werde mich bessern.“
„Wir werden sehen, wenn wir uns in ein paar Wochen treffen.“ Es fiel Patrick nicht leicht, Angus zurückzulassen. Diesen Streit hatte er nicht gewollt. Doch wenn er in dieser Beziehung nicht ersticken wollte, musste er jetzt ein paar Dinge deutlich machen.
„Aber … Wie soll ich …“ Angus’ Stimme wurde in Patricks Rücken immer leiser.
Patricks Kehle war wie zugeschnürt. Hatte er gerade noch danach gehungert, dass sein Verlangen nach Selbstbestimmtheit akzeptiert wurde, so war ihm jetzt speiübel. Ihre Beziehung hatte auf dem Prüfstand gestanden. Sonderlich gute Noten konnte er ihnen beiden nicht ausstellen.