Читать книгу Kuss der Wölfin - Die Begegnung (Band 3) - Katja Piel - Страница 7
Kapitel 4
ОглавлениеEngland, Herbst 2012
« Welches Rudel? Du meinst dich und den anderen Halbstarken da vorne?»
Mandy ging schweigend hinter Marcus her, der sich nicht mehr nach ihr umdrehte. Sie dachte über die Möglichkeiten nach, die sich ihr endlich boten. Mit ihrem Aussehen, ihrer Stärke, dem unbändigen Hunger, stand ihr die Welt offen. Vorfreude machte sich in ihr breit, als sie darüber nachdachte, was sie alles tun könnte, an wem sich rächen, wen auffressen … Außerdem wollte sie unbedingt wissen, wie sie aussah. Sie stellte sich vor, wie sie in den tollen Klamottenläden einkaufen gehen und endlich in die Size Zero Jeans schlüpfen würde.
Sie hatte gar nicht bemerkt, dass Marcus stehengeblieben war. Sie befanden sich wieder bei dem hochgebockten Bauwagen, vor dem die zwei Ungetüme noch immer standen. Marcus ging auf sie zu und zeigte auf sie. Mit unverhohlener Neugier betrachtete sie einer der beiden. Quer über seine Wange verlief eine Narbe von der Oberlippe bis zur Schläfe, die sein gruseliges Aussehen verstärkte.
Wenn sie nicht schon nackt gewesen wäre, würde sie sich spätestens jetzt unter seinen Blicken so fühlen. Der andere lauschte interessiert, sah aber nicht zu ihr hinüber.
Es hatte aufgehört zu regnen, der Himmel war noch dunkel, aber klar. Der Narbige schlenderte zu ihr.
„Ich soll mich um dich kümmern.“ Mandy zuckte zurück. Der Typ mit der Narbe stand plötzlich direkt vor ihr. Er war so groß, dass sie mit der Nase seine Brustwarzen hätte berühren können.
„Ja, schön. Ich würde jetzt gerne aber lieber abhauen, verstehste? War eine nette Party mit Marcus, aber ich hab kein Bock auf ne Beziehung.“ Sie hoffte, es würde sich cool anhören, hob ihren Blick, um ihn anzusehen, und grinste schief. Er warf den Kopf nach hinten und lachte laut los, so dass sein ganzer Körper vibrierte. Mandy trat einen Schritt zurück, kicherte verhalten und beobachtete ihn, wie er sich mit der flachen Hand auf den nackten Oberschenkel schlug.
„Ja, irre komisch.“ Sie verdrehte die Augen und wandte sich zum Gehen, da hielt er sie grob am Arm fest. Seine Augen wechselten die Farbe und leuchteten grün.
„Du gehst nirgends hin. Ich werde dich nun über ein paar …“, er machte eine Pause und überlegte, „Kleinigkeiten aufklären.“ Er legte den Arm um ihre Schulter, so als wären sie die besten Freunde. Mandy versteifte sich, als sie seine festen Muskeln auf ihrem Nacken spürte. Sie wusste, selbst wenn sie wollte, sie würde nicht entkommen können.
„Wo wir schon so nett miteinander plaudern: Mein Name ist Utz und du bist Mandy, richtig?“ Knurrend nickte sie.
„Was willst du eigentlich von mir, Utz?“ Die Frage war mutiger, als sie sich fühlte. Von der Seite blickte sie schräg zu ihm hinauf. Die Narbe sah wirklich angsteinflößend aus, aber was sie noch viel mehr beunruhigte, war seine stetig wechselnde Augenfarbe.
Er lachte abfällig und schnaubte.
„Was ich von dir will?“ Er zerquetschte fast ihren Arm, als er sie näher zu sich ranzog. „Am besten nichts.“ Er ließ wieder locker, rieb sich über die Nase. „Aber Marcus hatte die blöde Idee, eine Gefährtin in unser Rudel zu holen.“ Mandy blickte sich mit hochgezogenen Brauen um. „Welches Rudel? Du meinst dich und den anderen Halbstarken da vorne?“ Sie zeigte auf den Kerl, der mit Marcus noch am Bauwagen stand und im Gespräch war. Utz seufzte genervt. „Wir sind mehr, viel mehr. Marcus hat uns starkgemacht und wir sind kurz vor …“ Er überlegte und wandte sich ihr wieder zu. Den Arm ließ er locker. Dennoch, Mandy fühlte sich unwohl in seiner Nähe.
„Egal. Was ich dir versuche zu erklären, ist folgendes. Ich habe keine Lust, mich mit dir zu beschäftigen. Frag nicht, sonst werde ich ungemütlich“, knurrte er sie an. „Ich bringe dich zu unserem Unterschlupf. Dort wird man dir alles erklären. Es gibt für dich nur zwei Möglichkeiten, uns loszuwerden: Marcus schickt dich fort oder er tötet dich.“ Er ließ seine Worte auf sie wirken, betrachtete seine linke Hand und schob seinen Daumennagel unter die anderen Fingernägel, um sich Dreck herauszukratzen. Mandy versuchte, unbeeindruckt auszusehen. Was sollte das bedeuten? War sie ihre Gefangene? Panik machte sich in ihr breit. Sie wollte shoppen gehen, Männer aufreißen und fressen.
Und nicht mit ein paar schmutzigen Typen abhängen. Das war nicht ihr Plan. Sie biss sich auf die Lippe, um ihre Enttäuschung nicht laut kundzutun.
„Du gehörst jetzt zu uns. Du spielst jetzt nach unseren Regeln. Und jetzt haben wir hier noch etwas zu erledigen.“
Utz sah sich über die Schulter und rief Marcus zu: „Ich komme gleich. Ich bringe sie zum Rudel. Holt mich mit dem Wagen ab.“ Mandy folgte seinem Blick und beobachtete, wie der andere Kerl die Tür des Bauwagens öffnete und sie Marcus aufhielt. Ein schwacher Lichtschein fiel auf die Stufen davor und sie konnte sein Gemurmel und eine ängstliche, weibliche Stimme hören.
„Wer ist das da drin? Noch eine Gefährtin?“ Utz schnaubte verächtlich und stieß ein tiefes Knurren aus: „Das da drin, Schätzchen, das ist unser Schlüssel zur Macht. Und jetzt komm mit.“
Mandy ließ sich von ihm mitzerren, ihr Blick haftete allerdings weiter auf dem Bauwagen, aus dem ein rothaariges Mädchen über die Stufen direkt in die Arme des anderen Typen stolperte. Marcus stand in der Tür und strich sich durch die Haare. Seine grünen Augen ruhten auf Mandy, dann grinste er, wandte sich ab und klatschte in die Hände. Die junge Frau zappelte verzweifelt um ihr Leben.
Seit das Mädchen aus dem Wagen gestolpert war, spürte Mandy ein Kratzen im Hals. Ihre Zunge klebte an ihrem Gaumen, ihr Mund war völlig ausgetrocknet. In ihrem Magen rumorte es. Sie hatte Hunger. Der verlockende Duft von getrocknetem Blut drang zu ihr. Ihr Körper versteifte sich, und ein tiefes, kehliges Knurren drang aus ihrer Kehle.