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Der Zustand der vollkommenen inneren Ruhe

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Beim Karate-Training entwickelt man sich physisch, kampftechnisch und psychisch. Da diese drei Aspekte der Ausbildung in den Kata miteinander verknüpft sind, entwickelt man sich mit dem Katatraining selbstverständlich auch in dieser dreifachen Hinsicht. Solch eine Entwicklung ist ein Vergnügen, und zwar eines, das niemals enden muß.

In der Edo-Zeit (17.-19. Jh.) wurden die Samurai des Fürstentums Nabeshima im heutigen Saga auf der Insel Kyūshū auf der Grundlage des Hagakure12 ausgebildet, eines berühmt gewordenen Moral- oder Verhaltenscodex. Das erste, was ein Samurai zu beherzigen hatte, bezog sich auf seine Einstellung zum Älterwerden. Diese erste Lehre besagte, daß das Üben niemals endet. Wie gut man auch sein mag, es gibt keinen Grund zum Dünkel. Wie hoch man auch in der Hierarchie steigen mag, das Lernen hat kein Ende. Ein wirklicher Meister folgt seinem Weg ohne Ende und versucht Tag für Tag, sein ganzes Leben lang, sich zu verbessern.13

Wer nur übt, um gegen andere zu gewinnen oder besser zu sein als andere, der übt sozusagen auch für andere. Das ist nicht der wahre Weg. Wenn man jedoch Freude daran empfindet, Karate für sich selbst zu meistern, wenn man gar nicht mehr damit aufhören kann, was auch immer die anderen dazu sagen mögen, dann kann man Karate als Weg ohne Ende erleben.

Über einen solchen Zustand der Versenkung, der vollkommenen Konzentration und inneren Ruhe, zanmai,14 hat mein Vater einmal folgende Zeile geschrieben: »Ich genieße es, wenn der Geist sich leert beim Rudern zur Insel des bu«.15

Im Japanischen gibt es das Wort gunshū, das in etwa bedeutet: »Lernen durch Geruch annehmen«. Dem liegt der Gedanke zugrunde, daß sich der Geruch eines Gegenstands auf die Person überträgt, die ständig mit ihm umgeht. Wenn man regelmäßig mit Holz arbeitet, nimmt man nach und nach dessen Geruch an. Was jemand immerfort tut und denkt, wird schließlich Teil von ihm selbst, prägt seinen Charakter und im übertragenen Sinne seinen »Geruch«. Wenn mein Vater als Polizist auf Okinawa die hier und da zurückgezogen lebenden Karate-Meister besuchte, oder wenn er an der Fischereischule Karate unterrichtete oder zu Karatevorführungen ging, nahm er mich immer mit und ließ mich auf seinem Schoß sitzen. Auf diese Weise habe ich zweifelsohne seinen »Geruch« angenommen.

Immer wieder sehe ich in der Erinnerung meinen Vater vor Augen, wie er mit seinen Kameraden im Licht einer nackten Glühbirne mit freiem Oberkörper trainierte, und wie sie einander dabei anfeuerten und die Welt ringsum vergaßen. Nachdem er nach Ōsaka gezogen war, wußte er nie, was der nächste Tag bringen würde. Trotzdem widmete er sich weiter ganz dem Studium des Karate, immer in Gemeinschaft mit einigen Freunden, denen er häufig auch Essen und Unterkunft bot. Seine Sorge galt auch der Pflege der tatami-Matten, die im Training schnell verschlissen. Kehrte einer seiner Schüler unversehrt aus dem Krieg zurück, war er darüber genauso glücklich, wie er es bei meiner Heimkehr aus dem Kriege war. Dieser Art ist der Geruch meines Vaters, der sich unauslöschlich an meinen Körper geheftet hat und den ich nie verlieren werde. Auch ich werde wie mein Vater den Weg des Karate gehen, der kein Ende kennt. Ich werde mein Leben lang üben, solange, wie mein Körper sich bewegt, Schritt für Schritt, Stufe für Stufe. Ich weiß nicht, wie weit ich dabei komme, ich weiß nur, daß ich gehen werde, solange ich kann. Tag für Tag besser zu werden, immer weiter voranzukommen, nur das hat Sinn und bringt Freude. Das ist es, wodurch sich das Budō-Karate auszeichnet, welches ich verbreiten möchte und das der Gegenstand dieses Buches ist.

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