Читать книгу Kuss der Wölfin - Die Begegnung (Band 3) - Katja Piel - Страница 4
Kapitel 1
Оглавление«Und was jetzt? Kannst du reden in dieser Gestalt?»
Aus der Scheune drangen dumpfe Basstöne nach draußen und verloren sich im anliegenden Wald. Marcus‘ Blick huschte über den Platz, auf dem mehrere Schrottkarren parkten. Die Reklamelichter des Clubs spiegelten sich in den tiefen Pfützen, verzerrt vom leichten Regen. Marcus knallte die Autotür zu, schlug seinen weißen Hemdkragen nach oben und rückte sich die Kappe zurecht. Im weißen Manschettenhemd wirkte er vermutlich overdressed, aber die klobigen Wanderschuhe und die ausgewaschene Jeans dazu lockerten sein Outfit etwas auf. Mit gesenktem Kopf umrundete er die Pfützen und ging hinüber zum Eingang, der von zwei hochgewachsenen, dunkelhäutigen Kerlen bewacht wurde. Der Betonbau, der aufgrund seiner ländlichen Verortung nur „Die Scheune“ genannt wurde, hatte so gar nichts von einer Scheune. Es war ein grauer Kasten mit einer schweren Stahltür. Er konnte nicht erahnen, wie groß der Laden war, weil es zu dunkel war.
Einer der Türsteher musterte ihn von oben bis unten, ließ ihn dann mit einem Nicken den Club betreten.
Hier auf dem Land, fast 100 Kilometer nördlich von London, wurde dies als die Geheimadresse für ausgeflipptes Night-Life empfohlen. Marcus wollte aber keine Party feiern. Marcus suchte nach etwas ganz Bestimmtem …
Er stand im Eingangsbereich, ließ sich einen grünen, giftig aussehenden Drink von einer fast nackten, jungen Frau reichen. Außer schwarzen Pflastern, die als x über ihren Brustwarzen klebten, und einem Latexstring trug sie nichts als hochhackige Lederstiefel. Sie schmiegte sich eng an ihn. Ihr Atem roch nach Kaugummi und Alkohol. Marcus verzog das Gesicht, wandte sich von ihr ab, stellte den Drink auf einen Tisch und folgte der lauten Musik. Er spürte den Rhythmus in seinen Eingeweiden. Den Bass.
Die Scheune wurde kaum ausgeleuchtet, überall standen kniehohe, weiße Kerzen, die schummriges Licht verströmten. Über ihm hingen große Kerzenleuchter, die der Umgebung einen Hauch von „from dusk till dawn“ verliehen. Er ging durch den flackernden Schein hindurch zur Bar, bestellte sich einen Martini, lehnte sich mit dem Rücken an und ließ seinen Blick über die Tanzfläche schweifen. Ein DJ heizte mit Techno Beats ein, die Menge tobte ausgelassen.
„Dein Martini“, brüllte hinter ihm der Barmann gegen die laute Musik an. „Macht 5 Pfund.“ Marcus wandte sich zu ihm, nahm seinen Drink und warf ihm das Geld achtlos auf den Tresen. Mit dem Drink in der Hand drehte er sich zurück zu den tanzenden Menschen. Sein Blick wanderte über die Menge, versuchte unter den schwitzenden Körpern etwas Interessantes zu entdecken.
Aber die Frauen waren zu vollgedröhnt, zu sexy und damit auch zu selbstbewusst. Nein.
Das war es nicht, was er suchte. Keine der Frauen weckten sein Interesse, zogen ihn magisch an. Innerlich fluchend trank er den Martini leer, stellte ihn ab, straffte seine Schultern und wandte sich zum Gehen. Heute Abend war offensichtlich nichts für ihn dabei.
„Du siehst aus, als wärst du versetzt worden“, schnurrte eine samtige Stimme in sein Ohr. Weich, warm hauchte der Atem einer fremden Frau über seinen Nacken. Marcus drehte den Kopf und blickte in kugelrunde, blassblaue Augen hinter dicken Brillengläsern. Die kinnlangen roten Locken standen in alle Richtungen ab und ein paar Sommersprossen auf der Nase zierten die blasse Haut. Mit der Schminke hatte die junge Frau definitiv übertrieben. Ein knallroter Mund lächelte ihn an, zeigten perlweiße Zähne. Marcus Blick wanderte nach unten in ihren tiefen Ausschnitt, aus dem mächtige Brüste hervorquollen. Sie trug ein hautenges Muskelshirt, das ihre fleischigen Arme betonte und sich über ihren Bauch wölbte. Eine Speckrolle blitzte hervor. Die pummeligen Beine steckten in engen Leggins, ihre Füße in hohen Pumps. Aufgrund der samtigen Stimme hatte er etwas anderes erwartet, aber das war genau der Typ Frau, den er suchte. Marcus lächelte sein unwiderstehlichstes Lächeln.
„Das war, bevor du aufgetaucht bist. Ich glaube, ich habe meine heutige Verabredung gefunden“, säuselte er und kam ihrem Gesicht näher, sog ihren Duft in sich auf. Ja, das war die Richtige, denn sie war kurz vor ihrer Menstruation, verströmte den typischen Duft nach reifen Pfirsichen.
Ihm lief das Wasser im Mund zusammen. Sie kicherte. Süß. „Mandy.“
Sie reichte ihm ihre Hand. Marcus ergriff sie, führte sie sich an die Lippen und hauchte einen Kuss darüber.
„Marcus“, murmelte er. Sie starrte ihn ehrfürchtig an. Er wusste, sie roch ihn, und obgleich sie sich dessen nicht bewusst war, war ihr Schicksal in diesem Augenblick besiegelt.
~~~
Oh mein Gott! Was war das für ein Prachtexemplar. Mandy fühlte sich schwerelos. Sie war beschwipst und mutig gemacht durch ein paar Pillen, als ihre Freundin Tessa ihr diesen Mann zeigte.
„Er hat ein bisschen was von Edward Cullen“, hatte Tessa ihr zugerufen, während sie ihre ausladenden Hüften im Takt der Musik bewegte. In der Hand hielt sie ein Glas Wodka Red Bull, aus dem ein dicker Strohhalm hervorlugte. Mandy kicherte. Seit den Twilight-Filmen waren die beiden jungen Frauen Fans der Vampirfamilie Cullen.
„Stimmt“, entgegnete sie ihrer Freundin etwas zu spät, so dass Tessa sie fragend ansah und loslachte, weil sie die Edward-Bemerkung zu spät registriert hatte. Sie verstummte erst, als Mandy sich umdrehte und zu ihm ging. Ihr Herz klopfte laut und sie kaute auf der Innenseite ihrer Wange herum, so lange, bis der süße Schmerz zu stark wurde. Schließlich blieb sie direkt neben dem hübschen Typen stehen und versuchte, ihre Stimme sexy klingen zu lassen. Hitze kroch ihr den Rücken hinauf, über die Schulterblätter und erreichte ihren Kopf.
Das waren die Pillen, die nun ihre Kraft entfalteten. Der Alkohol verengte ihr Blickfeld, in dem nur noch er zu sehen war.
Sie starrte wie gebannt in seine klaren Augen, die von einem dichten Wimpernkranz umrahmt wurden. Als er ihr antwortete, spürte sie seine tiefe Stimme, verbunden mit dem Bass der Musik, direkt in ihrem Bauch. Ihr Herz schlug bis zum Hals und raubte ihr fast die Luft zum Atmen.
„Mandy“, hörte sie sich selbst hauchen und fand sich unheimlich sexy dabei.
„Marcus.“ Der Typ nahm ihre Hand, führte sie an die Lippen und hauchte einen Kuss darauf. Die Berührung schoss warm durch ihr Becken. Sie wurde feucht, presste die Beine zusammen und spürte verräterischeres Pochen zwischen ihren Schenkeln. Mandy drehte den Kopf zu Tessa, entdeckte ihr Gesicht in der Menge und formte lautlos mit dem Mund: Oh.Mein.Gott. Für einen Augenblick war es ihr, als würden nur noch er und sie hier stehen. Sie hätte alles für ihn getan in diesem Moment. Niemals zuvor war sie so erregt gewesen, hatte auf diese Art ihre eigene Weiblichkeit gespürt. Die Lebendigkeit floss durch ihre Adern. Mandys Mund wurde trocken, als er sich ein Stück vorbeugte. Ihre Nasenspitzen berührten sich sachte. Er legte seinen Arm um ihre Hüfte und zog sie näher. Als würden sie einen engen und sexy Salsa tanzen, bewegte er sich und die Berührung seines Körpers machte sie noch heißer, als sie ohnehin schon auf ihn war.
„Was hältst du davon, wenn wir hier verschwinden?“, hauchte Marcus. Ihr wurde schwindelig. Sollte dies ihr erster One-Night-Stand werden? Sah so aus.
Mandy saugte an ihrem Strohhalm, stellte das Glas auf den Tresen und lächelte.
„Tolle Idee!“ An Tessa gerichtet, formte sie aus ihren Fingern das Zeichen für „wir telefonieren“, ergriff seine Hand und ging ihm nach.
Im Dunkeln auf dem Parkplatz übersah sie ein Schlagloch und stolperte auf ihren High Heels, doch der schöne Fremde ließ ihre Hand nicht los und zog sie voran. Ihr war schlecht. Die frische Luft knallte in Verbindung mit dem Alkohol wie eine Abrissbirne gegen ihren Schädel. Ihr war schwindelig und die Beine fühlten sich an wie Gummi. Den tollen Edward-Typen konnte sie nur noch verzerrt erkennen. Warum rannte er denn so?
„Mhey …“, nuschelte sie, „warum rennsdn duso?“ Sie erschrak über ihre eigenen Worte, die aneinandergeklebt aus ihrem Mund kamen. Erneut stolperte sie, hörte ein Lachen aus weiter Ferne. Dann war sein Gesicht plötzlich ganz nah vor ihrem. Sie zuckte zurück. Wie ging das denn? Sie versuchte ihre Hand hochzuheben, wollte ihn berühren, doch sie hatte keine Kontrolle über ihre Bewegungen. Verwundert blinzelte sie zu ihm. Er hatte die Augenbrauen zusammengezogen. Machte er sich Sorgen? Ein warmes Gefühl durchströmte ihren Bauch. Wie schön, er machte sich Sorgen.
„Nun komm schon. Wir wollen doch Spaß haben“, hörte sie seine Stimme, die ungeduldig, aber warm klang. Mandy nickte.
„Mja, natürlich wollenwir Spaß ham.“ Sie leckte sich über die trockenen Lippen. Verflucht.
Was der Typ vorhin ihnen verkauft hatte, hätte ein Upper sein sollen, eine Aufputschpille. Sie fühlte sich aber keineswegs angeregt, eher schläfrig und benommen. Mandy biss sich auf die Oberlippe, bis der Schmerz sie zusammenzucken ließ. Doch das half auch nicht.
Sie hatte weiterhin das Gefühl, wie in Watte gebettet zu sein, stakste auf ihren hohen Absätzen hinter Edward Cullen her, knickte immer wieder um. In ihrem Kopf herrschte gähnende Leere.
„Komm schon“, hörte sie seine Stimme von weiter Ferne. Verwirrt sah sie auf, wankte hin und her und starrte auf seinen Rücken. Was mache ich hier? Irgendwas ist nicht Ordnung. Ich sollte umkehren. Chaos in ihrem Kopf, die Gedanken kreisten, ließen sich nicht festhalten. Bevor sie darüber nachdenken konnte, was falsch gelaufen war, zog der Edward-Typ sie an sich, umschlang ihre Hüften, näherte sich ihrem Mund.
„Wie war noch gleich dein Name?“, nuschelte sie auf seinen Mund. „Marcus“, antwortete er flüsternd, legte seine Hand auf ihren Nacken und hauchte ihr sanft einen Kuss auf die Lippen. So weich, so schön, so zart. Nein, Marcus konnte nicht gefährlich sein. Mandy öffnete ihren Mund und spürte seine Zunge zögerlich auf ihrer. In ihr vibrierte es, hinter ihren geschlossenen Lidern funkelte ein Feuerwerk, die Hitze stieg von ihrem Bauch in ihre Brust und sank zurück in ihr Zentrum.
„Mja, Marcus, richtig“, stöhnte sie. Sie war bereit, ihm hier und jetzt alles zu geben. Mitten auf dem Parkplatz.
„Lass uns gehen, meine Schöne. Ich bringe dich zu mir und werde dich … vernaschen.“
Marcus hauchte ihr noch einen Kuss auf den Mund. Ein Kuss, der auf ihren Lippen kribbelte. Meine Schöne. So hatte sie noch nie jemand genannt. Es fühlte sich gut an. Widerstandslos ließ sie sich von ihm auf den Beifahrersitz helfen und von ihm anschnallen. Die Tür knallte er nicht zu, sondern ließ sie geräuschlos ins Schloss fallen.
Er umrundete den Wagen, und beinahe kam es ihr vor, als hätte er die kleine Strecke binnen einer Sekunde zurückgelegt, denn plötzlich saß er neben ihr auf dem Fahrersitz. Er rangierte mit dem Wagen und fuhr los. Während der Fahrt sagte er kein Wort, berührte sie nicht, starrte durch die Windschutzscheibe. Er schaltete, wenn der Motor danach verlangte, und blieb schließlich auf einer konstanten Geschwindigkeit. Mandy vermutete, dass sie nun auf einer Autobahn fuhren, aber sie konnte sich immer noch nicht konzentrieren und schloss die brennenden Augen, in der Hoffnung, sie könnte bald wieder schärfer sehen. Nicht lang. Ich will doch alles mitkriegen. Was dieser wunderschöne Mann mit mir machen wird. Ich will das alles mitbekommen … mitbekommen …
Mandy öffnete die Augen, als kalte und feuchte Luft ihre Füße umwehte und jemand an ihrer Schulter rüttelte. Sie versuchte, den Kopf zu heben, aber alles um sie herum schwankte und sie hatte das Gefühl, als würde ihr Gehirn ihr von innen gegen den Schädel schlagen. Sie saß noch immer in seinem Auto, doch die Tür war sperrangelweit geöffnet.
„Schönheit. Aufwachen. Wir sind da“, hörte sie seine Stimme dicht an ihrem Ohr.
Gänsehaut breitete sich auf ihren Armen aus, doch sie war einfach nicht in der Lage, sich aufzusetzen.
„Tut mir leid. Ich kann nicht … vielleicht ein andermal.“ Wenigstens nuschelte sie nicht mehr, doch die Innenseiten ihrer Lippen klebten an ihren Zähnen fest. Durst. Sie brauchte Wasser.
„Kein Problem. Ich trage dich und du kannst dich ausruhen, okay?“ Mandy nickte zustimmend.
Jede Bewegung schmerzte. Ihr war nicht wohl bei dem Gedanken, ihm ausgeliefert zu sein, aber sie hatte auch nicht die Kraft, einfach abzuhauen.
„Marcus? Irgendwas ist nicht in Ordnung. Ich habe nur einen Upper genommen. Sonst nichts.“ Er reagierte nicht, hob sie ohne Probleme aus dem Wagen und trug sie hinein in die Dunkelheit. Regen fiel auf ihr Gesicht und ließ sie die Umgebung nur verschwommen wahrnehmen. Der Schmerz pochte in ihrem Kopf. Der Dreckskerl aus dem Club hatte ihr eine falsche Pille verkauft. So musste es sein, andernfalls konnte sie sich ihren Zustand nicht erklären. Aus den Augenwinkeln konnte sie verschwommen einen alten Bauwagen erkennen. Mandy wollte sich aufbäumen, doch ihre Glieder waren kraftlos und hingen schlaff hinab. Angst bahnte sich einen Weg durch ihren Körper. Ebenso verzweifelt wie vergeblich versuchte sie, sich aus seinen Armen zu winden. Wo trug er sie eigentlich hin? Sie wollte einfach nur etwas trinken und schlafen, in einem schönen, kuscheligen Bett. Auf Sex hatte sie weiß Gott keine Lust mehr. Es wurde langsam richtig kalt. Der Wind fegte heftige Regenschauer durch ihre dünne Kleidung bis direkt auf ihre Haut.
„Durst …“, flüsterte sie.
Die Zunge konnte sie kaum noch bewegen. Immer wieder versuchte Mandy Spucke zu sammeln, aber es reichte nicht aus, um ihren ausgedörrten Hals zu befeuchten.
„Wir sind gleich da, meine Schönheit.“ Warum redete er nur so geschwollen? Wer sagte heutzutage noch Schönheit? Mittlerweile fühlte sie sich nicht mehr geschmeichelt. Panik machte sich in ihr breit und der Gedanke daran, dass hier etwas nicht stimmte, verfestigte sich. Mandy ahnte, dass sie in Gefahr war.
Sie musste geschlafen haben, denn als sie die Augen öffnete, fühlte sie sich etwas erfrischter, und ihr steifer Nacken bereitete ihr Kopfschmerzen. Vermutlich hatte sie so schief gelegen, dass nun alles verspannt war. Mit wenigen Blicken erfasste sie den Raum, in dem keine Möbel standen. Wo bin ich? Ihr Po und ihre Beine waren eiskalt, die Finger konnte sie kaum bewegen und die dämmrige Dunkelheit umhüllte sie. Mandy fasste den Boden an. Feucht. Kalt. Modrig. Sie versuchte sich zu rühren, aber ihre Gliedmaßen waren eingeschlafen. Wie lange hatte sie hier gelegen?
Warum war sie nur so dumm gewesen? Ihr Problem war allerdings ein anderes. Sie hatte keine Ahnung, wie sie von hier wegkommen sollte, denn sie fühlte sich so steif an wie nie zuvor. Langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit.
Das Zuknallen einer Tür ließ sie zusammenfahren. Panik stieg in ihr auf, ließ sie atemlos machen. Die Schritte, die näher kamen, schürte ihre Beklemmung. Mandy versuchte, aufzustehen, aber sie plumpste immer wieder auf ihren Hosenboden. Und schließlich stand er direkt vor ihr.
Sie hatte ihn nicht reinkommen sehen. Während sie noch drüber nachgrübelte, wie er das gemacht hatte, sprach er zu ihr:
„Freust du dich denn, mich zu sehen? Hast schon sehnsüchtig gewartet, hm?“ Er kniete sich neben sie. Mandys Puls beschleunigte sich, sie atmete heftiger, als er näher kam und sie ansah. Seine Iris war komplett grün, und als er den Mund öffnete, strömte verfaulter Atem in ihr Gesicht. Er strich sich selbst mit der Zunge über die Lippen, so als ob er sie auffressen wollte.
Als er die Hand hob und eine ihrer Locken mit dem Zeigefinger einrollte, drehte sie den Kopf weg.
„Bitte, bitte, lass mich doch gehen. Ich werde auch niemanden etwas verraten.“ Mandy hörte ihre eigene piepsige Stimme und vor ihrem inneren Auge sah sie Bilder von verstümmelten Frauen. Er lachte sie aus und schnellte nach vorne, hockte sich über ihre Beine und stemmte seine Fäuste links und rechts von ihr gegen die Wand. Direkt vor ihrer Nase verharrte er. Mandy spürte, wie die Hitze sich unter ihren Achseln sammelte. Er sah sie an, schnupperte an ihr, schien wie weggetreten. Plötzlich erhob er sich, brüllte wie ein Tier. Sie konnte sein Gesicht kaum erkennen, seine grünen Augen leuchteten geradezu in der Dunkelheit. Zitternd drängte sie sich mit dem Rücken gegen die Wand. Tränen der Verzweiflung liefen ihr die Wangen hinab.
„Du willst dich vor mir verstecken? Du Närrin.“ Plötzlich schoss er wieder zu ihr nach unten, war ihr ganz nah, beugte den Kopf zu ihr hinab und öffnete seinen Mund. Mandy riss die Augen auf, als sie das Gebiss darin sah, strampelte mit den Beinen, während er lachte.
Seine Zähne zerfetzten ihre Leggins und sie spürte seinen heißen Atem und seine Zunge auf ihrer Haut. Schließlich versenkte er seine Zähne in ihrem Fleisch. Es fühlte sich an, als würde glühendes Eisen durch ihre Haut gejagt. Sie schrie. Während sie noch spürte, wie das Blut aus ihrem Bein lief, wurde alles um sie herum dunkel.
Mandy wachte auf, weil jemand neben ihr saß. Angestrengt versuchte sie sich zu erinnern, was passiert war, warum sie hier war und sie sich so wach fühlte, so stark, so elektrisiert.
Mit einem wilden Fauchen sprang sie auf die Füße, bewegte ihren Kopf schnell hin und her und nahm den Raum in sich auf. Marcus war mittlerweile aufgestanden. Keuchend schloss sie die Augen. Was war mit ihr los? Sie knurrte in seine Richtung, legte den Kopf schief, begutachtete ihn. Er starrte zurück und verzog seine Lippen zu einem teuflischen Grinsen.
„Willkommen zurück, Schönheit“, sagte er freundlich. Mandy machte einen Schritt auf ihn zu, umklammerte seinen Hals mit ihrer Hand.
„Wenn du mich noch einmal so nennst, schlag ich dir die Fresse zu Brei“, knurrte sie ihn zwischen zusammengebissenen Zähnen an. Marcus wand sich geschickt aus ihrem Griff, sprang quer durch den Raum und blieb an der gegenüberliegenden Wand stehen.
„Köstlich. Großartig.“ Sichtlich erfreut lachte er, was sie nur noch wütender machte. Mit einem einzigen Satz hechtete sie auf ihn zu, erhob in der Luft die Faust, die wenige Sekunden später in sein Gesicht krachte.
Er taumelte nicht mal zur Seite, sondern blieb einfach nur stehen, lachte weiter, während ihm sein Blut aus seiner Nase lief.
„Was für ein kranker Typ bist du eigentlich?“
„Ich bin nicht krank. Nicht mehr als du, nachdem du meinen Kuss empfangen hast.“ Er wischte sich über das Gesicht, leckte über seine Lippen. Wütend starrte sie ihn an.
„Du bist krank im Kopf. Was hast du mit mir gemacht?“ Ihr Herz schlug so heftig, dass sie ihren Puls laut in ihren Ohren trommeln hörte.
„Sieh dich an, Schönheit. Ich habe dir etwas sehr Wertvolles geschenkt.“ Plötzlich stand er direkt vor ihr. Der Geruch von Blut umwehte ihre Nase so stark, dass ihr schwindelig wurde.
Ihr Hals wurde rau, die Zunge klebte am Gaumen fest. Verwirrt schloss sie die Augen, keuchte angestrengt und versuchte, durch den Mund zu atmen, was ein Fehler war, denn nun schmeckte sie es. Sein Blut.
„Was … was hast du mit mir gemacht?“ Mandy betonte jedes Wort, spürte mit seiner Anwesenheit seine Anziehungskraft, der sie entfliehen wollte.
Marcus strich mit seinem Daumen über ihre Lippen, kam ihr noch näher, so dass sich fast ihre Nasenspitzen berührten. Sie brüllte auf angesichts seines Versuches, sie zu betören. Sie biss ihre Zähne zusammen, schubste ihn von sich weg, doch er bewegte sich keinen Millimeter. Stand vor ihr wie aus Stein. Mit glühenden Augen betrachtete er sie. Seine Lippe kräuselte sich zu einem Lächeln. Und da schnappte sie zu.
Blitzschnell ergriff sie sein Handgelenk und schlug ihre Zähne in das weiche Fleisch, durch die dünne Haut, bis die dicke Ader aufplatzte und sein Blut in ihren Mund schoss. In ihr wuchs zwar die Erkenntnis, dass sie von ihm trank, aber es fühlte sich richtig an, sie spürte, wie es sich in ihrem Körper ausbreitete und jede Zelle in ihr auffüllte. Marcus stöhnte und presste sich an sie. Seine Erregung rieb sich an ihr, törnte sie an, doch sie wusste, dass etwas nicht stimmte, dass dies alles nicht normal war und so ließ sie verwirrt von ihm ab. Mit dem Handrücken wischte sie sich über den Mund und starrte panisch auf das Blut.
„Oh mein Gott. Was hast du mit mir gemacht? Was geschieht hier?“ Schwindel erfasste sie und sie taumelte rückwärts von ihm weg. Doch ihr Problem war, dass ihr Körper eine andere Sprache sprach. Ihr Körper war Berührungsempfindlich, besonders zwischen ihren Schenkeln.
Sie atmete heftiger, bewegte ihre Hüften, spürte ihren eigenen Slip, wie er über ihre empfindlichsten Stellen rieb. Sie würde hier und direkt zum Höhepunkt kommen können, wollte aber nicht mit ihren Fingern nachhelfen. Hitzewellen überzogen ihre Haut, ihr Körper vibrierte vor Erregung. Sie hatte sich noch niemals in ihrem Leben so umwerfend gefühlt. Langsam schritt sie wieder zu ihm, griff unter ihr Top und erstarrte. Für einen Augenblick wusste sie nicht, ob sie träumte. Dann strich sie mit der Hand über ihren eigenen Körper - oder das, was plötzlich ihr Körper war: ein flacher, straffer Bauch, schmale, gerundete Hüften, ein Rippenbogen, wie aus Marmor gemeißelt. Sie sah nach unten. Ihre Beine waren schlank, die Leggins schlabberten an ihnen und hingen auf ihrer Hüfte. Tränen stiegen ihr in die Augen.
„Was ist das? Warum bin ich so …“, sie rang fassungslos nach Worten.
„So schön?“, beendete er den Satz. Marcus umgriff ihre Taille mit seinem Arm, zog sie zu sich und legte die andere Hand in ihren Nacken.
„Weil ich dich dazu gemacht habe“, flüsterte er und berührte ihren Mund mit seinen Lippen.
„Und weil sich die Wandlung jetzt vollzogen hat“, beendete er seine Erklärung, als er sich von ihr löste, sie dennoch eng umschlungen hielt.
„Was bedeutet das? Die Wandlung hat sich vollzogen?“, keuchte sie in seinen offenen Mund, knabberte an seiner Unterlippe, streichelte mit ihrer Zunge seine.
„Du bist nun eine von uns. Ein Werwolf. Doch du musst dich nähren.“ Marcus stöhnte, als sie seine harte Männlichkeit mit den Fingern berührte.
„Himmel“, zischte er.
Mandy löste sich von ihm, beugte sich vor und biss in seine Halsschlagader. Sein Körper bäumte sich auf, als ihre Zähne seine Haut durchbohrten und sein kostbarer Saft in ihren Mund sprudelte. Sie legte die Lippen um die Bissstelle und nahm einige feste Züge. Mit jedem Schluck spürte sie, wie ein Teil seiner Kraft in sie hineinfloss. Mandy stöhnte lustvoll und rieb sich immer heftiger an seinem Bein, das sie zwischen ihre genommen hatte. Sie entließ seinen Schenkel nur aus ihrer Umklammerung, um sich ihrer Leggins und des Slips zu entledigen, die beide bereitwillig über ihre neuen, schmalen Hüften zu Boden sanken.
„Oh Gott“, keuchte sie, „bitte zieh dich aus, ich … ich …“
„Du willst mich? In dir?“
Sein Blut quoll aus der Wunde, erst schnell, dann langsam, bis sie sich vor ihren Augen schloss. Beinahe kam sie bei dem Gedanken daran, ihn gleich in sich zu spüren, und als er sich ihr entzog, um seine Hose zu öffnen, knurrte sie ihn ungeduldig an. Tief atmete sie seinen würzigen Duft ein. Endlich war er aus seiner Hose gestiegen. Gierig betrachtete sie seine Pracht, die vor seinem Bauchnabel hoch und runter wippte. Sein Körper war muskulös und sehnig. Mandys Hand schoss vor und strich über die Muskelstränge seiner Brust hinab, umschloss mit ihren Fingern diese große erigierte Männlichkeit, die bei ihren Berührungen zuckte und pulsierte. Mit einem Knurren löste er sich von ihr, griff unter ihre Pobacken und hob sie hoch, sah ihr ins Gesicht. Seine Iris flackerte bernsteinfarben, ein helles Grün mischte sich darunter. Mandy lächelte selig, fuhr sich mit den Fingern durch die Haare und reckte ihm ihre festen, wohlgeformten Brüste entgegen.
Wenige Augenblicke später senkte er sie auf sich hinab, so dass sie seine Spitze spüren konnte, die hart gegen ihren feuchten Eingang kam, sie pfählen wollte.
„Stoß ihn rein. Tu es endlich.“ Mandy stöhnte gequält, ihre Beine umschlangen seine Hüften. Mit einem kraftvollen Ruck drang er in sie ein. Sie schrie auf. Niemals zuvor hatte sie ein Mann so ausgefüllt. Er war mächtig. Schmerz und Lust vollführten einen Muskeltanz tief in ihrem Inneren. Gänsehaut überzog ihren Körper, mit einer Hand hielt sie sich an seiner Schulter fest, mit der anderen zog sie das Top über ihren Kopf. Eiskalte Luft berührte ihre Brustwarzen, so dass sie sich steil aufrichteten.
Oh nein, er war kein normaler Mann, er war kraftvoller und ausdauernder und gieriger, als sie es je zuvor erlebt hatte. Sie beobachtete sein Gesicht, wie es sich unter den lustvollen Krämpfen, die sie ihm mit ihrer inneren Muskulatur bereitete, zu einer Grimasse verzog. Immer wieder bleckte er die Zähne, kleine Härchen fuhren ihm aus den Wangen und verschwanden wieder. Sie war fasziniert und versuchte, an etwas anderes zu denken, da dieser Moment ewig währen sollte. Doch das Gefühl des kommenden Orgasmus ließ sich nicht verdrängen. Sie bewegte hektisch ihre Hüfte, damit er hinein und hinausgleiten konnte, während er an ihrer empfindlichsten Stelle rieb, die heiße Wellen durch ihren Unterleib schickte. Nur noch ein Stoß. Mandy keuchte und spannte sich an, als er immer tiefer in ihr versank, sie näher an sich zog und mit seiner Zunge ihre Brustwarzen umspielte. Sie schrie ihre Lust hinaus, als die erlösende Woge endlich über sie hinweg schwappte. Schließlich bewegte er sich wieder, gnadenlos stieß er in sie, entlud sich in ihr mit einem lauten Stöhnen.
Marcus ließ sie runter, bis sie alleine stehen konnte.
„Wir werden deine Wandlung nun komplett vollziehen. Mit einem Menschen. Und dann bist du meine Gefährtin, Schönheit.“ Die Iris seiner Augen zeigte wieder seine normale Farbe, sein Gesicht war ausdruckslos.
„Alles was du willst“, murmelte sie.
Sie folgte ihm nach draußen, wo kalte Finsternis über ihre Haut glitt. Angezogen hatte sie sich nicht, sie hatte in ihre zerrissene Leggings schlüpfen wollen, aber Marcus hatte abgewinkt. „Du wirst sie nicht brauchen.
Dir wird niemals mehr zu kalt oder zu heiß sein. Und draußen ist es dunkel. Uns wird niemand sehen. Wir werden uns einen Menschen suchen, der jetzt noch unterwegs ist.“ Mandy hatte versucht, gleichgültig mit den Schultern zu zucken, doch ihr war etwas schlecht geworden. Musste sie jemanden töten? War das tatsächlich real? Als sie sich umdrehte, erkannte sie einen Bauwagen und links unter ein paar hohen Tannen sah sie noch einen heruntergekommenen Wagen dieser Art, der allerdings auf Steinen nach oben gebockt worden war. Vor ihm standen zwei hünenhafte Kerle, die sich lautstark unterhielten. Bei näherem Hinschauen beobachtete sie, wie einer die Tür einen Spalt öffnete.
„Ich … ich muss mal pinkeln“, kam eine stotternde Stimme aus dem Inneren. Laut und deutlich konnte sie die missbilligende Stimme des einen Typen hören: „Dann pinkel doch“, sagte er abfällig und knallte die Tür wieder zu. Mandy lief ein Schauer über den Rücken. Sie wollte gar nicht wissen, was dort vor sich ging. Ihre Aufmerksamkeit galt Marcus, der in der Zwischenzeit seine Nase in die Luft gestreckt hatte.
„Da, ganz deutlich. Ein Pärchen. Im Auto. Keine zehn Kilometer von hier.“ Er blickte zu ihr. „Bereit?“ Mandy nickte.
Sie wusste nicht so recht wofür, doch er hatte sie zumindest nicht angelogen, was die Kälte anging. Niemals zuvor hatte sie sich so gut gefühlt. Sie spürte zwar die Kälte des Windes, aber sie fror nicht. Wenn sie noch Zweifel gehabt hatte, was Marcus tatsächlich war, wurde dieser im nächsten Augenblick vernichtet. Denn Marcus wandelte sich. Nicht in einen Wolf, vielmehr in einen beängstigenden Mischling, der auf zwei Beinen auf sie zusteuerte.
Sein Wolfskopf war lang und schmal und bestand praktisch nur aus Zähnen. Mandy leckte sich erregt die Lippe, als er ihr näher kam, denn er übte eine starke Faszination auf sie aus. Sein Oberkörper war behaart, nur unterhalb des Bauchnabels, dort, wo seine Männlichkeit groß und schwer nach unten baumelte, lichtete sich das Fell. Vom Knie abwärts glich er wieder einem Tier mit riesigen Pfoten. Sie wusste, sie sollte eigentlich Angst verspüren, aber sein Anblick gefiel ihr, als er erregend anmutig auf sie zuschritt. Die mächtigen Klauen bewegten sich, und als er vor ihr stand, pochte ihr Herz, vibrierte ihre Haut. Nein, sie hatte keine Angst. Was auch immer er mit ihr gemacht hatte, es hatte sie zu einem der seinen gemacht. Es war normal, es fühlte sich normal an, er war normal. Sie gehörte nun zu ihm. Sie hob die Hand, strich mit den Fingern über das Fell im Gesicht.
„Wow. Das … das ist ehrlich der Hammer.“ Mit den funkelnd grünen Augen blickte er sie an, es schien ihr, als würde er direkt in ihr Innerstes sehen. Schnell zog sie die Hand weg, räusperte sich.
„Und was jetzt? Kannst du reden in dieser Gestalt?“
Ein bisschen albern kam sie sich schon vor, und wenn sie sich vorstellte, dass sie eventuell einfach nur unter Drogen stünde und er sich vielleicht köstlich über sie amüsierte, musste sie lachen. Das Gelächter kam als Glucksen die Kehle hoch, dann tanzte es über ihren Kehlkopf und entwich schließlich laut perlend ihrem Mund. Tränen liefen ihr die Wangen hinab, und sie konnte sich nicht mehr bremsen. Wie ein Blitz war Marcus bei ihr, legte ihr die Pranke auf den Hals und drückte ihr die Kehle zu.
Halts Maul, sonst töte ich dich und suche mir eine neue Gefährtin.
Mandys Lachen erstarb augenblicklich, röchelnd sah sie ihn an, ihre Füße schwebten ein paar Zentimeter über dem Boden. Er hatte kein Wort laut gesprochen - die Botschaft war einfach in ihrem Kopf entstanden.
Ist das klar? Dann blinzele mich einmal an.
Mandy versuchte zu atmen, Panik überrollte sie und sie blinzelte einmal. Sofort ließ er sie los. Taumelnd stolperte sie rückwärts, rieb sich über den Hals, hustete und keuchte, sog erleichtert die Luft ein.
Wie funktionierte das jetzt eigentlich alles? Das Wandeln? Musste sie nur dran denken und schwupps, wäre sie ein Werwolf? Oder musste sie der Mond anleuchten? Nun wusste sie definitiv, dass dies kein Kindergarten war und sie Marcus nicht auslachen durfte. Entweder musste sie sich mit seinen Regeln vertraut machen und sich ihnen unterordnen oder schnellstens das Weite suchen.
„Was muss ich tun, Marcus, damit ich mich verwandele?“ Marcus schüttelte knurrend den Kopf, drehte sich um und lief direkt in den dichten Wald hinein. Mandy rannte ihm hinterher. Dies kam ihr immer unwirklicher vor. Zumal sie in der Dunkelheit viel besser sehen konnte und sie spürte … den Wald um sich herum. Die Gegenwart der Bäume, und wo sie sich zu einer Lichtung öffneten oder sich über einen Bachlauf neigten.
Alles lief wie im Zeitraffer an ihr vorbei, so schnell war sie zu Fuß. Ein Glücksgefühl machte sich in ihr breit. Leichtfüßig folgte sie Marcus zwischen den dicht beieinanderstehenden Bäumen hindurch, sprang über dicke Äste oder ganze Baumstämme, als hätte sie niemals zuvor etwas anderes gemacht. Und plötzlich spürte sie, dass irgendetwas in ihr war. Etwas, das ihr Glück vollkommen machen würde. Es kratzte gegen ihre Haut, drängte nach außen, wie ein Lachen, das sie unterdrücken musste, ein Schluckauf, den sie loszuwerden versuchte, wie ein Schrei, den sie nicht hinausließ. War das eine Verwandlung? Stand sie kurz davor, ihren Körper an etwas zu übergeben, was sie eben bei Marcus beobachtet hatte? Ihre Haut fing an zu jucken und zu kribbeln, an Armen und Beinen zuerst, bis sie die Finger nicht mehr bewegen konnte. Erschrocken blieb sie stehen und hielt sich ihre Hand vor Augen - doch die gab es nicht mehr. Stattdessen besaß sie eine behaarte Pranke. Feine Härchen wuchsen an ihren Unterarmen. Panisch berührte sie ihr Gesicht und spürte, wie ihr Herz wild in ihrem Brustkorb tobte. Es fühlte sich nicht mehr an, als würde es zu ihr gehören. Die Nase war einer langen Schnauze gewichen, ihr Haar hatte sich in kurzes, dichtes Fell verwandelt, das bald ihren kompletten Körper einnahm.
Stöhnend krümmte sie sich, fiel auf die Knie, versuchte etwas zu sagen, aber alles, was aus ihrem Maul kam, war ein langgezogenes Jaulen, das die Nacht durchbrach und sich in ihren Ohren beängstigend anhörte. Ihre Gedanken wirbelten durcheinander. Da war noch etwas in ihr. Sie teilte sich ihren Körper mit einer fremden Kreatur. Mit einem Wolf!
Ihr Bewusstsein geriet in den Hintergrund, das andere Wesen übernahm die Führung, schüttelte sein Fell, schnupperte in die Luft, nahm eine Fährte auf und rannte los. Mandy hatte das Gefühl, einen Film anzusehen, dessen Handlung sie nur zur Hälfte verstand. Der Wolf - sie - schloss zu Marcus auf, der an einem Baum gelehnt stand und zu einem Auto mit angelaufenen Scheiben hinüber sah. Sie erschrak. Was hatte er vor? Hier geschah gleich etwas, das nicht richtig war.
Mandy rang um ihr Bewusstsein. Mit aller Gewalt streckte sie ihren Körper, und tatsächlich gelang es ihr, sich aufzurichten. Das Fell verschwand, und mit ihm das dumpfe Gefühl, nicht mehr in ihrer eigenen Haut zu stecken. Die geschärften Sinne blieben.
Der Geruch von Schweiß und Sex umwehte ihre Nase, und im gleichen Augenblick lief ihr das Wasser im Mund zusammen, so als hätte sie eine frischgebackene Pizza gerochen. Mandy strich sich über das Gesicht, froh, dass die Schnauze nicht mehr da war und sie ihre kleine Nase, den Mund und ihre Wangen spürte. Doch wo war ihre Brille? Für einen Augenblick war sie irritiert - ganz offensichtlich brauchte sie sie nicht mehr. Ohne sie konnte sie besser sehen als je zuvor, erkannte sogar die Armbanduhr, die der Typ im Wagen trug, der sich hektisch auf der jungen Frau bewegte.
Auch wenn die Scheiben beschlagen waren, konnte sie die schemenhaften Umrisse der beiden Personen erkennen, die ineinander verschlungen waren, Sex hatten.
Plötzlich war Mandy wütend auf das Pärchen im Auto, obwohl sie gleichzeitig wusste, dass die Beiden ihr nichts getan hatten.
Sie hasste diese Menschen im Auto, wollte sie leiden sehen, wollte ihr Blut sehen, fühlen und schmecken und ihre Schreie hören.
Noch immer stand Marcus mit verschränkten Armen an den Baum gelehnt. Er hatte sich ebenfalls zurück verwandelt. Unter seinen strähnigen Haaren blickte er sie an, die Augen wild und gefährlich blitzend, mit einem zuckenden Grinsen im Gesicht, als wollte er sagen: „Tu es! Lass den Wolf raus.“ Mandy hätte für ihn direkt noch einmal die Beine aufgemacht. Wenn sie seine starke Männlichkeit unterhalb des Bauchnabels betrachtete, prickelte es zwischen ihren Beinen. Doch in ihrem Mund sammelte sich der Speichel und ihr Herz klopfte wild, als sie wieder zum Wagen hinüber sah. Sie gab nach und ließ den Wolf raus, der mit wenigen Sprüngen am Auto war. Marcus war blitzschnell vor ihr da, hatte ihr die Tür geöffnet und beobachtete sie. Mandy stockte kurz, als sie der Frau in die aufgerissenen Augen starrte. Panisch schrie sie und versuchte unter dem Mann wegzukommen, doch er war in einer Schockstarre, hielt sie mit seinem Gewicht fest auf dem Polster des Rücksitzes. Mandy knurrte und fletschte die Zähne. Ihre Schnauze berührte die Nase des Kerls, der sich schließlich bewegte und rückwärts auf der anderen Seite aussteigen wollte.
Seine Hose, die an den Kniekehlen hing, sowie die verschlossene Tür hinderten ihn an der Flucht. Mandy folgte ihm, stieg dabei über die Frau, die gellend schrie. Genervt neigte Mandy den Kopf. Das Kreischen schmerzte in ihren Ohren. Sie öffnete ihr Maul, vergrub die Zähne in dem nackten Bauch der Frau und trank von dem warmen Blut.
Aus den Augenwinkeln beobachtete sie den jungen Kerl, der mit bebenden Lippen immer wieder vor sich hin stammelte: „Oh mein Gott. Oh mein Gott. Victoria. Oh mein Gott.“ Mandy zerfetzte die Innereien, schlang sie runter, spürte, wie das warme Blut ihre Zähne umspülte. Mandy knurrte gurgelnd, während das Blut weiterhin in ihre Kehle lief. Der Geruch nach Angst umwehte ihre feine Wolfsnase. Er kam von ihm. Sie wollte Spaß haben, sie wollte ihn jagen, ihn in Sicherheit wiegen, um ihn dann brutal niederzumetzeln.
Mit schmatzenden Geräuschen zerfetzte sie den weiblichen Körper unter ihr, schlang das Fleisch hinunter und beobachtete aus den Augenwinkeln, wie der junge Mann seine Füße nachzog, die Tür öffnete und schreiend aus dem Auto kletterte. Wenn sie gekonnt hätte, hätte Mandy gelacht. So saß sie auf einem zerfledderten Haufen Mensch, hob den Kopf und heulte. Sie sprang über den Vordersitz und verfolgte die Spur ihres Opfers mit der Nase. Der Geruch von Angstschweiß, vermischt mit dem von Sex und Urin, lag deutlich in der Luft. Es fiel ihr nicht besonders schwer, seiner Fährte zu folgen, zumal er noch nicht weit gekommen war. Sie hörte sein Herz, spürte, wie es sein Blut durch die Adern pumpte. Mit wenigen großen Sprüngen hatte sie ihn erreicht, stellte ihn und knurrte ihn an.
Er warf die Arme nach oben, drehte ab und rannte in die andere Richtung, in der Marcus plötzlich in seiner menschlichen Gestalt stand, ihn packte und festhielt.
„Hey Mann“, hechelte er atemlos, „hilf mir bitte. Ein Wolf hat meine Freundin getötet. Ich glaube, er ist tollwütig.“
Die Stimme zitterte und Angstschweiß überzog den Menschenkörper. Er zappelte panisch in seinem Griff, wollte wegrennen.
„Was ist los mit dir? Lass mich los. Hilf mir … bitte …“, stotterte er fassungslos, während sich Mandy den beiden näherte.
„Bist du sicher? Der sieht doch völlig harmlos aus. Beruhig dich doch. Hey, hast du getrunken? Und das ganze Blut auf deinen Kleidern. Ich glaube, du hast deine Freundin umgebracht.“ Der Typ wagte einen kurzen Blick zu ihr nach hinten, riss die Augen auf, denn in dem Moment umgriff Marcus seinen Hals mit seiner Hand und drückte zu.
„So kranke Typen wie dich kenne ich“, zischte Marcus zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Der junge Mann keuchte, krächzte Angstlaute und ballte seine Hände zu Fäusten. Mandy roch seinen Urin, den Schweiß, seine Angst. Hunger packte sie, griff nach ihren Eingeweiden und drückte zu. Mit einem Satz hechtete sie ihrem Opfer auf den Rücken und warf es um, so dass es auf dem Bauch landete. Marcus hatte den Kerl bereits wieder losgelassen und war einen Schritt zurückgetreten. Ihre großen Pfoten hielten ihn fest, bohrten sich mit den Krallen in sein weiches Menschenfleisch.
„Hilf mir doch, hilf mir!“, schrie er mit erhobenem Kopf, versuchte sich nach vorne zu robben.
„Ich hab doch keine Zeit“, antworte Marcus nur kühl.
„Hilf mir. Bitte.“ Doch es war hoffnungslos.
Mandys Hass türmte sich in ihrem Kopf auf, ließ sie alles um sie herum vergessen, und als sie das Knacken seines Genicks zwischen ihren Zähnen hörte, war es wie Musik in ihren Ohren. Sie schüttelte den Körper wild hin und her. Wenige Sekunden danach schlug das Herz nicht mehr und das Blut sickerte nur noch langsam aus der Wunde. Sie riss ihm ein Stück Fleisch aus seiner Schulter und schlang es gierig hinunter.
Von dieser Sekunde an war alles anders. Jemand berührte sie an der Schulter. Marcus. Er hatte sich zu ihr gekniet, streichelte ihr über das graue Fell.
„Lass uns gehen, Schönheit. Willkommen in meiner Welt.“ Mandy leckte Marcus‘ Hände, stieg von der Leiche und erhob sich zu ihrer menschlichen Gestalt. Nackt und mit Blut besudelt, kam sie ihm näher, streichelte ihn über die Brust, sah ihm in die Augen.
„Was du mit mir gemacht hast … dafür kann ich dir nicht genug danken. Mein Leben für dich.“ Atemlos drängte sie sich an ihn, spürte seine Hitze, wie sich etwas regte und sich hart gegen sie presste. Sein Grinsen verschwand. Übrig blieb eine hässliche Fratze, die auf sie hinab sah. Er trat einen Schritt zurück.
„Merk dir eins, meine Schönheit. Ich bestimme, wann gefickt wird. Und das ist nicht jetzt.“ Mit kalten Augen wandte er sich von ihr ab und ließ sie stehen.