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Sechstes Kapitel
ОглавлениеUnd Gottseidank gibt es Sam.
Sam ist so was wie ein philosophischer Buddhist oder ein buddhistischer Philosoph und er hat diesen coolen Kaffeewagen direkt am Dom. Den nennt er das kleine Café Glück. Und tatsächlich macht er seine Kunden durch die Bank glücklich. Glaube ich zumindest. Denn er strahlt so viel Lebensfreude und Gelassenheit aus, dass dieser Gemütszustand unmittelbar auf alle Café-Glück-Besucher abfärbt, wie eine frisch gestrichene Bank.
Ich gehe immer noch ein bisschen beschwingter zur Arbeit, wenn ich vorher bei Sam vorbeigeschaut habe.
Sein Sojacappuccino hat auf mich die gleiche Wirkung, wie der Milchreis mit Zimt und Zucker, den meine Mutter früher oft mittags zum Nachtisch gemacht hat. Oder der Grießbrei, den meine Oma immer gekocht hat und in den sie jede Menge Amarettini hineinbröselte.
Danach konnte mir einfach nichts geschehen.
Mit Milchreis oder Amarettini-Grießbrei im Bauch war ich immun gegen Hausaufgabenfrust, Liebeskummer und Provokationen aller Art.
Mein heutiges Ich, bewaffnet mit dem Sojacappuccino, sieht nur noch das Schöne: den Dom, den Himmel, den Rhein und die netten Kollegen.
Alles andere, wie beispielsweise die Touristen-Massen, die sich über die Domplatte ergießen, mit ihren Selfie Sticks und um die man nur im Slalom herumkommt, wenn man ihre Fotos nicht versauen will, blende ich dann erfolgreich aus.
Sam ist nicht nur Barista und Philosophie-Buddhist, er kann auch die Zukunft aus der Crema lesen, also aus dem goldbraunen hauchzarten Kaffeeschaum. Vielleicht sogar gerade weil er Buddhisten-Philosoph ist.
Mir hat er heute ein Herz in die Sojaschaumhaube meines Cappuccinos gezaubert und mir ein langes, gesundes und sehr, sehr glückliches Leben vorausgesagt. Das finde ich sehr nett von ihm. Das ist genau das, was ich mir wünsche. Da unterscheide ich mich wahrscheinlich nicht von allen anderen Menschen.
Mein Mann, der an allem zwischen Himmel und Erde, dass sich weder bauen, noch anfassen lässt, naturwissenschaftlich zweifelt, sagt, als ich ihm abends davon berichte:
„Genau deswegen erzählt er dir so etwas ja auch. Weil er weiß, dass du es hören willst. Weil er weiß, dass du, wie jeder andere Mensch auch, dir so etwas wünschst.
Wenn ich dir aus der Hand lesen täte, aus dem Tee- oder Kaffeesatz, würde ich dir genau dasselbe sagen.“
Damit ist mein Mann bei mir natürlich an der völlig falschen Adresse. Ich reagiere auf seinen Pragmatismus allergisch. Wie auch sonst?
Aber ob ich jetzt glaube, dass Sam Hellseher ist oder nicht, es tut mir gut, was er da sagt. Und dadurch steigt sofort auch die Wahrscheinlichkeit, dass ich kriege, was er mir prophezeit hat: ein langes, gesundes und sehr, sehr glückliches Leben nämlich.