Читать книгу Maria Theresia - Katrin Unterreiner - Страница 7

Liebesheirat mit Franz Stephan von Lothringen?

Оглавление

Die Heirat war eine glückliche Fügung des Schicksals in einer Zeit, in der Hochzeiten in aristokratischen Kreisen nichts mit Liebe zu tun hatten.

Franz Stephans Vater Herzog Leopold von Lothringen bemühte sich als Sohn der habsburgischen Erzherzogin Eleonora und Karls von Lothringen, der seit der Besetzung Lothringens durch die Franzosen am Wiener Hof im Exil lebte, zeit seines Lebens, die verwandtschaftlichen Verhältnisse zu den Habsburgern zu pflegen. Er selbst war bei seiner Mutter in Innsbruck aufgewachsen und später an den Hof seines Onkels und Paten Kaiser Leopold I. geschickt worden, um sowohl eine höfische Bildung zu erhalten als auch seine „Karrierechancen“ zu verbessern – war doch sein Herzogtum nach wie vor von Frankreich besetzt und seine Zukunft ungewiss. So wuchs er gemeinsam mit seinen Cousins Joseph und Karl – den späteren Kaisern Joseph I. und Karl VI. – auf und festigte damit die familiäre Verbundenheit. 1697 schlug schließlich seine Stunde, als Frankreich nach einigen militärischen Niederlagen Lothringen räumen und Leopold als Herzog von Lothringen anerkennen musste. Er übersiedelte nach Nancy und heiratete eine Nichte Ludwigs XIV., Prinzessin Elisabeth Charlotte von Bourbon-Orléans. Doch das Glück währte nur kurz, mit Ausbruch des Spanischen Erbfolgekrieges besetzten die Franzosen erneut Nancy und der Herzog musste sich mit seiner Familie nach Lunéville zurückziehen. Dennoch residierte er feudal in seinem neu errichteten prächtigen Schloss und galt als äußerst kunstsinniger und populärer Herzog. Im Hinblick auf die unsichere und unbefriedigende Situation seines Herzogtums ist es nachvollziehbar, dass er die Allianz mit dem Wiener Hof festigen wollte und daher konsequent seinen Plan verfolgte, seinen ältesten Sohn mit einer Tochter Karls VI. zu vermählen. So erreichte er auch nach einigen Versuchen und Verhandlungen die Zusage Karls VI., seinen Sohn Leopold Clemens an den kaiserlichen Hof einzuladen – offiziell, um ihm eine höfische Bildung zu ermöglichen, insgeheim als potentieller Schwiegersohn. Ersteres unterstützte Karl durchaus, zunächst auch den Plan seines Cousins, seinen Sohn als Ehemann einer seiner Töchter zu etablieren, hoffte er damals doch noch auf die Geburt eines Thronerben. Dennoch war er schon damals zurückhaltend, was seine älteste Tochter Maria Theresia betraf, für die er die de facto besitzlosen und politisch völlig unbedeutenden Herzoge von Lothringen nicht als adäquate Partie erachtete. Der lothringische Erbprinz Leopold Clemens, der auf diese Aufgabe und Chance hin erzogen wurde, wurde daher recht unverbindlich an den Wiener Hof eingeladen. Jedoch ereilte ihn das tragische Schicksal vieler Kinder dieser Zeit: Der 16-jährige Prinz verstarb an den Pocken. So rückte von heute auf morgen der jüngere Sohn Franz nach, der an Stelle des älteren Bruders nach Wien geschickt werden sollte. Um die Gunst des kaiserlichen Verwandten zu erwerben, schickte ihn Leopold zur Krönung Karls zum böhmischen König 1723 nach Prag, wo es zu einem ersten kurzen, aber umso entscheidenderen Zusammentreffen kam. Selbstverständlich bekam er genaueste Verhaltensvorschriften mit auf den Weg. Sein Erzieher, der ihn nicht begleiten konnte, schrieb: „Monseigneur! Ich bin äußerst betrübt, dass ich durch meine Gebrechlichkeit verhindert bin, Ew. Königl. Hoheit folgen zu können, wie ich es von ganzem Herzen wünschte. Die Reise, die Sie jetzt nach Prag tun, halte ich für den wichtigsten Schritt Ihres Lebens. Ew. Königl. Hoheit mögen bedenken, dass es gilt, Ihren Herrn Bruder zu ersetzen, der dort so erwünscht und begehrt war. An Ihnen liegt es, einen guten Gebrauch von den glücklichen Talenten Ihres Geistes und Ihres Körpers zu machen, mit denen der Herr Sie gesegnet hat, um dort die Größe Ihres erlauchten Hauses und die Wünsche und Erwartungen der ganzen Welt zu erfüllen … seien Sie ergeben ohne Affektiertheit, zeigen Sie hohe und große Gesinnung, wie sie Ihnen zustehen, ohne Stolz und Prahlerei; seien Sie edel und ungezwungen, nicht verkrampft in Ihrer Handlungsweise, seien Sie sanft, höflich, leutselig und wohltätig. Die Tugend ist einfach und schlicht, ohne Schminke und ohne Maske. Man täuscht die Öffentlichkeit nur wenige Zeit, und wenn man erkannt ist, wird man leicht verachtet.“1 Weiters riet er dem 14-Jährigen, sich vor Speichelleckern in Acht zu nehmen, sich vor Hofklatsch zu hüten, niemals müßig zu sein, sich vor jeder Art von Spiel zu hüten – und deutsch zu sprechen! Franz, der nun um Verwechslungen innerhalb der Familie zu vermeiden auch seinen zweiten Namen Stephan führte, nahm sich die Ratschläge offenbar zu Herzen, denn er meisterte die entscheidende Situation mit Charme und Höflichkeit und Kaiser Karl notierte in seinem Tagebuch: „Prinz Lothringen find hibsch, wohl gewachs, manierlich, redt Teutsch“, tags darauf: „Prinz Lothringen lustig“ und einen Tag später: „Prinz Lothringen da, herzig … lustig“2. An Herzog Leopold schrieb er, dass er seinen Sohn „gescheit, manierlich und achtsam“ fände und der Prinz „bei allen Leuten beliebt und admiriert“ sei.3 Die erste Hürde war also geschafft, aber Herzog Leopold legte sicherheitshalber nochmals nach und klagte, dass er um die Integrität seines Sohnes fürchte, der zu Hause auch durch seine französische Mutter einem zu starken Einfluss der Franzosen ausgesetzt wäre: „Da mein Land leider von Frankreich so umringt und abgeschnitten ist, so ist der Einfluss der Franzosen unvermeidlich. Deren Sitten aber sind für meinen Sohn, der doch schon zu seinen Jahren kommt, sehr gefährlich! … Sie sprechen von nichts anderem als von der Größe ihres Königs und mit einer Universalverachtung aller anderen Monarchen und Nationen …“4 Leopolds Engagement zahlte sich aus und Franz Stephan erhielt die heißersehnte Einladung an den Wiener Hof sowie eine vage Zusage zum gewünschten Hochzeitsprojekt, jedoch mit der eindeutigen Auflage, „daß kein Publizität noch Datum gemacht werde“.5


Der 15-jährige Herzog Franz Stephan von Lothringen im Jagdkostüm. Gemälde von Frantz von Lutering, um 1723.


Maria Theresias Mutter: Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel. Porträt von Johann Gottfried Auerbach.

1724 übersiedelte der Prinz nach Wien und wurde von Karl wie ein Sohn aufgenommen und erzogen. Schon bald wurde er zum ständigen Jagdbegleiter des Kaisers und schaffte es, sich durch seine sanfte, charmante und trotzdem lebenslustige Art beliebt zu machen. Und zwar nicht nur beim Kaiser, sondern mit den Jahren auch bei dessen ältester Tochter Maria Theresia. Denn bei der Ankunft des 15-Jährigen in Wien war Maria Theresia gerade einmal sieben Jahre alt – weshalb er die ersten Jahre bei Hof in erster Linie an einer guten Beziehung zum Kaiser interessiert war. Da es letztendlich jedoch darum ging, eine Tochter des Kaisers zu heiraten, verlor er dieses Ziel sicherlich nie aus den Augen – umso mehr, als die älteste Tochter mit den Jahren zur immer wahrscheinlicheren Nachfolgerin avancierte, da ihre Mutter Elisabeth Christine nach 1724 nicht mehr schwanger wurde. So verhielt sich Franz Stephan ihr gegenüber offenbar äußerst charmant, denn trotz des offenkundigen Plans Leopolds verstanden sich die beiden sehr gut, vielleicht verliebte sich die junge Erzherzogin in diesen Jahren auch schon in den attraktiven lothringischen Prinzen. Doch ihre unbeschwerte Jugend wurde 1729 jäh unterbrochen, als Franz überraschend nach Lunéville zurückkehren musste, da sein Vater bei einem Jagdunfall ums Leben gekommen war und er nun das Erbe antreten musste. In den folgenden Jahren festigte Franz Stephan in seinem Bemühen um sein Herzogtum nicht nur seine Abneigung gegen Frankreich, das Lothringen nach wie vor besetzt hielt, sondern ging, wie es damals für aristokratische junge Männer üblich war, auf Reisen. Diese Tour d’ Europe, die ihn vor allem nach England, Holland und Preußen führte, sollte im Hinblick auf sein späteres Wirken von größter Bedeutung sein. Gleichzeitig bemühte er sich natürlich, den Kontakt zum Wiener Hof aufrechtzuerhalten, und wurde schließlich auch von Karl als Statthalter in Ungarn eingesetzt. Er residierte nun in Pressburg (Bratislava), das nicht weit von Wien entfernt war, und hatte wohl auch intensiven Kontakt zur kaiserlichen Familie – und zu Maria Theresia, die in der Zwischenzeit zu einer hübschen jungen Frau herangewachsen war. Mittlerweile war klar, dass Karl keinen Thronerben mehr haben würde. Elisabeth Christine war nicht mehr schwanger geworden, war aber auch nicht todkrank, womit auch eine Wiederverheiratung des Kaisers ausgeschlossen war. Daher erhielt die Verliebtheit Maria Theresias neue Brisanz und die junge Erzherzogin begann ihren Vater zu bearbeiten und entschlossen für ihre Liebe zu kämpfen. Gerade in dieser Zeit zeigten sich bereits jene Eigenschaften, die Maria Theresia als junge Monarchin kennzeichnen sollten: ihr Kampfgeist, ihr energischer und eiserner Wille – und ihre Durchsetzungskraft. Denn Karl war ganz und gar nicht angetan von einer Heirat seiner Nachfolgerin mit einem politisch bedeutungs- und machtlosen Herzog, der noch dazu über keinerlei finanzielle Mittel verfügte. Vielmehr fasste er eine Verbindung mit dem spanischen Königshaus ins Auge, auch der portugiesische Kronprinz galt als mögliche Option. Der englische Gesandte Robinson berichtete 1735 über die offenkundig verliebte Erzherzogin: „Wenn sie am Tage über sich auf der Höhe ihrer Seelenstimmung befunden, so seufzt sie des Nachts nach ihrem Herzog von Lothringen. Wenn sie schläft, so träumt sie nur von ihm, wenn sie wacht, so spricht sie mit ihren Hofdamen nur von ihm. Man darf dessen gewiß sein, daß sie niemals auf die Regierung noch auf ihren Gatten verzichten wird. Beide gehören ihr zu und sind für sie geschaffen; niemals würde sie dem verzeihen, der ihr dies Besitztum entrisse.“6

Doch Maria Theresia hatte Glück. Auf Druck der Seemächte musste Karl für die Anerkennung der Pragmatischen Sanktion im Interesse des europäischen Gleichgewichts auf eine Verbindung mit Spanien verzichten. Nur ein Prinz mit geringer Macht würde gebilligt werden. Plötzlich begann aber nun Franz Stephans Mutter die Angelegenheit zu hintertreiben, da sich gleichzeitig abzeichnete, dass eine Vermählung des Herzogs von Lothringen mit der österreichischen Erzherzogin und Erbin Karls VI. nur akzeptiert würde, wenn er auf sein Herzogtum verzichten würde. Frankreich hatte in aller Deutlichkeit darauf hingewiesen, dass ein potentieller Kaiser des Heiligen Römischen Reiches für sie unmöglich gleichzeitig Herzog von Lothringen sein könne – eine Konstellation, die sogar Habsburgs Bündnispartner England ablehnte. Um nun endlich sein Ziel zu erreichen und Lothringen endgültig zu gewinnen, stellte Frankreich sogar die Anerkennung der Pragmatischen Sanktion in Aussicht – sowie schließlich einen Tausch gegen die Toskana. Franz Stephan musste sich also zwischen Maria Theresia bzw. als Gemahl der österreichischen Erzherzogin, künftigen Königin von Ungarn und Böhmen zwischen einer möglichen „Karriere“ als Kaiser und seinem Herzogtum entscheiden. Seine Mutter war empört über seine Tendenz, sich für Maria Theresia zu entscheiden. Sie beschwor ihn – wohl auch in eigenem Interesse –, seine „Heimat“ nicht für die Ehe mit einer Erzherzogin zu „verraten“, die als Frau wahrscheinlich wenige Chancen auf das Erbe ihres Vaters habe, womit auch seine Zukunft mehr als ungewiss wäre. Doch Franz entschied sich für Maria Theresia. Ende des Jahres 1735 unterschrieb er den „Handel“ und hielt am 30. Jänner 1736 bei Karl um ihre Hand an. Im Hinblick auf die damalige Situation war dies ein durchaus riskanter Entschluss, der bedeutete, dass sich Franz Stephan im Unterschied zu seiner Mutter entweder blind auf die Zusagen Frankreichs bzw. die Pragmatische Sanktion verließ, die Aussichten auf die Kaiserwürde zu verlockend waren – oder er sich doch auch in Maria Theresia verliebt hatte.


Eine absolute Liebesheirat: das Hochzeitsmahl. Gemälde von Martin van Meytens, 1736.

Die Quellen geben darüber keinen genauen Aufschluss. Denn während Maria Theresia ihrem „Mäusl“ glühende Liebesbriefe schrieb ,wirken Franz‘ Briefe an seine Braut eher ungelenk – was jedoch sowohl an seinen mangelnden Deutschkenntnissen als auch an dem Umstand liegen mag, dass sie im Rang über ihm stand und er in Briefen trotz allem die Etikette wahren und vor allem seine Ergebenheit demonstrieren wollte. So schrieb er wenige Tage vor ihrer Hochzeit aus Pressburg: „Durchlauchtigste Erzherzogin, engelische Braut, nachdeme mir von Ihro Majestät dem Kaiser die Allerhöchste Erlaubnis ist gegeben worden, Ew. Liebden zu schreiben, so kann ich nicht länger warten, von diesen Gnaden zu profitieren und Ew. Liebden zu versichern, daß mir nichts Harters ankommt, als dieses schriftlich zu tun, und mich selbst zu Dero Füßen zu legen nicht erlaubt seie, wie es E.L. nicht schwer zu glauben sein wird, indem die allerliebste Braut persuadiert (überzeugt) sein wird, daß kein Bräutigam in der Welt mit mehrerer Ergebenheit und Respekt sein kann als Ew. Lbd. meiner engelischen Braut getreuester Diener Franz, Preßburg, d. 8. Febr. 1736.“7 Maria Theresia antwortete überschwänglich: „Caro viso (liebes Gesicht/​geliebtes Antlitz)! Ich bin Euch unendlich verbunden für die Aufmerksamkeit, mir von Euch Nachricht zu geben, denn ich war schon in Angst wie eine arme Hündin; liebt mich ein wenig und verzeiht, wenn ich nur kurz antworte, aber es ist 10 Uhr, und Herbeville (der Kurier) wartet auf meinen Brief. Adieu Mäusl, ich umarme Euch von ganzem Herzen, schont Euch recht, adieu caro viso ich bin Eure sponsia dilectissima“ (liebste Braut).8 Adressiert war der Brief an: „Durchleuchtigsten Fürsten Franzisco, Herzogen zu Lothringen, meinen villgelibten Bräutigamb“. Franz antwortete: „In diesem Augenblick erhalte ich Ew. Lbd. (Euer Liebden) gnädiges Schreiben, welches mir in meiner Entfernung nicht von geringen Trost ist, dann ich versichern kann, daß mir die Tage unerträglich seind, wo ich die Freud nicht habe, meiner allerliebsten Braut mich zu Füßen zu legen. Vor welchem mich nicht konsolieren (trösten) könnte, wann nicht beständig darhin gedenkete, daß ich die Gnad haben werde, sonntags bei denen Augustinern einander näher und in Vollkommenheit meines Vergnügens zu sehen.“9


Das Brautpaar. Gemälde von unbekanntem Künstler, um 1736. Der 12. Februar 1736 blieb für Maria Theresia der glücklichste Tag ihres Lebens.

Am 12. Februar 1736 fand die Hochzeit statt und Karoline Pichler, die Tochter der Vorleserin Maria Theresias, fasste die Eheschließung aus ihrer Sicht folgendermaßen zusammen: „Wie ein Mädchen aus den mittleren Ständen, bei denen mehr das Herz als eigennützige Rücksichten die Wahl des Gatten bestimmt und man für sich und nicht für seine Väter liebt, hatte sie den Gemahl gewählt … Weder Landesmacht noch große Vorteile brachte ihr in politischer Hinsicht die Ehe mit dem Prinzen Franz von Lothringen …“10 Für Maria Theresia war es also eine absolute Liebesheirat, wobei ihr die politischen Verhältnisse, die keinen mächtigen Fürsten akzeptiert hätten, entgegengekommen waren. Franz Stephan hatte sich zu einem Zeitpunkt für sie entschieden, zu dem sowohl ihr Erbe als auch seine Zukunft als Kaiser absolut ungewiss waren. Auch wenn es eine politisch motivierte Heirat war, blieb dieser 12. Februar für Maria Theresia der glücklichste Tag ihres Lebens – wie sie viele Jahre später beim Tod ihres geliebten Ehemanns in vielen Briefen schreiben sollte.

Maria Theresia

Подняться наверх