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Kapitel 2

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Elinborg Steinhausen schloss die Tür des Bauernhauses auf. Sofort kam ihr Oskar entgegengelaufen, strich um ihre Beine und miaute.

„Hallo“, begrüßte sie den getigerten Kater.

Sie zog die hochhackigen Schuhe aus und ließ sie achtlos in der Diele liegen. Bernd regte sich jedes Mal darüber auf. Aber das war nur einer der vielen Streitpunkte, die sie die letzten vier Jahre begleiteten. Irgendwann war plötzlich ihre Liebe abhandengekommen, wie anderen Leuten ein Hut oder Regenschirm. Aber weder sie noch Bernd hatten daraus Konsequenzen gezogen. Also blieben sie verheiratet, arrangierten sich mit ihrem Alltag. Sie waren ohnehin beide beruflich viel unterwegs und sahen sich unter der Woche kaum.

Bernd war nicht zuhause, wie sie in der Garage beim Einparken bemerkt hatte. Der schwarze A8 fehlte. Sicherlich war er wie jeden Freitagabend im Golfclub.

Sie zog den Trolley hinter sich ins Schlafzimmer und stellte ihn dort ab. Oskar lief ihr hinterher. Wie immer, wenn sie von einer mehrtägigen Lesereise zurückkam und ihr Mann nicht zuhause war, drehte sie eine Runde durch das Haus. Das Bauernhaus lag etwas abseits eines Dorfes oberhalb des Rursees in der Eifel. Um das Grundstück verlief eine hohe Hecke, daher würde ein Einbruch nicht sofort bemerkt werden. Nur wenn Bernd und sie länger verreist waren, schaute eine Nachbarin nach dem Haus und kümmerte sich auch um den Kater. Elinborg knipste in der Küche das Licht an, ging weiter in den großzügigen Wohn- und Essbereich. Die Einrichtung war ganz im Landhausstil, wie sie es so gerne mochte. Eine gläserne Terrassentür führte hinaus in den großen Garten. Das Arbeitszimmer ihres Mannes betrat sie nicht, denn das war sein Reich. Als letztes ging sie in ihr Arbeitszimmer. Die Regale waren vollgestopft mit Büchern und Ordnern. Selbst auf dem Fußboden stapelten sich Bücher. Auf dem hellen Eckschreibtisch stand ihr Computer. Dort schrieb sie ihre Kriminalromane. Der Anrufbeantworter blinkte, sie hörte die Nachrichten ab.

„Sie haben drei neue Nachrichten. Erste neue Nachricht ...“, sagte die Computerstimme.

„Grüß Gott Frau Steinhausen, hier spricht Kurt Weinert“, hörte sie ihren Verleger mit bayrischem Akzent sprechen. „Ich darf Ihnen mitteilen, dass wir nun die dritte Auflage von Band vier ihrer Krimireihe drucken lassen. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag. Auf Wiederschauen.“

Die zweite Nachricht stammte von Frau Maridakis: „Hallo Frau Steinhausen. Ich muss mich krankmelden. Ich werde nächste Woche wieder zum Putzen kommen. Wiedersehen.“

„Peter Lohauser von `Der schöne Garten´. Guten Tag. Der Abgabetermin für ihren Artikel war gestern. Bitte rufen Sie mich zurück. Auf Wiederhören.“

Elinborg schlug sich mit der Hand auf die Stirn: „So ein Mist, das habe ich total vergessen.“

Nach dem Abitur hatte sie Journalismus studiert und eine erste Anstellung bei dem monatlichen Magazin „Der schöne Garten“ erhalten. Mittlerweile schrieb sie dafür nur noch unregelmäßig Artikel. Vielleicht sollte sie damit ganz aufhören, überlegte sie. Das Honorar war lächerlich gering und sie hatte auch keine Lust mehr über Gartenthemen zu schreiben.

Am nächsten Morgen beim Frühstückstisch fragte Elin ihren Mann: „Wie war es gestern im Golfclub? Es ist wohl spät geworden, oder?“

„Ich glaube, es war nach Mitternacht als ich nach Hause kam. Neben dir muss wohl erst eine Bombe einschlagen, damit du aufwachst“, erwiderte Bernd hinter der Tageszeitung.

„Kannst du die Zeitung nicht zur Seite legen, wenn du mir antwortest?“

Bernd blickte kurz hinter der Zeitung hervor und sagte: „Im Golfclub war es ganz nett. Zufrieden?“ Dann las er die Zeitung weiter.

Er war zehn Jahr älter als sie. Sein Haar war grau meliert und er trug schon seit seiner Kindheit eine Brille. Nächstes Jahr würden sie seinen 50. Geburtstag sicher im Golfclub feiern.

„Als Staatsdiener muss ich eben immer informiert sein und meine Zeit zum Lesen ist begrenzt“, stellte er klar. Elinborg stöhnte, denn er musste immer das letzte Wort haben. Bernd war Staatsanwalt für Wirtschaftskriminalität. Im Lauf der Jahre hatte er sich zu einem ehrgeizigen Vertreter der Anklage entwickelt. Das Gesetz war seine Religion und das Gesetzesbuch seine Bibel. Seine Plädoyers waren ausgefeilte Statements für Recht und Ordnung.

„Willst du noch eine Tasse Kaffee? Sonst räume ich den Tisch ab.“

„Nein danke.“

Als Elin den Tisch abgeräumt hatte, sagte sie zu Bernd, der immer noch die Zeitung las: „Ich bin in meinem Zimmer. Mittagessen gibt es um 12:30 Uhr.“

„Okay“, antwortete er beiläufig.

In ihrem Arbeitszimmer checkte die Autorin ihre E-Mails.

Eine Nachricht von der Presseabteilung ihres Verlages:

„Liebe Frau Steinhausen,

nach der erfolgreichen Vorstellung Ihres Krimis letzte Woche auf der Leipziger Buchmesse kann ich Ihnen jetzt schon einen Pressespiegel zu Ihrem Krimi „Endstation Alexanderplatz“ zu schicken. Mit freundlichem Gruß aus München Sabine Nickl“

Eine lange E-Mail von ihrer Schwester Thorunn, die sie später in Ruhe lesen würde. Außerdem eine Nachricht von ihrer Freundin Margriet: „Liebe Elin, danke der Nachfrage. Das Gespräch mit meinem Hausarzt war unangenehm. Er meinte, ich würde mir seine Zuneigung nur einbilden. Er bat mich sogar nicht mehr in seine Praxis zu kommen …“

Eine weitere E-Mail aus der Marketingabteilung des Verlages:

„Sehr geehrte Frau Steinhausen, im Anhang finden Sie Ihren Lesereiseplan für die nächsten beiden Monate. Bei Fragen stehe ich Ihnen selbstverständlich zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen Valerie Volzner.“

Die Lesereisen machten Elinborg viel Spaß und brachten Abwechslung in ihren Alltag. Eine Anekdote besagte, als Hugo von Hofmannsthal einmal pleite war, sei er auf eine ausgedehnte Tournee gegangen. Damals entwickelte sich auch das Programm, nach dem Autorenabende bis heute ablaufen: Einführung, Lesung, Gespräch und „geselliges Beisammensein“.

Nachdem Elinborg ihre Mails bearbeitete hatte, loggte sie sich auf ihrer eigenen Website ein. Hier fügte sie die Lesereisedaten für Juni ein. Eigentlich wollte sie diese Tätigkeit schon längst bei einer Agentur in Auftrag geben, aber bis jetzt hatte sie nicht einmal die Zeit gefunden nach Agenturen zu suchen.

Es klopfte an ihrer Tür und Bernd streckte sein Kopf ins Zimmer.

„Ich werde jetzt zum Golfen fahren.“

Sie drehte sich auf ihrem Schreibtischstuhl um und sah ihn überrascht an:

„Willst du nicht mit mir Mittag essen?“

„Nein. Ich esse im Clubhaus.“

„Aha.“

„Kommst du heute Abend?“

„Wohin?“

„Ins Clubhaus. Dietmar feiert doch seinen 50. Geburtstag.“

Elinborg schüttelte den Kopf.

„Nein. Das wird mir zu spät. Ich bin morgen zu einer Matinée eingeladen, da muss ich ausgeschlafen sein.“

Bernd machte ein enttäuschtes Gesicht. „Wie du meinst“, sagte er und schloss die Tür.

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