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II. Inhalt des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts

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Das verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen erstreckt sich gem. Art. 137 Abs. 3 WRV auf das selbständige „Ordnen“ und „Verwalten“ der „eigenen Angelegenheiten“.

1.„Ordnen und Verwalten“

Mit der Gewährleistung einer selbständigen Ordnung ist dem Staat die Einflussnahme auf die kirchliche Rechtsetzung versagt und das Inkrafttreten kirchlicher Bestimmungen ist von keiner staatlichen Genehmigung abhängig, sofern durch sie lediglich eigene Angelegenheiten der Religionsgesellschaft geregelt werden sollen.28

Dieses Recht zur selbständigen Verwaltung ist weit auszulegen und umfasst die freie Betätigung der Organe der Religionsgemeinschaften zur Verwirklichung der jeweiligen Aufgaben einschließlich des Verfahrensrechts und der Berechtigung zur eigenen Rechtsprechung. Mit einbezogen ist dabei insbesondere auch die freie Ämterbesetzung, die in Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV explizit erwähnt wird.29

2.„Eigene Angelegenheiten“

a.Allgemeines

Der unbestimmte Rechtsbegriff der „eigenen Angelegenheiten“ in Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV war lange Zeit umstritten.

Zu Zeiten der Weimarer Republik wurde die Ansicht vertreten, dass der Staat durch die Reichsverfassung selbst normiere, was eigene Angelegenheiten der Kirche seien bzw. die staatlichen Gerichte durch Auslegung der Reichsverfassung eine verbindliche Feststellung treffen könnten. Allerdings widerspricht diese Ansicht der in Art. 137 WRV garantierten Eigenständigkeit der Kirchen und Religionsgemeinschaften und ist deshalb abzulehnen. Die Neutralität des Staates gegenüber Kirchen und Religionsgemeinschaften wäre durch eine solche staatliche Normierung gerade nicht mehr gegeben, so dass das Grundgesetz in sich widersprüchlich ausgelegt würde.30

Nach anderer Lehrmeinung, der auch die frühere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gefolgt ist31, wurde vertreten, dass die Reichweite des Selbstbestimmungsrechts gerade nicht durch die Verfassung selbst normiert, sondern vorausgesetzt und in diesem vorausgesetzten Umfang gewährleistet werde. Eine Abgrenzung müsse nach objektiven Gesichtspunkten erfolgen. Als „eigene Angelegenheiten“ seien deshalb solche Angelegenheiten zu qualifizieren, die materiell, der Natur der Sache oder der Zweckbestimmung nach „eigene“ sind.32 Auch diese Auslegung des Begriffs der „eigenen Angelegenheiten“ erschien jedoch sehr weit gesteckt und bedurfte der weiteren Konkretisierung, nämlich wie die Natur der Sache oder Zweckbestimmung festzulegen sei.

Mittlerweile vertritt das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass maßgebend für die Qualifizierung einer Angelegenheit als „eigene“ im Sinne des Art. 137 Abs. 3 WRV Auftrag und Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften sind.33 Es obliegt also den Religionsgemeinschaften darzulegen, dass eine Angelegenheit durch den kirchlichen Auftrag umschrieben ist und auf der Grundlage des kirchlichen Selbstverständnisses rechtlich gestaltet werden sollte. Die Angelegenheiten müssen einen Bezug zum Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG aufweisen, da nur solche Angelegenheiten als eigene verstanden werden können, die in Verbindung zum religiösen Bekenntnis stehen und dazu dienen, die religiöse Überzeugung zu äußern. Grundsätzlich dulden staatliche Instanzen keinen Staat im Staate, denn in allen Bereichen der Gesellschaft gilt primär die staatliche Ordnung. Nur wenn Angelegenheiten betroffen sind, die als nichtstaatliche, religiöse Angelegenheiten zu qualifizieren sind und also ein Bezug zum Schutzbereich des Art. 4 GG gegeben ist, ist die Zuordnung zu den Angelegenheiten der Religionsgemeinschaften auch plausibel.34 Nur durch diesen, den kirchlichen Auftrag betonenden Ansatz wird die in Art. 4 und Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 WRV konstituierte religiös-weltanschauliche Neutralität des Staates gewahrt.35 Insgesamt werden daher als eigene Angelegenheiten Lehre und Kultus, Kirchenverfassung und Organisation, Ausbildung der Geistlichen, Rechte und Pflichten der Mitglieder, Kirchenmitgliedschaft, Vermögensverwaltung, und karitative Tätigkeit verstanden.36

b.Kirchliches Dienst- und Arbeitsrecht als „eigene Angelegenheit

Das kirchliche Dienst- und Arbeitsverhältnis gehört ebenfalls zu den eigenen Angelegenheiten der Religionsgemeinschaften, denn theologische Grundlage des kirchlichen Dienstes ist der Sendungsauftrag der Kirche. Es ist kirchliche Aufgabe, dafür Sorge zu tragen, dass zwischen kirchlicher Ordnung und dem Tun der kirchlich Bediensteten kein Zwiespalt besteht. Die Ausgestaltung der Dienst- und Arbeitsverhältnisse in einer Form, in der sie mit dem kirchlichen Auftrag und den kirchlichen Besonderheiten in Einklang stehen, weist einen Bezug zum Schutzbereich des Art. 4 GG auf und ist eine eigene Angelegenheit der Kirche i.S.v. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 WRV.37 Die Kirchen können gem. Art. 137 Abs. 3 WRV ihr Ämterwesen eigenständig regeln und zudem aufgrund des verfassungsrechtlich garantierten Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts, der in Absatz 5 des Artikels geregelt ist, Dienstverhältnisse öffentlichrechtlich begründen.38 Allerdings steht es ihnen auch frei, sich der jedermann offenstehenden Privatautonomie zu bedienen, um Dienstverhältnisse einzugehen und zu regeln.39

Die Behandlung Schwerbehinderter im kirchlichen Arbeitsrecht der katholischen Kirche

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