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2. Dezember: Gerechtigkeit

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von Stefan Lochner

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Mit seinem Herzen war alles in Ordnung. Dünnleitner, ehemaliger Richter am Landgericht, stapfte durch einen Schneehaufen und drehte sich zu dem Mann, der Schnee schippte. „Sie dürfen den Weg nicht zuschütten. Dabei müssen mindestens anderthalb Meter freibleiben. Vermeiden Sie es, die Straße zu blockieren.“

Der Mann stützte sich auf die Schneeschippe. „Kümmern Sie sich um Ihre eigenen Angelegenheiten!“

Empört blickte Dünnleitner in den weißen Eimer, der neben dem Gartentor stand. „Sie verwenden doch nicht etwa Auftausalz? Das ist auf öffentlichen Wegen verboten! In unserer Stadt ist das eine Ordnungswidrigkeit, die bis zu zweitausend Euro kostet.“

Bevor der entsetzte junge Mann reagieren konnte, stapfte Dünnleitner weiter. Dank der positiven Reaktion des Arztes war er so gut gelaunt, dass er bei dem Übeltäter Gnade vor Recht ergehen ließ und von einer Anzeige absah.

„Hallo, der Herr, wollen Sie für die Flüchtlinge in unserer Stadt spenden?“

Zwei Mädchen, mitten im grässlichen Teenageralter, besaßen die Frechheit, ihn anzusprechen. Es war nicht mehr weit zu seinem kleinen Häuschen, und Dünnleitner mochte es nicht, wenn ihn jemand belästigte. „Wer hat euch denn geschickt?“

Die lange Blonde mit einem Smartphone im Wert eines Kleinwagens, kaute auf ihrem Kaugummi herum. „Unsere Lehrerin, Frau Gruber.“

Natürlich wieder mal diese politischen Bazillen. „Sie ist sich sicherlich der Tatsache bewusst, dass die Versorgung der Flüchtlinge Milliarden kostet.“

Die Mädchen starrten ihm in die Augen, er setzte seinen strengen Richterblick auf, zuckten zusammen, drehten sich um und hasteten davon. Dünnleitner bemühte sich, nicht zu lachen und erreichte nach wenigen Metern sein Häuschen. Auch diese Gefahr war überwunden. Bei jungen Frauen konnte er schwach werden und seine hart ersparten Cents vergeuden.

Gleich hinter der Eingangstür hängte er den Mantel an den Haken, klopfte sich den Schnee von den Hosenbeinen, zog die Schuhe aus und stellte sie auf eine alte Zeitung. Während sich dort feuchte Flecken ausbreiteten, schlüpfte er in seine Pantoffeln und betrat das Wohnzimmer. Mit der Wärme kamen seine Kräfte zurück. Einen Winter brauchte er nicht, dieses Weihnachtsfest mit all den Lichtern, dem Glühwein und der unmelodischen Musik noch weniger. Die Bettelbriefe und anrührenden Geschichten in der Zeitung regten ihn auf.

Vielleicht war es eine gute Idee, über die graue Jahreszeit in wärmere Gefilde zu fliehen. Genügend Pension hatte er sich schließlich in all den Jahren im Staatsdienst hart erarbeitet. Jetzt durfte er sich auch mal etwas gönnen. Den entfernten Verwandten wollte Dünnleitner nichts hinterlassen, die hatten sich nicht um ihn gekümmert. Aber wohin? Die Kanaren boten sich an, die Flüge dauerten nicht zu lange und dort entspannten sich viele andere Rentner. Da fielen seine rudimentären Spanischkenntnisse nicht auf. Gerade Teneriffa eignete sich da wohl besonders. Er betrachtete die Angebote im Internet. Sie hörten sich durchaus machbar an. Auch wenn es etwas teurer war, entschied er sich für einen großen Veranstalter.

Lange studierte er die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, amüsierte sich über die Passagen, die vor keinem Gericht Bestand haben würden und bestätigte die Buchung. So war dieses Internet gar nicht schlecht. Man brauchte sich nicht von schleimigen Mitarbeitern eines Reisebüros zuquatschen lassen, die ihren Kunden doch nur die Reisen andrehten, die ihnen die höchsten Provisionen versprachen. Vor allem gab es dort kein besinnliches Weihnachten, sondern Sonne!

Diesen Entschluss wollte er begießen, trat zur Schrankwand und senkte die Klappe des Barfaches. Ein Licht sprang an, die Flaschen mit dem Hochprozentigen leuchteten auf. Dünnleitner griff nach dem Cognac, der an seinem letzten Arbeitstag auf seinem Schreibtisch gestanden hatte und schenkte sich ein Glas ein. Die mittelbraune Flüssigkeit roch verführerisch. Rasch verschloss er die Klappe und setzte sich in den bequemen Sessel. Wie immer brannte der erste Schluck im Mund, bevor er in den Rachen hinunterlief. Der Alkohol erwärmte ihn so angenehm, bis Dünnleitner sich flau im Magen fühlte. Als das Glas leer war, drehte sich die Zimmerdecke, die Lampen tanzten Walzer. Um sich zu beruhigen, legte er seinen Kopf zur Seite, der Schlaf übermannte ihn beinahe sofort.

Plötzlich schreckte er hoch und blickte sich verwirrt um. Die Haustür stand offen und zwei schwer bewaffnete Polizisten stürmten herein. „Johannes Dünnleitner?“

Bevor er aufstehen konnte, zogen ihn die Männer vom Sessel, warfen ihn hart auf den Teppich und drehten die Arme auf den Rücken, sodass ihn der Schmerz übermannte. Die Handschellen klickten blechern.

„Was wollen Sie von mir?“

Brutal rissen sie ihn an seinem linken Arm nach oben, bis er stand.

„Schnauze. Herr Dünnleitner, Sie sind angeklagt, gegen die Menschlichkeit verstoßen zu haben.“

Ein hagerer Polizist mit einer Narbe auf der linken Wange schubste ihn nach draußen. „Keine Sorge, Sie erhalten ein ordentliches Verfahren.“

„Das ist in Deutschland auch mein gutes Recht!“

Ohne weitere Worte zu verlieren, stapften die beiden Polizisten mit ihm in den Schnee hinaus, der kalte Wind hatte sich verzogen, Dünnleitner spürte keine Kälte mehr. Ausgestorben lag die Straße vor ihm, der Schnee funkelte in einem bläulichen Licht. Vom Weihnachtsmarkt herüber leuchteten nur noch fahle Lampen, er war schon lange geschlossen.

Unsicher stolperte er über eine Schneewehe in eine Seitengasse, die er in seinem Leben nie gegangen war, denn sie führte in das Hochhausviertel, wo das Prekariat hauste. Mit den Bewohnern hatte er nur geschäftlich zu tun, und schon das war ihm zu viel.

„Wohin gehen wir?“

Die Polizisten trieben ihn stumm in ein schmales Tal, das ein Bach in die Landschaft eingegraben hatte. Immer wieder versank Dünnleitner im tiefen Schnee, bis der Weg auf einer Lichtung endete. Völlig schneefrei erhob sich ein antikes Amphitheater, das der ehemalige Richter noch nie gesehen hatte. Wohin zum Teufel schleppten ihn die Polizisten? Vorne, auf der ehemaligen Bühne standen Holzbänke. Auf die vorderste stießen ihn die Polizisten.

„He! Nicht so grob!“

Die Uniformierten verschränkten die Arme und trugen, trotz der nächtlichen Stunde, peinliche Sonnenbrillen. Das war eine Satire, auch wenn etwas an ihren Bewegungen nicht dazu passte.

Vor Dünnleitner erhob sich ein riesiger Tisch aus Eiche. Dahinter thronte ein Mann in schwarzer Robe und mit einem finsteren Gesicht, den er noch nie gesehen hatte. Dabei kannte er doch alle Richter am Landgericht.

„Stehen Sie auf!“

Was wollte der eigentlich von ihm? Jetzt wurde es dem ehemaligen Richter zu viel.

„Beenden Sie sofort das blöde Spiel.“

Die Polizisten waren verschwunden, als hätten sie nie existiert. Dünnleitner hatte keine Schritte gehört, im Schnee zeigten sich keinerlei Spuren.

„Stehen Sie bitte auf, Herr Dünnleitner.“

Die Stimme schnitt so kalt wie der Wind. Als sich der Angeklagte langsam erhob, rief der Richter. „Das geht auch schneller. Ich verurteile Sie zu einer Strafe von tausend Euro wegen Verhöhnung des Gerichts.“

Bevor der ehemalige Richter Einspruch erheben konnte, sprach sein Gegner weiter. „Sie sind Johannes Dünnleitner?“

„Ja, ich war Richter am Landgericht.“

„Dazu kommen wir später. Bitte unterbrechen Sie mich nicht. Sie sollten doch die Gepflogenheiten vor Gericht kennen.“

Die laute Stimme verursachte ihm einen kalten Schauer.

„Sie haben das Recht auf einen Anwalt.“

Der Richter deutete auf eine weibliche Gestalt. Dünnleitner winkte ab. „Ich verzichte. Diese Anklage ist nur ein schlechter Witz.“

Der Himmel verdüsterte sich, nahezu unsichtbare Lampen erhellten den Gerichtssaal.

„Wie Sie meinen.“

Nun glich alles einem billigen Schauspiel. Nur, wer konnte ihm das antun? Vielleicht war es die Rache eines Verbrechers. Genügend dieser Sorte hatten ihm ja schon den Leibhaftigen auf den Leib gewünscht. Es wurde Zeit, dieser Posse ein Ende zu bereiten. „Wo ist die versteckte Kamera?“

Der Richter schüttelte den Kopf, das Gesicht blieb im Schatten, er senkte die Lautstärke. „Das ist hier kein Spaß. Hätten wir Sie denn sonst hierhergebracht?“

„Quatsch, das ist ausgemachter Blödsinn. Sie sind Schauspieler und das hier ist die Bühne des Freilichttheaters.“

Ein meckerndes Lachen tanzte durch die Luft.

„Tut mir leid. Heute ist die magische Nacht, in denen sich das Gute und das Böse manifestieren und die Gerechtigkeit siegen wird.“

Unwirsch hob der Richter seine linke Hand. „Wir beginnen. Setzen Sie sich.“

Nun gut, Dürrleitner fügte sich.

„Frau Steffie, bitte.“

Der Angeklagte wendete seine Augen nach rechts. Eine Frau mit blauen Haaren und tiefem Ausschnitt näherte sich mit festen Schritten und trat in den Zeugenstand. Für Dürrleitner glich die Inszenierung eher einem billigen amerikanischen Film, denn einer deutschen Verhandlung.

„Kennen Sie diesen Mann?“

Die Blauhaarige nickte, ein böser Zug umspielte ihre grell rot geschminkten Lippen. Er roch förmlich ihren Hass, der aus jeder Pore trat. Auch diese Frau ähnelte mehr einer Schauspielerin, denn einer realen Person. Die Blauhaarige drehte sich zu dem Mann in der Robe. „Dieser Richter verurteilte meine Mutter Heidrun zu vier Jahren Haft, weil sie Geld unterschlagen haben soll. Dafür fehlte jedoch jeder Beweis. Die Belege waren derart an den Haaren herbeigezogen, dass sie Lügen gleichkamen.“

In Dünnleitner stieg die Erinnerung hoch. „War das nicht diese billige Schlampe, die alle Liebhaber übers Ohr haute.“

Steffie drehte sich um. „Das behaupteten Männer, die meine Mutter hassten, weil sie bei ihr nicht landen konnten. Sie hat keinen einzigen Cent unterschlagen. Im Gegenteil, sie verzichtete lieber auf Geld, als sich etwas nachsagen zu lassen.“

Dünnleitner starrte ihr ins Gesicht. Steffie hielt seinem Blick stand, nur ihre Nasenflügel blähten sich auf. „Deswegen wuchs ich bei Pflegefamilien auf und halte mich jetzt mit Modeljobs über Wasser. Es reichte nicht einmal für eine Ausbildung.“

Der ehemalige Richter konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Für deine verdorbene Mutter kann ich wirklich nichts.“

Steffie drehte sich zu dem Richter. „Haben Sie sonst noch Fragen? Die Gerichtsunterlagen mit den Zeugenaussagen haben Sie ja bereits.“

Dessen Gesicht hellte sich auf. „Zusammen mit den vertraulichen Ermittlungsakten, die im Prozess nicht zur Sprache kamen. Da Sie diese ja noch kennen, Angeklagter, muss ich sie Ihnen nicht mehr zur Ansicht geben.“

Dürrleitner stockte der Atem. Was sollte er antworten? Damals hatte er sich kaum mit der Materie vertraut gemacht. Aber war doch klar!

„Vielen Dank, Frau Steffie. Ich wünsche Ihnen alles Gute und werde Sie persönlich über den Ausgang des Verfahrens informieren.“

Sie lächelte voller Dankbarkeit, flüsterte einen Gruß und verschwand im Nichts.

Stille senkte sich über die Richtstätte, zwei Raben verfolgten einander, ihr Krächzen jagte Schauer über den Rücken des Angeklagten. Sie setzten sich auf die Rückenlehne der Bank neben ihm. Warteten diese Vögel auf seinen Tod? Sie waren Aasfresser, das wusste er. Ein Vogel hüpfte näher, die Augen leuchteten so dunkel wie ein Moor, er öffnete den Schnabel. Bevor Dünnleitner sich von dem Schrecken erholen konnte, trat die nächste Frau in den Zeugenstand. Ihre blonden Haare schienen gefärbt, das Gesicht dominierte eine dicke Nase. Sie war deutlich älter als die vorherige Zeugin und sprühte geradezu vor Hass.

„Frau Grünwald!“

Schüchtern räusperte sie sich und richtete den Blick auf den Richttisch, als wollte sie von dort Kraft schöpfen.

„Sehr geehrter Herr Richter. Vor fünf Jahren behauptete ein Mann der Security, ich hätte eine Karotte gestohlen, weil sie angebissen in meiner Einkaufstasche lag.“

„Das macht man auch nicht“, rief Dünnleitner.

„Deswegen erhielt ich im Supermarkt Hausverbot. Außer, dass ich deswegen jedes Mal einen Kilometer länger laufen musste, konnte ich das noch verschmerzen.“

Sie blickte auf ihre Fingerspitzen, vermied es jedoch, den Angeklagten anzuschauen. „Eine Woche später allerdings lief ich nahe an diesem Markt vorbei, ein Mann der Security, der eine Zigarette qualmte, erkannte mich und rief die Polizei. Vielleicht befand ich mich aus Versehen einen Meter auf deren Grundstück, aber dafür muss man nicht zweieinhalb Jahre ins Gefängnis.“

„So sind die Gesetze.“ Sie war wirklich selbst schuld. Sollte die Pute eben den Abstand einhalten.

„Quatsch“, rief die Frau. „Es gibt auch hier einen Ermessungsspielraum. Ich war nicht einmal in der Nähe des Eingangs.“

Ihre Stimme kippte ins Schrille.

„Der Vergewaltiger hingegen, den Sie nach mir verhandelt haben, wurde zu einer Bewährungsstrafe verurteilt!“

„Das war alles rechtens. Hätten Sie besser aufgepasst.“

Jetzt wurde Dünnleitner richtig böse. „Wegen solcher Kleinigkeiten holt mich also die Polizei ab und ich stehe hier in diesem Theater?“

Der Richter wandte sich der blonden Frau zu. „Stimmt es, dass der Pflichtverteidiger kurz vor dem letzten Verhandlungstag ausgetauscht wurde?“

„Ja, euer Ehren.“

„Danke. Das war es von meiner Seite. Sie können gehen.“

Die Blondine ignorierte den Angeklagten, verbeugte sich in Richtung des Richtertisches und war wie durch Zauberhand verschwunden.

Langsam spürte der ehemalige Richter, wie die Wirkung des Alkohols nachließ. Er fühlte sich zusehends schwächer, fröstelte. In seiner Nase kitzelte ein durchdringendes Parfüm, das ihm bekannt vorkam. Eine große Gestalt baute sich vor ihm auf wie ein Baum. „Schau mich an, Dünnleitner.“

Diese krächzende Stimme erkannte er sofort.

„Du hast meinen Mann getötet! Nur, weil dieses kleine Miststück behauptet hat, er habe sie angefasst.“

„Sie war eine durchaus glaubwürdige Zeugin.“

„So? Heiner war der dritte Mann in zwei Wochen, den sie der Vergewaltigung bezichtigt hatte. Und mein Gatte war bei mir, als das Verbrechen angeblich geschah.“

Er öffnete die Augen. „Familienangehörige sind unglaubwürdiger als Opfer.“

Die hübsche Frau mit dem fein geschnittenen Gesicht und den dunklen Augen schien ihn fressen zu wollen.

„Die anderen beiden Fälle dieser Schlampe lagen genauso, es kam nicht einmal zur Anklage. Nur im Falle meines Mannes.“

Frauen, mit dunklen langen Haaren geisterten seit seiner Schulzeit durch seine Träume.

„Hast du kein schlechtes Gewissen?“

Blödsinn! Dünnleitner richtete sich auf. „Ich habe eine reine Seele. Jahrelang diente ich dem Staat, kämpfte für die Gerechtigkeit.“

Die Brünette trat einen Schritt zurück. „Mein Mann erhängte sich in seiner Zelle. Du bist ein elender Mörder.“

„Zu welcher Strafe wurde Ihr Mann verurteilt?“

„Zu vier Jahren und sechs Monaten. Das steht in den Akten.“

Der Richter öffnete einen Umschlag. Wie zum Teufel kamen diese Schauspieler an die Gerichtsakten?

Die Raben krächzten, als wollten sie das eben gehörte kommentieren. Die dressierten Tiere arbeiteten wohl in einem Zirkus und sollten Menschen erschrecken. Ihre Federn schimmerten ähnlich der Haare von Asiatinnen.

Als er seinen Kopf zu der Frau wandte, war diese nicht mehr zu sehen. Nur noch ihr Parfüm hing wie ein Hauch in der Luft.

Obwohl er sich erheben wollte, blieb Dünnleitner wie angewurzelt auf seinem Stuhl sitzen. Alle Kraft hatte ihn verlassen. Der Richter kümmerte sich nicht darum. „Bitte stehen Sie auf.“

Automatisch erhob Dünnleitner sich, seine Hände zitterten, der Schnee leuchtete rötlich auf, als befände er sich in der Hölle.

„Sie haben gegen die Gebote der Gerechtigkeit verstoßen. In genau siebenunddreißig Fällen. Wir haben nur ein paar ausgewählte behandelt.“

„Aber ich bin unschuldig!“

„Vielleicht in Ihrem juristischen Sinne. Das zählt hier nicht. Sie haben nach Ihrem Gutdünken entschieden. Selbst nach deutschen Recht ist dies nicht korrekt.“

Alles Blut verschwand aus seinem Gesicht, er musste sich an dem Tisch festhalten. „Können wir eine kurze Pause machen!“

„Das Gericht zieht sich zurück!“

Wie durch ein Wunder war er allein. Nicht einmal die Raben leisteten ihm mehr Gesellschaft. Jetzt war die Gelegenheit zu fliehen. Bis zu seiner Wohnung war es ja nicht weit. Mit all seiner Kraft erhob er sich, setzte einen Fuß vor den anderen. Ganz langsam bewegte er sich vorwärts. Bald war er den Häschern entkommen. Als er hochblickte, befand er sich immer noch auf der Bühne. Dünnleitner war im Kreis gelaufen.

„Bleiben Sie stehen!“

Er hob den Kopf, spannte sich an. Der Mann in der Robe erschien übermenschlich. Auf der Richtbank stand nun eine kleine Waage. Eine Seite senkte sich deutlich. Die beiden Raben flatterten näher, nahmen zu seinen beiden Seiten Platz.

„Johannes Dünnleitner, ich verurteile Sie hiermit ...“

Der ehemalige Richter sank zu Boden, er griff sich an sein Herz.

*


Die beiden Polizisten blickten auf den regungslosen Mann.

„Was macht der Kerl mitten in der Nacht im Schnee?“

„Und das in Hausschuhen und ohne Mantel.“

Sie leuchteten mit der Taschenlampe auf sein Gesicht.

„Dünnleitner. Der ehemalige Richter.“

„Stimmt, der ist ja eine Legende.“

„Sicherlich war er verwirrt. Was hatte er denn hier ohne Mantel und in Pantoffeln zu suchen?“

„Der war der schärfte Hund am Landgericht! Er brachte selbst Unschuldige zehn Jahre hinter Gitter.“

*


Die beiden Polizisten warteten, bis der Wagen der Spurensicherung hielt, schließlich stiegen sie in ihren VW und fuhren zurück. Festlich leuchtete der Weihnachtsmarkt, zauberte eine stimmungsvolle Atmosphäre, dass allen Menschen warm ums Herz wurde.

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ENDE

Ein krimineller Adventskalender : (K)eine schöne Bescherung

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