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Drittes Kapitel

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Mein Arbeitsleben ist dagegen viel banaler.

Da beschäftige ich mich jetzt gerade beispielsweise damit, dass der Koch, der in unserer Sendung kocht und dessen Rezepte ich internettauglich mache, einen Tag nachdem wir die Seite gebaut haben, doch tatsächlich auf die Idee gekommen ist, sein Rezept am Vorabend einmal selbst nach zu kochen und daraufhin alles noch einmal total verändert hat. Er hat nämlich festgestellt, dass er zu viele Eier, zu wenig Mehl und zu wenig Knoblauch hineingetan hat. Ich muss das jetzt in unserem CMS also im Content Management System ändern.

Das ist natürlich nicht weiter dramatisch, aber schon irgendwie lästig. Ich möchte eine Baustelle, die bereits abgeschlossen war, ungern nochmals aufsuchen.

Ich tue es aber natürlich ohne zu Murren, denn das ist schließlich mein Job.

„Was bist du für ein Sternzeichen?“, fragt der Kollege, der derzeit Bademeister im Online-Pool ist, also in meinem Nischen-Bereich der Redaktion, in meine Bemühungen hinein.

Er sitzt wie immer im konservativen Herrenanzug und nicht im weißen Bademeisterdress mir gegenüber.

Wir haben leider eine sehr hohe Fluktuation hinsichtlich des uns dirigierenden Redakteurs.

Diesen hier hat mein Sternzeichen bisher nicht interessiert. Warum also jetzt?

Und da dieser Kollege eigentlich überhaupt keine Rolle spielt, außer eine nervige, und darüber hinaus gänzlich austauschbare, sei er hier einfach Redakteur genannt.

Es ist ja allgemein bekannt, dass die allermeiste journalistische Arbeit beim Fernsehen ohnehin die Freien erledigen, nicht die Redakteure. Trotzdem sind die Redakteure häufiger krank als die Freien. Was nichts daran ändert, dass ihr Gehalt Monat für Monat auf ihrem Konto landet, ob sie nun in der Redaktion hocken oder zu Hause. Bei uns Freien sieht das etwas anders aus. Wenn wir nicht arbeiten, bekommen wir auch kein Geld.

Wir Freien machen aber ja eben nur unsere journalistische Arbeit. Und die Redakteure tragen unterdessen die ganze Verantwortung, müssen im Ernstfall ihren Kopf hinhalten und im allerschlimmsten Fall die Zeche zahlen.

Ansonsten machen sie Dienst nach Vorschrift. Einige noch ein bisschen weniger.

Aber natürlich gibt es auch bei den Redakteuren und Redakteurinnen Ausnahmen von dieser Regel. Dieser Redakteur ist allerdings keine. Er ist sogar ein ganz besonders gutes Beispiel für die Regel. Aber das ist er so engagiert und gleichzeitig so unauffällig, dass niemand mitzukriegen scheint, was genau er eigentlich die ganze Zeit tut.

„Warum?“, frage ich gegen, als er sich nach meinem Sternzeichen erkundigt.

Ich war gerade sehr vertieft in das Rezept für die etwas andere Spargelquiche, das ich für unsere Seite überarbeiten soll und verstehe nicht, warum er mich mit etwas noch Banalerem allen Ernstes davon abhalten will.

Tatsächlich schaut er mich recht ernst über den Halbmonden seiner Lesebrille an.

„Ich will dir dein Horoskop vorlesen.“

Will er? Aber warum? Und warum werde ich gar nicht gefragt, ob ich das überhaupt will? Ist das nicht etwas aufdringlich? Vielleicht sieht er es ja als Dienst an der Kollegin zugunsten der Arbeitsatmosphäre. Immerhin wird in Indien jede Hochzeit aufgrund eines präzise berechneten Datums geschlossen, das sich nach den Horoskopen der Brautleute richtet.

Auch ich lese selbstverständlich manchmal mein Horoskop. Aber nicht bei der Arbeit. Und ich glaube natürlich nie, was drin steht. Zumindest nicht, wenn es etwas Negatives ist. Nur die positiven Sachen. Manchmal lese ich ein altes Horoskop. Also eins, das sich auf die vergangene Woche oder den vergangenen Monat bezieht. Dann staune ich manchmal, wie zutreffend es im Nachhinein dann doch ist. Aber es nützt natürlich rückwärts gerichtet auch nicht wirklich etwas. Ich kann mein Verhalten nicht mehr zurücknehmen und an die Vergangenheit anpassen.

Von alldem abgesehen, will ich jetzt wirklich nicht von meinem Redakteur so etwas Intimes wie mein Horoskop vorgelesen bekommen. Auf gar keinen Fall.

Nachher steht da irgendetwas, wie – Sie sind heimlich verliebt in einen Kollegen. Und am Ende will er dann auch noch meinen Aszendenten wissen! So weit kommt’s noch.

„Also, was bist du?“, hakt er nach. Wie kann man bloß so hartnäckig sein?

„Wassermann“, sage ich widerwillig. Ich kann schon auch sperrig sein. Aber dieses Mal gebe ich mit einem inneren Seufzen nach. Sich Sträuben kostet ja schon auch unnötig Energie und kann im Zweifel sogar noch anstrengender sein als Nachgeben.

Mein (Ja, mein, so possessiv geht es bei den Medien zu) Redakteur liest mir dann also mein Horoskop vor und da steht dann etwas drin von reichlich Energie und guten Ideen, die mir im Job viel Anerkennung bringen werden. Ein richtig guter Tag scheint das also zu sein. Ohne dass ich davon bisher allzu viel mitbekommen habe.

Liebe und Partnerschaft erspart er mir glücklicherweise. Nur sein eigenes Job-Horoskop muss er unbedingt noch mit mir teilen. Es spricht von großer Klarheit, die ihn weit bringen wird.

Beides fände ich durchaus wünschenswert. Klarheit würde ihm wirklich gut tun, um seinen Job anständig zu machen und das soll ihn dann gerne auch weit bringen. Vor allem möglichst weit weg von hier und damit von mir.

Ich frage ihn, woher das Horoskop stammt.

„Aus der Bild“, sagt er und ich verspüre leichten Brechreiz.

Von der Bild lasse ich mir ganz sicher nichts sagen. Nicht einmal mein Horoskop. Wenn ich mir schon ein Horoskop reinziehen muss, dann höchstens das Jahreshoroskop der Vogue. Aber das muss der Kollege nicht wissen.

Ich bedanke mich artig und versuche weiter meiner Arbeit nachzugehen. Immer wieder unterbrochen von seinen Geistesblitzen und seinem verbalen Senf.

Manchmal weiß ich gar nicht, ob ich überhaupt so etwas bin, wie eine Teamplayerin. Am liebsten möchte ich einfach in Ruhe meinen Job machen. Damit habe ich in unserer winzigen Räumlichkeit ohnehin alle Hände voll zu tun. Abschirmen lautet die Devise. Gegen die sehr lebendige Geräuschkulisse, die entsteht, wenn Menschen seufzen, stöhnen, lachen, ächzen, niesen oder Gedanken absondern. Weil mir das so schwer fällt, denke ich oft, ich wäre besser zu Hause aufgehoben, im stillen Kämmerlein im so genannten neudeutschen Home Office.

Redakteure dürfen das schließlich auch und das kann ja nicht allein damit zu erklären sein, dass sie die ganze Verantwortung tragen.

Ich muss unterdessen eingeklemmt zwischen dem filterlosen Laserdrucker und mindestens vier Kollegen hinter großen Schreibtischen und mindestens zwei Monitoren pro Kopf, mein Arbeitsdasein fristen.

Daher jetzt also das Programmieren.

Vielleicht bringt mich Python ja weiter. Vielleicht komme ich damit irgendwann ganz groß raus und kann eines Tages eine App erfinden, mit der sich empfindsame Menschen eine Art virtuelle Schutzschicht zulegen können. So etwas wie ein Airbag, den zwar niemand sieht der aber andere Menschen den Mindestabstand einhalten lässt, räumlich wie psychologisch.

So ein bisschen wie der Umhang von Harry Potter, der ihn unsichtbar macht.

Wie das funktionieren soll, weiß ich noch nicht so genau. Aber ich bin ja auch noch Anfängerin. Das wird sich schon finden, sobald ich etwas routinierter bin mit Python.

Mir wird schon irgendetwas einfallen, womit sich ein sinnvolles Leben finanzieren und die Welt verbessern lassen.

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