Читать книгу Pfaeux - K.C. Zwilling - Страница 4
Prolog
ОглавлениеDas Herz der Frau schlug rasend schnell, es hämmerte geradezu in ihrer Brust, während sie durch die Dunkelheit rannte. Immer schneller und schneller, vorbei an den kalten Steinfelsen. Links, rechts, links. Ihre Muskeln brannten und waren kurz davor ihren Dienst zu verweigern, doch das ließ die Frau nicht zu. Sie ignorierte das schreckliche Seitenstechen und zwang sich noch schneller zu laufen.
Die dünnen, ausgezehrten Arme hatte sie wie einen menschlichen Schutzschild um etwas gelegt, das sie fest an sich drückte. Es war wehrlos, klein und viel zu schwach, um ohne ihre Körperwärme lange zu überleben. Dennoch war es das Wertvollste, was die Frau jemals berührt hatte. Dieses kleine Wesen war der Grund, weshalb sie ihren Lebensmut noch nicht verloren hatte, obwohl sie jedes Recht dazu gehabt hätte.
Ihre Schritte hallten laut an dem nackten Stein wieder, jedoch war es nicht das einzige Geräusch. Da waren noch andere Schritte. Und ihr Rhythmus wurde schneller. Jemand war ihr auf den Fersen, jemand, der schneller war als sie. Die Frau versuchte ihr Tempo erneut zu steigern, doch bei diesem Versuch kam sie ins Stolpern, konnte sich aber gerade noch halten. Sie durfte jetzt keine Fehler machen. Sie war fast da. Nur noch wenige Schritte. Endlich. Mit einem gewaltigen Laut explodierte die Felswand vor ihr. Goldene Funken vermischten sich mit schwarzem Staub und sogleich wurde das Innere des Berges mit Sonnenlicht der gerade aufgehenden Sonne geflutet. Der Mund der Frau klappte auf vor Staunen und Tränen stiegen ihr in die Augen. Zum ersten Mal seit über zehn Jahren sah sie Tageslicht. Die Strahlen der Morgensonne wärmten ihre kalte, blasse Haut. Sie hatte fast schon vergessen, wie sich die Wärme der Sonnenstrahlen anfühlte.
Doch diese Sekunden puren Glücks währten nur kurz. Ihr Verfolger hatte sie erreicht und warf sie zu Boden. Innerlich verfluchte sich die Frau, dass sie gezögert hatte, wenn jetzt alles umsonst war, war es mehr als unverzeihlich. Ihr Verfolger war ein Mann. Er war ebenfalls so blass wie die Frau und die Haut seiner Hand, die ihr jetzt die Kehle zudrückte, war noch kälter als ihre. Sie japste nach Luft und zog instinktiv ihre überkreuzten Arme von ihrer Brust weg, um sich von seinem Würgegriff zu befreien. Aber als sie dies tat, verlor das kleine Wesen seinen Schutz.
Es handelte sich um einen gräulichen Vogel, kaum größer als ein Küken, dessen Federn noch durchnässt vom Fruchtwasser waren. Wahrscheinlich war er erst wenige Minuten alt. Doch aus der Dunkelheit des Berges kam noch jemand. Es war kaum mehr als ein Schatten. Eine transparente Hand legte sich auf den Vogel und dieser begann in einer rasenden Geschwindigkeit zu wachsen. Er wurde immer größer und größer, sein grauer Federflaum fiel aus und wurde durch goldene Federn, lilafarbene und Pfauenfedern ersetzt. Jedoch hielt diese imposante Erscheinung nicht lange an. Die Federn zerknitterten und ihre Farben verloren an Glanz. Es war, als würde der Vogel sein Leben in Zeitraffer erleben. Der Mann, der immer noch den Hals der Frau fest umklammerte, sah durch seine blutroten Augen, wie sich der Schatten des Vogels an der Bergwand zu materialisieren schien. Mit jeder Sekunde, in der der echte Vogel alterte, wurde sein Schatten dreidimensionaler. Jedoch wandte der Mann den Blick von diesem grausamen Schauspiel ab und betrachtete die Frau, die er gerade umbrachte. Was für eine Verschwendung! Sie hatte Augen, die aus purem Gold gemacht zu seien schienen, und ebenso goldene Haare, die in wilden Locken ihr Gesicht umspielten. Ihre Gesichtszüge waren sehr symmetrisch und gut definiert, dazu kamen noch ihre vollen, herzförmigen Lippen.
Auf den zweiten Blick bemerkte er aber, dass diese rissig und aufgeplatzt waren. Tiefe dunkle Augenringe lenkten von ihrer goldenen Iris ab und ihre Locken waren spröde und hingen bei genauerem Hinsehen eher schlaff herunter. Auch war sie so mager, dass ihre Wangen ganz eingefallen waren. Der Mann malte sich aus, wie hübsch sie einst gewesen sein musste. Früher war sie sicher eine Schönheit gewesen, die alle Leute mit ihrem bloßen Aussehen schon verzaubert hatte.
Die Frau nutzte seinen Moment der Unaufmerksamkeit. Sie rammte ihr Knie mit voller Wucht in den Bauch des Mannes. Er stöhnte auf vor Schmerz und ließ ihren Hals los. Endlich konnte die Frau wieder Luft holen, trotzdem verschwendete sie keine Zeit, entzog den Vogel dem Griff der transparenten Hand, rappelte sich ein letztes Mal hoch und sprintete los, während sie dem Vogel eindringlich leise Worte zuflüsterte.
»Enttäusch mich nicht!«, sagte sie schließlich schluchzend. Durch seine lilafarbenen Augen warf der Vogel der Frau einen Blick zu, den man beruhigend nennen könnte. Ganz so, als hätte er verstanden, was sie von ihm wollte. Das Letzte, was sie sah, war die Silhouette des Vogels, der zwar uralt aussah, aber zum ersten Mal in seinem Leben flog. Er verschwand am Horizont, an dem gerade die Sonne aufging. Der Himmel war nicht blau, sondern in Orange-, Rosa-, und Rottöne getaucht. Es war wunderschön.
Der rotäugige Mann beobachtete, sich immer noch den schmerzenden Bauch haltend, wie der dreidimensionale Schatten des Vogels an der Steinwand zerfiel.
»Bring ihn mir!«, befahl eine wütende Stimme aus der Dunkelheit, die wohl dem Besitzer der durchsichtigen Hand gehörte. »Und töte sie.«, fügte die Stimme emotionslos hinzu. Der Mann streckte seine Hand aus, zielte auf ihren Rücken und ein blutroter Funkenstrahl vermischte sich mit dem Rot des Himmels. Doch die Frau sah ihn weder kommen, noch hätte sie sich nach ihm umgedreht, wenn sie ihn bemerkt hätte. Ihr steinernes Gefängnis hinter ihr hatte sie für diesen Moment vergessen sowie den Mann. Sie hatte nur Augen für das Schauspiel, was sich am Himmel für sie bot. Der neue Tag begrüßte die Welt mit den schönsten Farben und der Wärme des Sonnenlichts. Es war wie das Abbild der Hoffnung, und diese Hoffnung erfüllte die Frau bis in jede einzelne Pore ihres Körpers. Nun war es nicht mehr aussichtslos. Ihre Hoffnung flog schon weit, weit weg über die Berge. Bei diesem Gedanken musste sie lächeln. Es war noch nicht vorbei. Und so starb sie. Lächelnd, während die Morgenröte den Himmel ausfüllte.