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Franz Stephan – träger Lebemann oder cleverer Manager?
ОглавлениеWährend Maria Theresia mit großer Energie nicht nur die Erblande regierte, sondern auch in Reichsangelegenheiten den Ton angab und sich dabei äußerst selbstbewusst von ihrem Mann weder dreinreden noch beeinflussen ließ, nahm die Öffentlichkeit den Kaiser nur am Rande wahr und verfälsche die historische Bedeutung Franz Stephans nachhaltig. Selbst Zeitgenossen ließen sich vom nach außen zurückhaltenden Auftreten des Kaisers täuschen und beschrieben ihn als träge, faul und an Geschäften jeglicher Art uninteressiert. So berichtete der preußische Gesandte Podewils nach Berlin: „Da er von Natur aus träge ist, weiß er sich mit keiner Sache gründlich zu befassen … Er hasst die Arbeit. Er ist wenig ehrgeizig und kümmert sich so wenig wie möglich um die Regierungsgeschäfte. Er will nur das Leben genießen, es angenehm verbringen und überlässt der Kaiserin gern den Ruhm und die Sorgen der Regierung. Diese Fürstin und ihre Minister lenken ihn und vor allem in den Reichsangelegenheiten, von denen er wenig Kenntnis hat (…) Wenn er den Beratungen beiwohnt, so ist es nur des äußeren Anstandes wegen, und obgleich er dort manchmal gute Ratschläge gibt, schenkt man ihnen selten Beachtung.“24
Doch der Schein trog gewaltig. Während der Kaiser den Eindruck charmanter Untätigkeit vermittelte, wurde wenige Schritte von der Hofburg entfernt im sogenannten „Kaiserhaus“ in der Wallnerstraße 3 eifrig gearbeitet. Denn in Wahrheit widmete sich Franz Stephan, ohne nach außen viel Aufsehen zu erregen, dem Aufbau der wirtschaftlich höchst erfolgreichen Firma „Habsburg-Lothringen“. Der Kaiser konsolidierte dabei nicht nur die Finanzen des Reiches, sondern gründete quasi im Stillen ein Wirtschaftsimperium, das den enormen privaten Reichtum der Habsburger bis zu Kaiser Franz Joseph und seinen Nachkommen begründete und als „Stiftung“ über Generationen sicherte. Das Palais in der Wallnerstraße war die Schaltzentrale seines Imperiums, das er mit großem wirtschaftlichem Geschick und guter Menschenkenntnis regierte. Denn Franz Stephan hatte die Gabe, besondere Talente und Fähigkeiten zu erkennen und entsprechend einzusetzen, wobei er im Gegensatz zu den geltenden gesellschaftlichen Spielregeln Qualifikation stets vor gesellschaftlichen Stand oder Religionszugehörigkeit stellte. Da der Kaiser über kein Privatvermögen verfügte und nach neuestem Quellenstand auch der Tausch Lothringens gegen die Toskana ursprünglich nicht mit finanziellem Wohlstand verbunden war,25 standen am Beginn kleine Investitionen, die sich langfristig als äußerst gewinnbringend erwiesen. So kaufte er günstig zahlreiche kleine Güter und Herrschaften in desolatem und abgewirtschaftetem Zustand, um sie in moderne wirtschaftliche Betriebe zu verwandeln. Hierbei konnte er die Erkenntnisse und Erfahrungen seiner Reisen durch Holland, England und Schlesien in den Jahren 1731/32 umsetzen und die landwirtschaftliche Produktion mit Hilfe neuer Methoden vorantreiben. Er investierte in neue Maschinen, verbesserte die Produktionsabläufe und konnte damit die Erträge aus Viehzucht, Landwirtschaft, Brauerei, Weinbau, Fischzucht und Forstwirtschaft um ein Vielfaches erhöhen. Auch Brau- und Wirtshäuser erwiesen sich als äußerst lukrativ. Vor allem die Güter Holics und Sassin entwickelten sich ertragreich und wurden zu Mustergütern der Monarchie. Mittels modernster Methoden, die er in Holland kennengelernt hatte, etablierte sich Franz Stephan z. B. auch als ertragreichster Entenzüchter des Reiches, indem Wildenten angelockt, mit Netzen gefangen wurden und im großen Stil in alle Teile der Monarchie und an den Hof geliefert werden konnten.
Die Schaltzentrale des Imperiums von Franz I. Stephan: das „Kaiserhaus“ in der Wallnerstraße. Stich von Salomon Kleiner.
Kaiser Franz I. Stephan umgeben von den Vorstehern der vier wissenschaftlichen Hofinstitute. Gemälde von F. Messmer und J. Kohl, um 1764.
Doch nicht nur als Landwirt, sondern auch als Industrieller erwies er sich als äußerst erfolgreich. Nach dem vor allem wirtschaftlich herben Verlust Schlesiens bereiste Franz Stephan Böhmen und Mähren auf der Suche nach besten Standorten für Tuchmanufakturen, Leinwebereien und Spinnereien, gründete in Kladrub und Potštejn Betriebe und sorgte für einen enormen industriellen und wirtschaftlichen Aufschwung der Regionen. Gleichzeitig war er an der staatlichen Lotterie beteiligt und belieferte das österreichische Heer mit Waffen. Dass Franz Stephan nicht nur gutmütig war, sondern vorausschauend und in eigenem Interesse agierte, belegt ein Vertrag mit seiner Frau, in dem er ihr 1744 ca. 1 Million Gulden für den Zweiten Schlesischen Krieg zu Verfügung stellte. Dafür musste sie ihm allerdings auf Lebenszeit „sämtliche Königlichen Böhmischen Cammer Herrschaften und Gütter“26 verpfänden.
Einer der lukrativsten Geschäftszweige waren jedoch seine Börsenspekulationen, deren Gewinne er in mehreren europäischen Banken anlegte: „Was die finanziellen Hilfsmittel dieses Hofes angeht, so hat der Kaiser, der ein sehr guter Wirtschafter ist, mehrere Millionen zusammengetragen, die er in den Banken von Genua, Venedig und angeblich teilweise auch Amsterdam liegen hat.“27 Wer seine Bankiers waren, geht aus den Akten nicht hervor – offenbar vor allem Niederländer, so wird das Bankhaus Nettine in Brüssel immer wieder in den Akten genannt, da Franz Stephan jedoch auf Diskretion bedacht war, wusste er seine genauen Bösen- und Bankgeschäfte klug zu verschleiern. Dazu hatte er sicher auch erstklassige Finanz- und Wirtschaftsexperten als Berater – und ließ sein Geld arbeiten. Nach seinem Tod betrug seine Erbschaft an Bargeld, Realitäten und Papieren ca. 17 Mio. Gulden – ein gigantischer Betrag, den er in 30 Jahren erwirtschaftet hatte. In weiser Voraussicht hatte Franz Stephan noch dazu eine klare Trennung von Privat- und Staatsvermögen vorgenommen und damit die finanzielle Grundlage für den Familienfonds geschaffen, der nicht nur bis zum Ende der Monarchie bestand, sondern auch danach die Erben Franz Josephs (in erster Linie seine Tochter Marie Valerie, die nach Thronverzicht für sich und ihre Nachkommen unter Beibehaltung des Privatvermögens in Österreich blieb) finanziell absicherte.