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Kapitel Fünf

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Manchmal gehe ich mit dem Gefühl durch den Tag, ich sei eine dieser Figuren aus meinen Filmen. Ich schaue mit ihren Augen in die Welt. Nicht mit jenen von Alice, sondern beispielsweise mit jenen von Feride, dem wunderschönen Schulmädchen mit dem großen, verletzten Herzen, das die Eltern früh verlor und daher bei Tante und Onkel aufwuchs. Sie ist heimlich verliebt in ihren Cousin Kamran.

Mit diesem Schatz im Herzen gehe dann auch ich durch den Tag und das können mir alle ansehen, denen ich begegne, an einem solchen Tag. Da bin ich mir sicher. Und was kann mir schon geschehen, wenn ich Kamran in meinem Leben habe und so wunderschön bin wie Feride? Das fühle ich dann auch genauso. Ich bin dann nicht mehr so allein. An solchen Tagen bin ich viel stärker, selbstbewusster. Es gibt dann jemanden, für den es sich zu leben lohnt.

Beinahe im nächsten Augenblick denke ich, dass doch auch alle diese alten Menschen, für die ich da bin, ein guter Grund sind, dass ich lebe. Und dann wird es wieder ruhig in mir und ich bin wieder Alice.

Alice, die Krankenschwester. Und neben ihrer Arbeitsstätte blühen Apfelbäume. Das klingt doch gar nicht so schlecht.

Genau so ein Tag ist heute.

In diesem Moment stellt ein Schornsteinfeger sein Fahrrad vor einem Haus ab, direkt vor meiner Nase.

Ich gehe auf ihn zu, sage höflich „Guten Tag“, und frage „darf ich?“

Er dreht sich lächelnd zu mir um und sagt „Na klar!“

Und da lege ich ihm die Hand auf die Schulter und er sagt „Viel Glück!“

Mein Herz macht einen ausgelassenen Sprung.

Ich gehe weiter und bin mir gar nicht sicher, ob es genügt hat den Schornsteinfeger an der Schulter anzufassen. Oder ob ich an seinen Goldknöpfen hätte drehen müssen. Jedenfalls gehe ich mit einem regelrechten Hochgefühl weiter die Straße entlang.

Und dann radelt doch tatsächlich noch ein zweiter Schornsteinfeger an mir vorüber.

„Guten Tag“ rufe ich und winke ihm strahlend zu. Allein sein Anblick macht mich jetzt noch ein wenig glücklicher. Falls das überhaupt geht.

Er antwortet „Guten Tag“ und winkt lächelnd zurück.

Was das wohl mit den Schornsteinfegern macht, dass sie für das Glück der Menschen verantwortlich sind? Vielleicht sind sie ja dadurch selbst ganz besonders glückliche Menschen.

Aber vielleicht ist es ja auch nichts weiter als ein alter Aberglaube.

Und dann frage ich mich zum ungezählten Mal – wo es denn eigentlich ist – dieses Glück?

Wo ist denn eigentlich dieses Glück?

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