Читать книгу Pin ins Herz - Katrin Wiedmaier - Страница 8
ОглавлениеKapitel 5
Ich bin in meine Recherchen vertieft und gedanklich wähne ich mich am Strand unter Palmen. Ich spiele mit meinen Zehen im warmen Sand, lass ihn durch meine Hände rieseln. Im Hintergrund höre ich das beruhigende Rauschen der Meeresbrandung. Ein warmer Wind streift zärtlich über meine Wange und spielt sanft mit meinen Haarsträhnen. Das Läuten des Telefons holt mich jäh in die Wirklichkeit zurück.
»Hallo?«, blaffe ich gedankenlos in den Hörer.
»Hey, spreche ich mit Emmi?«, ein verlegenes Räuspern, die Stimme kommt mir nicht bekannt vor.
»Ja, genau«, erwidere ich verwundert.
»Hallo Emmi, ich dachte, ich meld mich mal bei dir. Wie geht’s dir? Bist du noch gut nach Hause gekommen?«
Fieberhaft überlege ich, wer mich da anscheinend kennt. Und bin ich von wo gut nach Hause gekommen? Auf einmal fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Das kann doch nicht wahr sein, woher hat der Typ meine Nummer? Innerlich stöhne ich auf.
»Hey Marc, richtig? Ja danke, wie du hörst, bin ich gut nach Hause gekommen. Ich kann mich gar nicht erinnern, dass ich dir meine Nummer gegeben habe.« Ich muss mich selbst beruhigen, denn das ist mal wieder so typisch für mich.
»Ok, ich wollte dich eigentlich fragen, ob du heute Abend schon was vorhast? Wir könnten etwas trinken gehen.« Kurze Stille, ich habe nicht vor, etwas darauf zu erwidern.
»Ich fand den Abend so schön und du gehst mir einfach nicht aus dem Kopf. Ich habe noch keine Frau kennengelernt, die so gut küsst wie du.« Ich höre ein unsicheres Lachen.
Puh, ich hätte es wissen müssen. Ich könnte mich wirklich in den Arsch beißen. Das hat man nun davon, wenn man einfach mal Spaß hat. Am liebsten würde ich sofort Lizzie anrufen, sie ist schließlich dafür verantwortlich. Da liegt sie mir seit Wochen in den Ohren, ich muss unbedingt mal wieder unter Leute, mich amüsieren, und dann hör ich endlich auf sie und tu genau das. Und jetzt krieg ich den Typen nicht mehr los. Das ist übrigens schon Nummer zwei in den letzten 6 Wochen. Wie wimmle ich den Typ jetzt ab? Ich fand es ja auch ganz nett, einen Abend lang zu genießen, sich begehrenswert fühlen, Komplimente einfahren und knutschen, was das Zeug hält.
»Ne sorry, das geht leider nicht. Heut Abend bin ich mit meinen Mädels verabredet. Da kann ich nicht einfach absagen.« Ich hoffe, damit hat sich das jetzt erst einmal erledigt.
»Na das ist doch auch schön. Was macht ihr denn Schönes?«
Höre ich da Spott in seiner Stimme? Na warte.
»Du, das steht noch nicht fest, das machen wir immer spontan. Wir treffen uns bei einer Freundin und irgendwann sind wir uns dann einig, was wir tun.«
So, und mehr geht ihn wirklich nichts an. Aber der Junge ist wirklich nicht leicht abzuschütteln, denn er macht einfach den nächsten Vorschlag.
»Und wie wäre es morgen zum Brunch? Ich lade dich ein, dann können wir uns mal richtig kennenlernen und nebenbei gleich Frühstück und Mittagessen erledigen.« Hoffnungsvoll setzt er noch hinzu: »Komm schon, da kannst du fast nicht Nein sagen, das ist doch echt harmlos.«
Herrje, damit mag er ja recht haben, aber ich möchte mich nicht mit ihm treffen. Nicht zum Brunch und nicht abends und überhaupt nicht mehr, nirgends.
»Nein, das geht nicht. Erstens weiß ich gar nicht, wann ich nach Hause komme und morgen bin ich bei meiner Mutter zum Essen.« Ich kann meinen Unmut langsam nicht mehr verbergen, möchte ihn aber nicht anschnauzen, das hat der arme Kerl einfach nicht verdient. Wo bleibt meine Schlagfertigkeit, herrje. »Weißt du was, jetzt lassen wir erst mal das Wochenende vorbeigehen und im Laufe der nächsten Woche kannst du dich ja wieder melden. Also eher so Richtung Freitag, ich bin unter der Woche nicht oft zu Hause.« Man, jetzt muss ich auch noch lügen. Warum kann ich nicht einfach sagen, dass ich es zwar auch toll fand, aber nie damit bezweckt hatte, ihn gleich zu daten. Wieder fällt mir Liz ein. Echt komisch, bei ihr funktioniert das immer. Sie hat Spaß, knutscht mit den Typen rum, lässt sich einladen und kann den Abend auch noch danach genießen, denn die Typen melden sich nie wieder bei ihr und umgekehrt genauso. Warum also ist das bei mir nicht so? Warum wollen mir die Typen immer gleich einen Heiratsantrag machen? Ich finde das so unangenehm und beschließe hier und jetzt, das nie wieder zu tun. Lieber sitze ich gelangweilt vor der Glotze und heul mir bei Armageddon die Augen aus dem Kopf, als jedes Mal in so eine unangenehme Situation zu kommen und die Typen abwimmeln zu müssen. Wenn ich doch wenigstens nicht jedes Mal Mitleid mit ihnen hätte. Zum Glück ist der Typ nicht ganz schwer von Begriff und stimmt meinem Vorschlag halbherzig zu. Wir wünschen uns ein schönes Wochenende und dann kann ich endlich auflegen. Man, man, das ist doch wirklich nicht zu fassen. Da macht der Typ sich wirklich die Mühe, meine Nummer ausfindig zu machen, nachdem ich ihn am Vorabend schon habe abblitzen lassen, als er meine Handynummer wollte. Ich muss meinem Unmut jetzt Luft machen, und wer würde sich da besser eignen als die Dame, die mit Schuld hat an diesem Schlamassel? Nach dem dritten Tuten geht sie ran. «Hey Süße, was gibt’s? Du ich habe nicht viel Zeit, ich bin auf dem Sprung zum Friseur. Ist doch heute mal wieder soweit. Ich kann mich aber echt nicht entscheiden, ob ich mal eine andere Frisur machen lasse. Du kennst doch meine doofen Haare. Da geh ich mit einem Bild rein und sag, genauso will ich aussehen, und raus komm ich mit einem Wischmopp à la Whitney Houston zu ihren schlechten Zeiten.» «Liiiiiizzzzziiiiiiiiie, kannst du jetzt mal bitte Luft holen und mich auch sprechen lassen, ja?» Ich bin echt etwas verstimmt und wünsche mir nur einmal, dass sie nicht pausenlos drauflos quatscht. «Ich bin echt sauer auf dich, nur damit du Bescheid weißt.» Ich schmolle leise vor mich hin. «Auf mich? Warum? Was habe ich denn getan? Habe ich was verpasst?», kommt die verwunderte Stimme aus dem Hörer. «Nein Schätzchen, du hast nichts verpasst, aber rate mal, wer mich soeben angerufen hat. Und nach einem Date gefragt hat. Und dabei ziemlich penetrant war. Und der im Übrigen findet, dass ich toll küssen kann.» Sie kann es nicht lassen, sie kann sich das Lachen nicht verkneifen und prustet, für mich völlig unverständlich, los. Noch bevor ich mit ihr schimpfen kann, fängt sie sich. Ihr mitleidig-amüsierter Tonfall nervt mich echt. «Oh je, ach nein, nicht schon wieder. Das tut mir echt leid. Ich meine, langsam frag ich mich, was du mit den Typen machst. Das ist schon Nummer Zwei, der dich heiraten will», ihr Lachen wird leiser. «Warum passiert mir das nie? Die Typen wollen meine Nummer nicht, manche nicht einmal meinen Namen.» «Darf ich dich daran erinnern, dass ich dem Typen, er heißt übrigens Mark, meine Nummer gar nicht gegeben habe gestern? Er hat mich auf dem Festnetz angerufen, auf dem Festnetz! Also muss er irgendwie meinen Nachnamen rausgekriegt haben und hat dann im Örtlichen geschaut.» Meiner Empörung Luft zu machen, tut gut. «Und warum genau bist du jetzt sauer auf mich? Ich habe dem Typen bestimmt nicht deine Nummer gegeben oder ihm gesagt wie du heißt.» Liz ist beleidigt, aber das ist mir egal. «Na so einfach ist das nicht, meine Liebe», erwidere ich, eine extra Spur Groll in die Stimme legend. «Wer liegt mir denn ständig in den Ohren, ich müsste mich ablenken, ich müsste unter Leute und mich amüsieren usw. Und ich sag dir jedes Mal, dass ich das nicht möchte. Und wenn ich dann doch nachgebe, dann habe ich den Kerl aber sowas von an der Backe.» Puh, jetzt geht’s mir besser. «Und jetzt schwing gefälligst deinen Arsch hier her und hilf mir, einen Plan zurechtzulegen, mit dem ich diesen Typ loswerde. Und zwar ohne dass ich ihn großartig verletze, oder gar beleidige.» «Ich kann ja verstehen, dass dich das nervt, ehrlich. Aber warum sagst du das nicht einfach am Telefon? Du hättest doch einfach nur zu sagen brauchen, dass es für dich auch schön war, du aber kein Interesse an einer Beziehung hast, von mir aus, weil du gerade eine hinter dir hast.» Oh man Liz, ich hasse dich. Ich hasse es, wenn sie recht hat, aber das nützt mir jetzt auch nichts mehr. «Weil ich nicht so schlagfertig und abgebrüht bin wie du, meine Liebe», hört sich ernster an, als ich es wirklich meine. Ich schlage einen versöhnlichen Tonfall an. «Also du Nuss, kannst du jetzt nicht einfach mal Mitleid mit mir haben, dich ins Auto setzen und einfach zu mir kommen?» «Schätzelein», hör ich sie zwitschern, «ich hatte sowieso vor, heut Abend zu dir zu kommen, wie du weißt, haben wir etwas vor. Also wirst du dich jetzt noch etwas gedulden müssen. Trink einen starken Kaffee oder von mir aus auch einen Schnaps und beruhig dich mal.» «Ok, ist ja gut, ich habe es kapiert. Also dann bis Später. Übrigens, ICH habe dich auch lieb.»
Samstagabend, Lizzie steht vor meiner Wohnungstür, als ich gerade aus der Dusche komme. Eine Flasche Rotwein und zwei Pizzen unterm Arm läuft sie an mir vorbei in die Küche und lädt ihre Mitbringsel geräuschvoll auf dem Tisch ab. Super, zur Abwechslung mal Pizza, wie ich mich freue.
«Wie’s aussieht, hast du dich wieder beruhigt. Das freut mich.» Sie schaut sich verwundert um.
«Sag mal, hast du aufgeräumt? Oder bist du schon am Packen? Irgendwie sieht es hier anders aus als sonst.» Insgeheim freue ich mich, dass sie es bemerkt, immerhin habe ich einen ganzen Tag lang gewütet, «hm ja, Freitag hatte ich das Bedürfnis, auszumisten. Ist das wirklich so offensichtlich?»
Sie legt einen beschwichtigenden Ton an den Tag.
«Na ja, ja, nein, bei dir ist es immer ordentlich, nur heute ist es eben noch ordentlicher als sonst.» Sie stellt sich vor mich und hebt lehrerhaft den Zeigefinger. «Und heute wird nicht mehr aufgeräumt. Wir machen uns heute einen schönen Abend auf dem Balkon, lästern über die Nachbarschaft und schmieden Pläne. So eine Auswanderung will gut geplant sein. Du brauchst unbedingt eine Liste», sie schenkt mir ein herzliches Lächeln. Und ich höre mal wieder nur ein Wort: Liste. Liste? Mein Herz schlägt schneller, ich liebe Listen. Nicht so sehr, um sie wirklich Punkt für Punkt abzuarbeiten, allein das Erstellen verschafft mir immer eine immense Befriedigung. Das gibt mir das Gefühl, alles im Griff zu haben, ein gewisses Gefühl von Kontrolle. Nein, ich bin kein Kontrollfreak. Na ja, vielleicht ein bisschen, vor allem, wenn nichts, aber auch gar nichts nach Plan läuft, wenn mein Leben zum Beispiel aus den Fugen gerät, so wie es eben gerade ist. Wenig später sitzen wir mit unserer im Backofen aufgewärmten Fertigpizza und einem Glas Rotwein auf dem Balkon und lassen es uns erst einmal schmecken.
«Süße, mal ehrlich, findest du es nicht auch etwas kühl hier draußen?» Lizzie täuscht ein übertriebenes Bibbern an.
«Ja, du hast recht, für einen längeren Aufenthalt im Freien ist es definitiv noch zu kalt, vor allem für so zart besaitete Mäuschen wie dich.» Ich kann mir ein belustigtes Grinsen nicht verkneifen.
Wenig später haben nicht nur Block und Stifte, sondern auch wir die Couch belagert. Es ist eine Sache, über alles Mögliche eine Liste anzufertigen, aber über mein zukünftiges Leben? Ich schlage mehrmals ganz schnell die Handflächen aneinander. Ist das aufregend.
«Du musst unbedingt einen gescheiten Fotoapparat mitnehmen, mit deiner Handycam kannst du unmöglich die Schönheit von Sonnenuntergängen einfangen. Und deinen Laptop, Blöcke, Stifte.»
Ich unterbreche sie etwas genervt und rolle mit den Augen.
«Klar, das ist ja auch wichtiger als erst mal zu wissen, wo ich leben werde.»
«Jetzt sei doch nicht so spießig, diese Dinge sind halt einfacher zu notieren, weil wir nicht groß recherchieren müssen. Wir haben doch gerade erst angefangen», sie hebt beschwichtigend die Hände.
Ich kann nicht anders, mein Mund verzieht sich langsam aber unaufhörlich zu einem breiten Grinsen, dann erzähle ich ihr von dem Gespräch mit meiner Mutter.
«Das ist jetzt nicht dein Ernst, du verarschst mich doch gerade.» Ungläubig stiert sie mich an.
«Ihr habet beide die gleiche Region in Spanien ausgesucht? Und wenn alles klappt, hast du da sogar schon eine Wohnung?» Lizzie ist pragmatisch wie immer und ihr Kommentar hat etwas Lehrerhaftes an sich.
«Ja meine Liebe, und damit hast du jetzt definitiv keine Ausreden mehr, warum dein Abenteuer nicht starten sollte», sprachs und klatscht in die Hände, dass mir fast der Stift aus der Hand fällt. Später am Abend, der Inhalt der Weinflasche neigt sich dem Ende zu, halte ich meine Liste in der Hand, die wirklich alles enthält, was ich zum Leben brauchen würde, ok, und auch, was nicht.
«So meine Liebe», ihr Weinglas in der Hand haltend und zufrieden mit der Welt, dreht Lizzie sich zu mir um. «Das war doch jetzt mal ein Anfang und darauf sollten wir anstoßen.»
Es dauert vermutlich nur den Bruchteil einer Sekunde, jedenfalls sitzen wir auf der Couch und singen im Chor die Sonne scheint bei Tag und Nacht, Eviva España ... und wir lassen uns lachend in die Kissen fallen. Als ich meine Freundin so unbeschwert lachen sehe, beschleicht mich ein mulmiges Gefühl. Sie wird mir fehlen, schrecklich fehlen. Aber es ist jetzt einfach der Zeitpunkt gekommen, meinen Weg ein Stück alleine zu gehen. Ich verspreche mir davon natürlich nicht nur Spaß und Abenteuer, Sozialkompetenz, Futter für mein Selbstbewusstsein, Dinge die ich nur lernen kann, wenn ich auf mich alleine gestellt bin. Ich hoffe schon auf nette Leute, vielleicht in meinem Alter, mit denen ich ab und zu abhängen kann. Und genau das ist es, was mir momentan ein bisschen Angst macht. Hier ist immer jemand greifbar. Ängstlich richte ich mich an Lizzie, meine Denkerfalten sind dabei sehr ausgeprägt. «Was ist, wenn es mir schlecht geht und du gerade bei der Arbeit bist und keine Zeit hast?» Nur mühsam kann ich verhindern, dass meine Stimme kippt, ich bin nah am Wasser gebaut. «Mit wem soll ich reden, wer nimmt mich in den Arm? Wer steht vor meiner Tür und sorgt dafür, dass ich nicht verhungere? Wenn mein neues Zuhause eine Tür hat», meine Stimme klingt kläglich. Ich hör mich schon an wie Lizzie, rede ohne Punkt und Komma. Sie schaut mich ganz ernst an, ihr Mund verzieht sich langsam zu einem Lächeln. «Ich werde dich auch schrecklich vermissen, du Nuss, aber unsere Freundschaft hilft uns dabei. Das Wissen, dass wir einander haben. Wir sind halt nicht mehr so flexibel, aber das kriegen wir schon hin, komm», knufft sie mich liebevoll in die Seite, hält ihr Glas zum Anstoßen vor meine Nase und verkündet feierlich «du kleine Drama Queen, auf eine geile Zeit in einem geilen Land.» «Ok», sage ich, zwar nicht restlos überzeugt, aber immerhin etwas Besänftigter, «ich schaffe das.»
Morgens, noch nicht einmal richtig wach, setzt sich Lizzie im Bett auf und sprudelt schon wieder los. «Stell dir mal vor wie toll das wird, du wachst morgens auf und riechst diese typisch mediterrane Luft. Sonne, Meer, Salz ... Steh auf du Schlafmütze, jetzt schauen wir uns mal dieses Empuriabrava näher an. Wo liegt das denn genau? Was ist die nächst größere Stadt? Kennt man das? Oder ist das so ne Art Fischerdorf ähnlich wie unser Dorf?», und dabei lacht sie spöttisch.
Ich mag unser Dorf, ich finde es toll, dass jeder jeden kennt, dass man sich auf der Straße grüßt, manchmal ein kurzes Schwätzchen hält. Klar, mich zieht es ja jetzt weg von hier, aber ich konnte mich schon immer besser mit unserem Dorf anfreunden als sie. Lizzie würde viel lieber in einer Großstadt leben, am besten in einer Altbauwohnung mit echtem Dielenboden und Stuck an den Decken im dritten Stock. Vielleicht würde sich für sie auch irgendwann eine Chance ergeben, ihren eigentlichen Traum zu leben. Befreundet sein konnten wir schließlich auch, wenn wir nicht im gleichen Ort wohnten, und bald nicht einmal mehr im gleichen Land. Ich zeige Lizzie, was ich bisher über diese Region Spaniens zusammengetragen habe.
«Dali Museum, cool, da gehe ich dann mit, wenn ich dich besuchen komme. Ansonsten ist die Gegend ja überschaubar, schau dir mal die vielen Flüsse an, die ganze Stadt besteht nur aus Flüssen, das sieht richtig cool aus. Meer, Strand, Sonne, ihr Blick die Sonne scheint bei Tag und Nacht, Eviva España, trällern wir schon wieder los. «Barcelona in circa 150 Kilometern Entfernung, ein wenig Kultur muss schließlich auch mit auf dein Programm.» Sie schaut von ihrem Aufschrieb hoch.
«Weißt du, dass ich langsam echt etwas neidisch werde? Ich meine, du gehst hier nicht nach Sibirien oder so, sondern in den Süden, in dem es auch noch hübsche Männer gibt», sie zwinkert mir zu.
«Ja klar», wiegle ich ab, das ist so ziemlich das Letzte, an was ich denken möchte, ich habe genug von Männern. Ich habe mir hier das Herz brechen lassen, habe ständig einen an der Backe, dem ich nur mal eben mit einem Auge zuzwinkere. Wie hoch schätzt du also die Wahrscheinlichkeit ein, dass ich scharf darauf bin, das in Spanien zu erleben?», schleudere ich ihr eine Spur zu energisch um die Ohren.
«Und jetzt würde ich gerne das Thema wechseln, wenn es dir nichts ausmacht.»
Ein bisschen schuldbewusst schaue ich meine Freundin an, jetzt war das doch schon so lange her, warum reagiere ich auf das Thema Männer immer noch so emotional? Es ist höchste Zeit, einen dicken, fetten Schlussstrich unter die Geschichte zu ziehen und Spanien würde mir dabei helfen, so oder so. Nach dem Frühstück räume ich die Unterlagen zusammen, die wir über den ganzen Tisch verstreut haben und bin schon etwas Versöhnlicher.
«So, und Montag geh ich mir gleich mal einen neuen Bikini kaufen und Flip-Flops brauche ich auch noch.»
Damit war das Thema Männer definitiv beendet. Spät abends verabschiedet Lizzie sich und ich schlafe irgendwann vor dem Fernseher ein. In dieser Nacht träume ich von Spanien.
Die Tage plätschern so dahin, und auch wenn es sich am Anfang wie Urlaub anfühlt, stellt sich nach geraumer Zeit doch ein Gefühl des Verlustes bei mir ein. Alle haben ihren Alltag, tagsüber ist so gut wie niemand greifbar, da ja alle auf der Arbeit sind. Ich hatte ein langes Gespräch mit Silvia aus Barcelona. Obwohl ich sie nicht persönlich kenne, ist mir ihre Stimme auf Anhieb sympathisch. Ich bekomme viele Hinweise und Tipps, sie schafft es, meine Bedenken zu zerstreuen und langsam aber sicher packt mich die Vorfreude. Immerhin habe ich mich jetzt bereits mit ihrer Hilfe zu einem Spanischkurs angemeldet. Sie meint, ich solle auch unbedingt eine der zahlreich angebotenen Sportarten lernen, Surfen, Kiten, Radfahren. Mein Bike würde also mit nach Spanien kommen, und trotzdem würde ich mich wohl erst einmal mit einer regelmäßigen Joggingrunde beschäftigen. Wie es dann weitergeht, würde sich zeigen, wenn ich vor Ort bin. Und sie möchte es sich natürlich nicht nehmen lassen, mir ihr Barcelona zu zeigen inklusive Abendessen im Kreise ihrer spanischen Familie. Nach diesem Telefonat hat die Reise etwas von dem Gefühl der Fremde verloren. Ich kenne ja jetzt immerhin schon eine Person, die dazu nicht nur perfekt deutsch spricht, sondern Spanierin ist. Das Arrangement mit ihrem Haus in Empuriabrava nehme ich dankbar an, jedoch nicht, ohne anfängliches Zögern, das erst verschwindet, als sie mir mitteilt, dass das Finanzielle bereits mit meiner Mutter geklärt ist.