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Sieg und Niederlage

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Es war später Nachmittag, als die Tür zu Letos Haus aufflog und Zeus mitten im Zimmer stand. Die drei Frauen hatten sich gerade mit kleinen häuslichen Angelegenheiten beschäftigt, und jetzt erstarrten sie für einen Moment. Dann rammte Asteria das Messer, mit dem sie Gemüse geschnitten hatte, in die Tischplatte und verließ den Raum, nicht, ohne die Tür hinter sich zuzuschlagen. Hekate folgte ihr langsamer und mit einem Blick auf Leto, in dem Vorahnung und Warnung lag.

Leto stand langsam auf und stellte fest, dass Zeus, nun, da sie von seinem Verrat an Gaia wusste, ihr seltsam fremd vorkam.

Zeus kam rasch auf sie zu, nahm ihre Hände und küßte flüchtig ihre Lippen, ehe er sie wieder auf ihren Stuhl schob.

„Setz dich bitte.“

Sie sank zurück, und er setzte sich ebenfalls, zog einen Stuhl so nah heran, dass sich ihre Knie berührten. Ihre Hände behielt er in seinen.

„Ich habe eine Menge zu erzählen.“

„Ich weiß.“

Sie durchforschte sein Gesicht und fand keine Spur des Elans und der Begeisterung von ihrem letzten Treffen darin wieder.

„Ich weiß von eurem Kampf mit Gaias Geschöpfen. Ich weiß davon, dass sie sich rächen wollte für deinen Verrat.“

Er zuckte zusammen.

„Musst du das so nennen?“

Befremdet betrachtete sie ihn.

„Wie würdest du das nennen? Eine Mutter schickt ihre Kinder in den Kampf, die im Austausch dafür befreit werden, einen König zu stürzen und einen neuen einzusetzen, und nach dem Sieg werden sie vom neuen König, dem sie gedient haben, sofort wieder eingesperrt. Was könnte das anderes sein als Verrat?“

Er wirkte, als habe sie ihn geschlagen, duckte sich zusammen, und aus diesem Winkel sah sie noch deutlicher die tiefen Schatten unter seinen Augen. Ohne dass sie es wollte oder Einfluss darauf nehmen konnte, wandelte sich ihr Ärger in Sorge. Sie zog eine Hand aus den seinen und streichelte behutsam seine Wange. Er machte eine Kopfbewegung, als wolle er sich in ihre Handfläche schmiegen, hielt dann aber inne und wich zurück. Sie ließ die Hand perplex sinken. Er nahm sie wieder zwischen seine.

„Zeus?“

Er setzte zu sprechen an, brachte keinen Ton heraus, räusperte sich und versuchte es erneut. Seine Stimme klang dunkel und fern.

„Ich bin nicht gekommen, um mich mit dir über Politik zu streiten. Ich bin gekommen, um zu sagen, dass wir gewonnen haben. Ein Mensch musste eingreifen, um uns den richtigen Weg zu zeigen. Es war schon ziemlich absurd. Wir mussten die Wesen in der Luft zu Tode drücken, damit sie nicht wieder zu Kräften kamen, wenn sie die Erde berührten. Einige haben wir auch unter ganzen Inseln begraben.“

Er bemerkte, dass Leto unbehaglich auf ihrem Stuhl herum rutschte. Sofort hielt er ihre Hände etwas fester.

„Das war aber nicht der Hauptpunkt. Die Welt wird neu geordnet, und ich muss sagen, dass mein eigenmächtiges Handeln, was die Titanen und die Inseln der Seligen angeht, nicht sehr gut aufgefasst wurde. Meine Herrschaft steht auf wackligen Füßen. Ich...“ Er holte tief Luft. „Ich sollte mich vermählen. Ein starkes Paar an der Spitze der Götter kann all dem Unbill besser entgegenstehen als ein Einzelner.“

Er verstummte.

Leto wartete. Was wollte er? Wo war das Problem? Es war doch von jeher so geplant, dass er nach dem Krieg kam und sie holte. Warum guckte er jetzt so seltsam?

Da er nichts sagte, fragte sie schließlich: „Und was ist jetzt los? Hast du Angst, dass ich mit der Situation nicht umgehen kann?“

„Ich weiß es nicht. Ich konnte mir deine Reaktion einfach nicht vorstellen, wenn ich dir sagen muss, dass ich Hera heiraten werde.“

Seine Worte standen im Raum, als seien sie an die Wände geschrieben. Leto hatte das Gefühl, sie sehen, sie lesen zu können, aber ihr Sinn blieb ihr verborgen.

„Hera“, sprach sie ihm nach, als würde es dadurch klarer, was er meinte.

Zeus' Hände umklammerten die ihren wie Schraubstöcke.

„Ja. Sie ist definitiv eine Führungspersönlichkeit, auf sie hören die anderen nach mir am meisten, und ich kann es mir nicht leisten, sie gegen mich zu haben. Außerdem haben wir gar nicht schlecht harmoniert auf dem Olymp und...“

„Hera.“

Leto hörte ihm kaum zu, doch langsam dämmerte ihr, was er gerade zu sagen versuchte.

Zeus blickte sie beunruhigt an.

„Ja – Hera. Weißt du, selbst wenn es nicht sie wäre, könntest du es doch nicht sein. Gerade jetzt, in dieser heiklen Situation, nachdem ich die Titanen – deine Eltern – praktisch begnadigt habe, kann ich nur eine Olympierin heiraten.“

Leto konnte für einige schreckliche Momente nicht sprechen, als sie verstand. So also fühlt sich das an, dachte sie verwundert. Es ist nicht gerade das Gefühl, als würde einem das Herz brechen, es ist eher wie ein Messer, das in der Mitte der Brust ansetzt und dann nach unten sticht, bis es auf Magenhöhe von einem lodernden Klumpen Schmerz aufgehalten wird. Weiter nach unten darf es auch nicht, denn dort... Oh Gaia, nicht nur du und deine Kinder wurden verraten.

Sie hörte ihre eigene Stimme.

„Olympierin? Die Titanen – meine Eltern? Du bist genauso gut ein Titanensproß wie ich, Zeus, und all deine Geschwister auch. Was redest du da?“

Er verzog das Gesicht.

„Das verstehst du nicht, Leto, das kannst du nicht verstehen, weil du nicht dabei gewesen bist. Die Zeit dort oben hat uns verändert.“

„Und warum bin ich nicht dabei, nicht bei dir gewesen? Doch nur, weil du es mir verboten hast. Willst du mich jetzt dafür bestrafen?“

Er seufzte gequält.

„Es geht hier doch nicht um Bestrafen. Es ist einfach so. Ich bin unglaublich froh, dass du hier in Sicherheit warst, und du bedeutest mir immer noch unheimlich viel. Ich kann dich nur nicht heiraten.“

Leto blickte ihm ins Gesicht.

„Liebst du sie?“

Zeus schaute zu Boden.

„Ich weiß es nicht. Irgendwie... schon.“

Leto riss ihre Hände zurück, und ihr Stuhl stürzte polternd zu Boden, als sie aufsprang.

„Raus hier!“

Zeus stand auf und kam mit beschwörend erhobenen Händen auf sie zu.

„Leto! Hör mir doch zu, ja?“

In diesem Moment öffnete sich die Tür, durch die die anderen Frauen vor einer Ewigkeit verschwunden waren, und Hekate trat vor ihre Tante.

„Geh jetzt, Zeus.“

Er stand einige Sekunden wie versteinert und starrte das Mädchen an, dann machte er auf dem Absatz kehrt und verließ das Haus.

Leto wich zurück, bis sie die Wand erreicht hatte, dann rutschte sie langsam zu Boden. Als Hekate sich über sie beugte, um nach ihr zu sehen, öffnete sich erneut die Tür. Asteria betrat das Zimmer und blickte nachdenklich auf ihre Schwester herab.

„Glaubst du immer noch, dass es sich gelohnt hat?“

Hekate wies mit einer ärgerlichen Bewegung ihre Mutter aus dem Raum, doch war der Schaden bereits angerichtet – Leto hatte sie deutlich verstanden. Als Hekate sich zu ihrer Tante hinabbeugte, hielt die ihre Knie mit den Armen umklammert, und ihr leerer Blick ging durch ihre Nichte hindurch.

Leto und Niobe

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