Читать книгу DAS EXPERIMENT (ein Whitney Steel Roman) - Kim Cresswell - Страница 10
Kapitel 4
ОглавлениеNoch am selben Tag stand Whitney vor den massiven Stahltoren, die ShawBioGen umringten. Sie konnte das unheimliche Gefühl nicht abschütteln, beobachtet zu werden. Nach der Landung am McCarran Flughafen in Vegas traf sie auf einen Fahrer, der sie fast zwei Stunden lang in Richtung Nordosten fuhr und dort rauswarf. Seine einzigen Worte: »Ich befolge bloß Anweisungen.«
Allein in der sengenden Wüstensonne stehend setzte sie eine Sonnenbrille auf ihre Nase und betätigte die Sprechanlage.
Der Kasten begann lebendig zu knistern. »Name?«, fragte eine Männerstimme.
Sie drückte auf den Knopf. »Whitney Steel.«
Ein hohes Surren hinter ihr erschreckte sie. Sie wirbelte herum und sah vier Kameras, die in einem lückenlosen Überwachungskreis auf sie zeigten. Sie hätte schwören können, dass sie eben noch nicht da waren. Die Tore öffneten sich und offenbarten einen athletischen Mann mit einem markanten Gesicht, der von Kopf bis Fuß in braunen und cremefarbenen Camouflage eingekleidet war. »Hier entlang.« Der Army-Mann verzog nicht einen Moment lang seine strenge Miene und schickte sie zu einem gelben Golfwagen im Stil eines Militärgeländewagens. Das Gelände war von lauter Kakteen, Felsen, Ziergräsern und Steppenläufern mit Leben erfüllt. In der Ferne warf ein riesiges S einen Schatten über den Haupteingang von ShawBioGen. Der Fahrer parkte den Golfwagen und führte Whitney dann durch eine Drehtür mit getöntem Glas.
»Warten Sie hier«, befahl er, bevor er in einen Bereich verschwand, der als Security gekennzeichnet war.
Ein kreisförmiges Dachfenster erleuchtete das Hauptfoyer, in dessen Zentrum ein Wasserfall rauschte. Hochglanzpolierte Wände aus Edelstahl schafften die Illusion eines nie endenden Spiegels, doch sie gaben dem Raum gleichzeitig eine schrecklich kalte Atmosphäre.
Der Army-Mann kam mit demselben, ernsten Gesichtsausdruck zurück. »Hier entlang.«
Whitney folgte ihm in einen Bereich, der für die Sicherheitsüberwachung zuständig zu sein schien. Um sie herum erblickte sie Dutzende Überwachungssysteme, einige Menschen, die an Computern saßen, und einen riesigen Monitor mit einem Schwarz-Weiß-Bild, welches das Satellitenbild des Gebäudekomplexes zu sein schien.
»Willkommen in ShawBioGen, Miss Steel. Ich bin Blake Neely, firmeneigener Security-Spezialist.«
Whitney sah ihn sich flüchtig von oben bis unten an. Er trug schwarze Jeans, Cowboystiefel, ein offenes Hemd, dessen Ärmel bis über seine Unterarme hochgekrempelt waren, er war gebräunt und durchtrainiert.
»Ist Security-Spezialist nicht nur ein ausgefallener Titel für einen Bodyguard?«
Falten schlichen sich auf seine Stirn. »Sie müssen sich anmelden«, sagte er entschieden und schob ihr ein Klemmbrett und einen Stift entgegen.
Nachdem sie ihren Namen eingetragen hatte, bemerkte sie einen Röntgenapparat am Ende der langen Theke. Wenn die Sicherheitschecks hier so streng waren, hatte sie nicht die geringste Hoffnung, in das Labor zu gelangen, in dem Nathan das Kind aufbewahrte.
Als Nächstes schob Blake einen Kasten vor sie. »Leeren Sie Ihre Handtasche.« »Sie machen doch Witze.« Mit vor seiner Brust verschränkten Armen schüttelte Blake den Kopf. »Und ich dachte, die Security am Flughafen wäre hartnäckig.« Whitney lachte in sich hinein und entleerte den Inhalt ihrer Handtasche in den Kasten. Während er darin herumstocherte, fragte sie sich, was für ein Mann hinter diesen tiefen, braunen Augen lauerte.
»Sorry, keine Kameras. Sie können sie auf dem Weg nach draußen abholen.«
»Na gut, aber …« Sie streckte ihre Hand in seine Richtung, doch es war einen Augenblick zu spät. »Das sind …«
Er öffnete das gold-schwarze Etui. Vier in Folie gewickelte Kondompackungen fielen auf den Tisch. Nicht sicher, ob sie wütend oder beschämt sein sollte, spürte sie, wie sich ihr Gesicht erwärmte. Um es noch schlimmer zu machen, nahm er sich schön viel Zeit bei der Inspektion jeder Packung; offensichtlich, um es ihr für den Kommentar über Bodyguards heimzuzahlen.
Er hob eine Augenbraue. »Feuchtes Vergnügen. Rough Rider. Muss was für Cowboys sein. Und die hier, Aroma …«
Ihre Blicke prallten aufeinander.
Ihr Körper bebte vor intensiver Elektrizität, die ihr Herz zum Rasen brachte und ihre Brüste kribbeln ließ. Hemmungslose Lust.
Wütend über den Effekt, den er auf sie hatte, schnappte sie die Kondome aus seiner Hand. »Entschuldigen Sie mal? Werden Sie nicht ein bisschen persönlich?«
»Persönlich oder nicht, Sie wären überrascht, wofür diese Packungen alles verwendet werden können.« Er griff sie erneut, warf sie auf das Laufband und grinste. »Sicher ist sicher.«
So ein Idiot. Sie blieb ruhig, während sich der Inhalt ihrer Handtasche langsam durch den Röntgenapparat bewegte. Nachdem ein Foto von ihr gemacht wurde, überreichte er ihr einen laminierten Besucherausweis.
Blake begleitete sie zurück zum Hauptfoyer und zeigte auf einen endlosen Flurabschnitt. »Nehmen Sie den Aufzug C2 bis zum zweiten Stock. Und beeilen Sie sich. Mr. Shaw wartet nicht gern.«
***
Im Sicherheitsraum starrte Blake den Hauptmonitor an, während Whitney den Aufzug betrat.
Er war vollkommen fasziniert.
Sie bedeutete Ärger. Reinen Ärger. Gekleidet in diese hautenge rosafarbene Jacke und diesen kurzen Rock, der jede herrliche Kurve zur Schau stellte. Diese langbeinige Blondine brachte ihn soweit, eine LKW-Ladung Kondome plündern zu wollen. Er konnte noch ihr Parfum riechen, blumig, zart.
Sein Körper reagierte. Er spürte die Enge in seinen Jeans.
Verdammt. Es war lange her, dass eine Frau eine solche Wirkung auf ihn gehabt hatte. Zu verdammt lange.
Sie drehte sich um, hob ihre Hand zur Kamera und winkte.
Blake grinste.
Auf keinen Fall konnte er jemandem erlauben, ihm nahezukommen, vor allem einer Frau, und noch dazu einer Reporterin. Gefährlich war das Wort, welches ihm in den Sinn kam. Er musste fokussiert bleiben. Er hatte eine Mission zu erledigen.
Whitney hatte allerdings ganz schön Mumm. Wenn sie auch nur eine Sekunde lang dachte, dass er nicht bemerkt hatte, wie sie den Sicherheitsraum absuchte, alles beobachtete und sich einprägte, musste sie verrückt sein.
Ihr Besuch bei ShawBioGen hatte nichts mit einem Interview mit Nathan zu tun. Was hatte Whitney Steel also vor?
***
Nathan Shaw empfing Whitney, unmittelbar, nachdem sich die Aufzugtüren öffneten.
»Sie sind spät dran, Miss Steel.«
»Entschuldigen Sie bitte, Mr. Shaw.« Sie folgte dem Mann, der ein lässiges, graues Hemd und eine schwarze Anzughose trug, in ein riesiges Büro.
Hinter ihnen schlossen sich die Metalltüren, als wären sie in einer Gruft.
»Ich wurde aufgehalten von Ihrem …«
»Setzen Sie sich.«
Die Fotos, die Whitney von dem Milliardär gesehen hatte, wurden ihm nicht gerecht. In Wirklichkeit sah er noch seltsamer aus, mit schwindendem, teilweise ergrautem Haar, das um seine Ohren herum kurz rasiert war, einem ungewöhnlich langen Hals, und einem merkwürdig geformten, kräftigen Gesicht.
Sie setzte sich ihm gegenüber und bemerkte, dass er auf ihre Brüste gaffte. Von den Infos, die sie über ihn gefunden hatte, wusste sie, dass Nathan es genoss, andere mit seinem unkonventionellen Verhalten zu schockieren. Tja, nicht mit diesem Mädchen.
»Danke, dass Sie sich mit mir treffen konnten.«
»Gern geschehen. Natürlich war ich so frei und habe meine eigene Recherche über Sie betrieben, Miss Steel. Sie sind eine der Besten auf Ihrem Gebiet. Ziemlich beeindruckend für eine Frau, und noch dazu eine so junge Frau. Wieso sind Sie heute hier?«
Sie bemerkte, dass ihre Beine zitterten, und überschlug sie. Außerdem versuchte Nathan nun einen Blick unter ihren Rock zu erhaschen. Was für ein Widerling.
»Das hier ist ein Follow-up – eine Verifizierung der Wirksamkeit von ShawBioGens Forschungsarbeiten und Entwicklungstätigkeiten für Produkte gegen sowohl entzündliche als auch Autoimmunerkrankungen.« Sie öffnete ihre Tasche, fand ihr Aufnahmegerät und platzierte es vorsichtig zwischen ihnen auf dem prunkvollsten Chippendale Tisch, den sie je gesehen hatte. Zumindest hatte der Mann einen ausgezeichneten Geschmack, wenn es um Mobiliar ging. Er hatte mit Sicherheit keinen Geschmack, was alles andere betraf.
Er starrte sie aus seinen großen, runden Glupschaugen an. »Miss Steel, Sie sind ja wirklich ganz niedlich und Sie faszinieren mich auch, aber was Sie da erwähnen, ist nichts Neues.« Seine Augen verengten sich. »Wieso sind Sie wirklich hier?«
Ihr Atem stockte und für einen Moment war sie sprachlos.
»Kommen Sie auf den Punkt. Ich bin ein vielbeschäftigter Mann.«
»Nun gut.« Sie drückte auf die Play-Taste des Aufnahmegeräts und betete, dass er nicht bemerkt hatte, wie ihre Finger zitterten.
»In der Politik gab es kürzlich heftige Debatten über die Gewissensfrage zum Thema Klonen von Menschen. Da Ihre Firma in der Vergangenheit bereits Hunde, Kühe und andere Lebewesen geklont hat, würden Sie es nun auch in Erwägung ziehen, Menschen zu klonen?«
Nathan stand auf und ließ seine Hände lässig in seine Hosentaschen gleiten.
»Ja, natürlich, wenn es legal wäre. Mein Fokus liegt beim reproduzierenden Klonen, um es zeugungsunfähigen Paaren, die sich auf keinem anderen Weg fortpflanzen können, zu ermöglichen, ein genetisch verwandtes Kind zu bekommen.«
»Es sind ein paar Gerüchte im Umlauf, daher muss ich Sie eines fragen; klont Ihre Firma Menschen?«
Er zeigte keine Reaktion auf die Frage, sondern schlenderte stattdessen über den Hochflorteppich und blieb hinter ihr stehen. So nah, dass sie seinen feuchten Atem in ihrem Nacken spürte. Ekelhaft. Sie wollte aus ihrem Sitz springen und ihm einen gehörigen Tritt verpassen. Das nicht zu tun, rang ihr jedes Bisschen ihrer Willenskraft ab.
»Als langjährige Reporterin und Frau mit Verstand im Kopf, überrascht es mich, dass Sie sich von solchem Gerede beirren lassen.« Er ging um den Stuhl herum und stellte sich vor ihr hin.
Lass ihn nicht an dich ran. Das ist seine Masche. Er dringt in deinen persönlichen Freiraum ein und hofft, dich damit abzuschrecken.
»Also, fürs Protokoll, dies sind bloß Gerüchte?«
Er warf ihr einen vernichtenden Blick zu und brach dann in hohes, nasales Gelächter aus. »Zuerst einmal bin ich mir sicher, Sie sind sich darüber im Klaren, dass es in diesem Land illegal ist, Menschen zu klonen. Zweitens würde ich die anderen Länder der Welt an dieser unglaublichen Technologie teilhaben lassen, wenn es denn legal wäre. Können Sie sich vorstellen, was ein Mensch mit einer derartigen Technologie anstellen könnte?«
Ja, das konnte sie, und sie hatte das Ergebnis davon bereits auf einer Videokassette gesehen. Ein hilfloses Kleinkind, gefangen in einer grausamen Umgebung. Fest entschlossen, nicht zusammenzubrechen, biss Whitney die Zähne zusammen.
Als er sich vorbeugte und sie ansah, hätte sie für den Bruchteil einer Sekunde schwören können, dem Teufel in seine pechschwarzen Augen zu sehen.
»Glauben Sie, dass ich Menschen klone, Miss Steel?«
Eine eisige Kälte durchfuhr ihren Körper bis auf die Knochen. »Natürlich nicht, Mr. Shaw. Aber als Reporterin ist es meine Pflicht, solchen Gerüchten nachzugehen.«
»Ich verstehe.« Er setzte sich auf den Stuhl ihr gegenüber. »Ich bedaure, unsere Zeit ist abgelaufen. Ihnen wird auf dem Weg nach draußen eine Pressemappe mitgegeben.«
Mit dem schwächsten falschen Lächeln, das sie aufbringen konnte, drückte Whitney auf die Stopptaste und legte das Aufnahmegerät in ihre Handtasche. In diesem Moment schwangen die Türen der Gruft auf. Sie hatte bei Nathan einen Nerv getroffen. Ihre Strafe: wie ein Kind nach Hause geschickt zu werden.
»Ich hoffe inständig, dass Sie eine sehr sichere Reise zurück nach Oregon haben werden, Miss Steel.«