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ОглавлениеDieses Land hat mich seltsamerweise sofort in seinen Bann gezogen. Ich weiß nicht genau, was seine Faszination ausmacht.
Vielleicht ist es auch nur die Andersartigkeit oder das Exotische, Geheimnisvolle.
Doch wiederum hat dieses Land etwas.
Etwas ganz Eigenes. Besonderes.
Man kann es spüren.
Und man kann es jedem seiner Bewohner ansehen.
Den Stolz und eine seltsame Unerschütterlichkeit, ein In-sich-selbst-ruhen, eine Art Urvertrauen, welches sie in ihrem Inneren bewahren wie einen Schatz.
Ihr gemeinsames Bewusstsein nämlich, ihre gemeinsame Geschichte, ihr Wissen um ihre Revolution.
Und trotz der Unabänderlichkeit ihrer Lebenslage, ihrer Armut, trotz aller Unzulänglichkeiten und Missstände im Kampf um die Lösung ihrer alltäglichen Probleme strahlen sie Lebensfreude aus und nicht Resignation.
Das ist wahrlich erstaunlich.
Und mittlerweile verstehe ich auch, wie meine Schwester sich in dieses Land verlieben konnte. Und in einen Mann dieses Landes.
Nur mit der Hitze kann ich mich nicht anfreunden.
Ich kann nicht verstehen, dass Menschen der Sonne und des warmen Wetters wegen Deutschland den Rücken kehren und lieber auf eine Insel ziehen.
Hitze macht mich aggressiv.
Ich mag lieber das gemäßigte Klima, wie ich es gewohnt bin, und die vier Jahreszeiten.
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Dass hier die Zeit anders geht, sieht man an jeder Straßenecke.
Das zeigt sich an der jungen Frau, die auf einem Hocker neben ihren zwei Holzkisten sitzt und mit stoischer Ausdauer auf einen Käufer für ihre Orangen wartet.
Oder an dem alten Mann im karierten Hemd, der Tag für Tag auf der Stufe vor der Haustür seines Hauses der geruhsamen Langsamkeit zusieht und dennoch am Leben teilnimmt.
Ich kann nicht sagen, wer älter ist, der Mann oder das Haus, an der die Fassade bröckelt. Das hatte seine besten Jahre auch schon lange hinter sich.
Das haben sie wohl beide gemeinsam.
Als ich an dem Alten vorbeigehe, nicke ich ihm zum Gruß zu.
Sein Gesicht ist faltig und von der Sonne gegerbt.
Ob er sich an mich erinnert, weiß ich nicht.
Vielleicht bin ich ihm dennoch aufgefallen, da ich bereits den dritten Tag infolge dieselbe Straße entlanggehe.
Die Vermutung liegt nahe, denn er lächelt mich an und gewährt mir einen Blick auf seinen zahnlosen Kiefer, während er mir noch hinterher winkt.
Dann sind da noch die Herren älteren Semesters, die ganz zwanglos ihre Holzstühle an den Straßenrand stellen und sich mit ihren Instrumenten spontan zusammenfinden und die Straße zu ihrem Konzertsaal machen. Auch das ist hier Normalität. Oder der spontane Plausch von einem Balkon hinüber zum anderen. Das Knallen der Spielsteine, das man schon durch die Gassen hallen hört, bevor man überhaupt erst die dazu gehörigen Dominospieler sieht.
Und nicht zu vergessen, die dicken Zigarren. Das Selbstverständlichste überhaupt, sogar im Mund alter Frauen.
Das ist Kuba pur.
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Dass hier die Zeit langsamer geht, weiß ich bereits.
Darauf hat mich ein Bekannter, der schon in Jamaika war, hingewiesen. Dort ist es ähnlich lässig. Oder besser gesagt: gelassener.
No problem…
Und hier heißt es eben: Manana.
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Ja, und manchmal scheint hier die Zeit sogar ganz stehen geblieben zu sein. Das kann man an den alten US-Fregatten, die immer noch das Straßenbild beherrschen, sehen. Man fühlt sich förmlich in die dreißiger oder fünfziger Jahre zurückversetzt.
Hingebungsvoll oder doch nur aus Gründen des Unvermögens und der jahrelangen Misswirtschaft wegen, immer und immer wieder repariert, aufgehübscht und auf Hochglanz poliert, erinnern sie an den Charme vergangener Jahre. An bessere Zeiten.
Und man sieht es den wunderschönen alten Häusern im Kolonialstil an.
Früher der ganze Stolz dieser alten Dame Havanna, nun hoffnungs- und würdelos dem ständigen Verfall preisgegeben.
Der Putz bröcklig.
Die Farbe verwaschen.
Das Metall der Geländer und Zäune rostig.
Die Balkone nur zum Teil noch nutzbar oder mit Wäsche behangen…
Die Bewohner, so scheint es, haben sich in ihr Schicksal gefügt.
Warum etwas ändern, was unabänderlich scheint?