Читать книгу DAS EXPERIMENT (ein Whitney Steel Roman) - Kim Cresswell - Страница 14
Kapitel 8
ОглавлениеBlake stolperte auf die Beine. Whitney hatte es getan. Sie hatte abgedrückt.
Der verbrannte Geruch nach Waffenreiniger trieb durch die Luft. So viel zu seinem messerscharfen Instinkt und seiner Vorhersage. Lass eine Frau nie an deine Waffe ran und zweifle nicht mal eine Sekunde daran, dass sie sie benutzen wird. Vor allem, wenn du dämlich genug bist, sie an ihre Grenzen zu bringen. Der pfeifende Ton dieser Kugel, die an seinem Kopf vorbeigezischt war, hatte ihm verdammt sicher nicht gefallen. Er hatte einen Fehler gemacht, einen, der ihn hätte umbringen können. Er hätte es besser wissen müssen, als sich von einer Frau blenden zu lassen, egal wie charmant und geschickt sie war … und das kotzte ihn an.
Whitney stand da, die Schultern zurückgeworfen, der Kopf erhoben, die Pistole neben ihr gesenkt. Triumph glitzerte in ihren Augen, nicht ein Funken Reue. Ihr Gesichtsausdruck wechselte zu einem Grinsen. Die Art von zufriedenem Grinsen, das Ich-hab’s-dir-doch-gesagt verkündete.
Die Frau war eine echte Nervensäge. Es war an der Zeit, zu zeigen, was er draufhatte. Whitney zu geben, was sie wollte. Informationen. Aber niemand hatte gesagt, sie müssten wahr sein.
***
»Bist du jetzt zufrieden? Das war deutlich genug.« Blake biss angespannt die Zähne zusammen, in seinen Wangen bildeten sich Grübchen.
Whitney grinste. Sie hatte die Waffe. Er sah verdammt wütend aus. Gut. Was für ein Mann kehrte einer auf ihn gerichteten Waffe den Rücken zu? Mit einem arroganten Mann käme sie klar. Aber mit einem verrückten?
Ein blasser und zitternder George kroch hinter der Couch hervor und stand auf. »Ich hätte in Florida bleiben sollen. Irgendjemand muss mir jetzt wirklich erklären, was sich hier abspielt.«
Whitney legte ihre Hand auf Georges Schulter. »Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken.«
»Du hast mich nicht erschreckt.« Er hob eine zitternde Hand und zeigte auf die blecherne Verkleidung des Kamins. »Oh Mann, Marcus wird alles andere als erfreut über dieses Chaos sein.«
Sie sah auf die Wand und verzog angewidert den Mund. »Ich weiß.«
Vielleicht würde ihr lieber Freund das Einschussloch in der Wand und die fehlenden Farbsplitter, die sich auf dem Boden häuften, gar nicht bemerken. Wem machte sie was vor? Sieben Zentimeter weiter unten und Marcus’ geliebte Schwarz-Weiß-Fotografie eines Leuchtturms wäre zerstört gewesen.
»Nachdem du nun die verdammte Wand getötet hast, denkst du, wir können reden wie vernünftige Erwachsene?«
Blake schien jetzt ruhig zu sein. Seine Stimme klang aufrichtig.
»Wir werden reden.« Sie konnte ihm nicht vertrauen, nicht, solange er für Nathan arbeitete. »Die Pistole behalte ich fürs Erste.« Wenn der Mann seine Waffe zurückwollte, würde er sie sich verdienen müssen.
»Na gut. Sicher, dass du nicht wieder schießen wirst?«
»Nur, wenn du mir einen Grund dafür gibst.« Sie hielt die Pistole fest und grinste ihn schamlos an, bevor sie in Richtung Küche lief.
Whitney drehte sich um. »Wie wär’s, wenn wir reden, während du dieses Frühstück machst, das du versprochen hast.«
Blake suchte in den Schränken nach dem, was er zur Zubereitung des Frühstücks brauchte. Unterdessen zupfte George an seinem rechten Ohr herum.
»Um Gottes willen, das Klingeln in meinem Ohr will einfach nicht aufhören. Ich werd’ wahrscheinlich noch taub. Warum hast du mir nicht erzählt, dass du weißt, wie man eine Waffe benutzt?«
Whitney warf ihm einen flüchtigen Blick zu, froh über das bisschen Farbe, das in sein weißes Gesicht zurückgekehrt war. »Das ist nichts, was ich überall rumposaune. Würdest du das tun?«
»Ja, ich schätze, du hast recht«, sagte George.
Sie setzte sich auf einen Hocker an der Frühstücksinsel und legte die Pistole vor sich auf den Tisch. »Dad war sehr davon überzeugt, seine Familie beschützen zu müssen. Ich denke sogar noch mehr, nachdem Mom ermordet wurde. Ich erinnere mich an damals, in den Achtzigerjahren, als er gehört hatte, dass sich die Mordraten im Staat verdoppelt hätten, na ja, da habe ich mit Karate angefangen …«
»Letzte Nacht haben sich die Mühen deines Vaters bezahlt gemacht.« Blake zwinkerte ihr zu.
Hoffentlich hatte George das nicht verstanden. Whitney wäre es lieber, wenn er nichts von dem Einbrecher wusste, andernfalls würde er mit seinen väterlichen Standpauken anfangen, was sie jetzt gar nicht gebrauchen konnte.
»Dann, mitten in den Neunzigern, war der Happy-Face-Killer auf freiem Fuß. Da Dad wegen eines Auftrags viel unterwegs war, dachte ich mir, ich sollte lernen, mit einer Waffe umzugehen. Nach meinem zwanzigsten Geburtstag habe ich dann Unterricht am Schießstand genommen.«
»Du kannst zweifellos auf dich aufpassen.« Blake öffnete eine Schublade, zog ein großes Messer heraus und starrte es für einen Moment an.
Whitneys Hand bewegte sich langsam zur Waffe, bis ihre Fingerspitzen den stählernen Griff berührten. Er schnappte sich das hölzerne Schneidebrett und schnippelte geübt eine grüne Paprika und eine Zwiebel in kleine Stücke.
Er schien sich in der Küche zu Hause zu fühlen. Er war außerdem, wie sie bemerkte, der erste Mann, der für sie kochte, und die Vorstellung gefiel ihr. Einen Moment lang fragte sie sich, wie es wäre, wenn er ihr, in nichts als einer Schürze, Frühstück im Bett servieren würde. Wo zur Hölle kam das her?
Sie sah sich im Raum um. »Genug – von mir. Zurück zur Frage, wieso du nach Florence gekommen bist?«
George setzte sich neben sie und fummelte weiterhin an seinem Ohr herum.
Blake stellte einen Eierkarton neben der Spüle auf die Theke.
»Mit einer Sache hast du recht.« Er schlug ein Ei am Rand der Metallschüssel auf. »Nathan hat mich geschickt, um das Band zu besorgen. Sonst nichts.«
Erzähl’ ihr etwas, das sie noch nicht wusste. Wenn Blake wollte, hatte er ein bemerkenswertes Pokerface, entspannt, unmöglich zu lesen. Nicht mal ein Zucken.
»Wieso die Waffe?«
»Gewohnheit. Ich hab schon immer eine bei mir getragen. Abgesehen davon hat sie mir draußen in der Wüste schon ein paar Male das Leben gerettet. Ne Menge hungriger Tiere da draußen.«
Whitney kaufte ihm das nicht ab. Er war hier nicht in der Wüste. Ihr Blick wanderte zu George. »Und der wahre Grund, weshalb du hier bist, ist …«
»Na schön, erwischt.« George ließ den Kopf hängen. »Ich wurde geschickt, um dich zu überzeugen, Masons Tod zu untersuchen. Du bist die einzige, die weiß, was an dem Tag geschehen ist.«
Er hatte recht. Das war sie. Doch das bedeutete nicht, dass sie nach der Pfeife der hohen Tiere beim WBNN tanzen würde. Der Männerklub des WBNN-TV würde ihr sicherlich die Füße küssen, nachdem sie Nathans schmutziges, kleines Geheimnis gelüftet hatte. Sie lächelte in sich hinein.
Blake rührte die Eier mit einer Gabel und goss sie in eine Bratpfanne. »Ich weiß nicht, was auf dem Band ist, aber ich habe gehofft, es könnte etwas mit meiner Schwester zu tun haben, Claire Barnett.«
Nun kamen sie der Sache schon näher. Whitney versuchte, sich nicht zu früh zu freuen. »Okay, jetzt komme ich nicht mehr mit. Was hat deine Schwester mit Nathan Shaw zu tun?«
Blake schob vier Scheiben Vollkornbrot in den Toaster. »Claire hat im Forschungslabor gearbeitet. Vor vierzehn Monaten wurde sie tot aufgefunden. Ich habe keine Beweise, aber ich bin davon überzeugt, dass Nathan involviert war.«
Das erklärte einiges, unter anderem auch, weshalb Blake für Nathan arbeitete. Er brauchte Antworten. War es möglich, dass Nathan auch Claire getötet hatte? Wenn ja, hob das die Zahl der Toten auf drei.
Sie sah, wie sich die Muskeln an Blakes Rücken anspannten, während er über Claire redete. Sie wusste, wie er sich fühlte. Dieses Gefühl von Wut, Hilflosigkeit und Verlust.
»Das mit deiner Schwester tut mir leid.« Ihr Reporterinstinkt meldete sich. Sie wollte ihn mehr als alles andere über die Details des Todes seiner Schwester ausfragen, doch sie beschloss, damit erst mal zu warten. »Hat Nathan je eine Wissenschaftlerin namens Carmen Lacey erwähnt?«
»Nope. Nathan ist kein sehr offener Mensch. Er sagt dir nur, was er dich wissen lassen möchte. Was nicht sonderlich viel ist.«
George rieb seine Hände, als hätte er auf dem Rummel einen Preis gewonnen. »Und was ist auf dem Band?«
Sie kam nicht umhin, sich schlecht zu fühlen, weil sie George nicht schon früher eingeweiht hatte. »Das wird dich umhauen. Die Aufnahme zeigt ShawBioGens geheimes Projekt, ein kleines Mädchen. Der weltweit erste geklonte Mensch.«
»Heilige Scheiße! Du machst doch Witze?« George schlug seine Hand mit einer solchen Kraft auf die Theke, dass er von Hocker fiel. Er richtete sich schnell wieder auf und tat so, als wäre es Absicht gewesen. »Du weißt doch, was das heißt, Whitney? Ein garantierter Emmy. Ich sehe es schon vor mir. Wo ist dieses Band? Das muss ich mir anschauen.«
Sie hob die Hand. »Ganz ruhig, Cowboy. Niemand sieht sich das Band an.« Ihr Blick wanderte zu Blake. »Im Moment ist es in einem Safe und da wird es auch bleiben. Wir haben noch viel Arbeit vor uns, bevor wir die Story bringen können.«
Außerstande, seine Begeisterung zurückzuhalten, schwafelte er weiter, sein Mund arbeitete schneller als sein Gehirn. »Ich kann es immer noch nicht glauben. Bist du dir sicher, dass das echt ist? Das ist nicht irgend so ein Scherz? Bitte sag mir, dass es wahr ist.«
»Es ist kein Scherz.«
Blake reichte Whitney einen Teller mit einem Western-Sandwich und zwei Essiggurken.
»Danke.« Das Bild von ihm, nackt in dieser Schürze, erschien wieder in ihrem Kopf. Sie nahm einen Bissen von ihrem Sandwich und versuchte den Gedanken abzuschütteln. Was zur Hölle war los mit ihr? Reiß dich zusammen, Steel.
Während sie frühstückten, ließ Whitney Masons schrecklichen Tod noch einmal Revue passieren, indem sie den beiden Männern alles genauestens berichtete, auch wie das Band in ihre Hände gelangt war. Nachdem George sein Frühstück heruntergeschlungen hatte, spülte er seinen Teller ab, während Blake mit einer Tasse Kaffee auf die Terrasse verschwand.
Georges Ausdruck wurde ernst. »Whitney, je mehr ich darüber nachdenke, desto weniger finde ich, du solltest dich mit Nathan anlegen. Es ist zu gefährlich.«
»Du weißt, dass ich das tun muss, und du weißt auch, dass ich es tun werde, sei es mit deiner Hilfe oder ohne. Das ist die Story des Jahrhunderts. Jeder selbstsüchtige, egozentrische Mann, mit dem ich je gearbeitet habe, außer dir natürlich, wird mir den Respekt erweisen, den ich verdiene.«
Whitney und George gingen ins Wohnzimmer. »Wäre dir das wert, dabei umgebracht zu werden?« Er ließ sich neben ihr auf die Couch plumpsen. »Blake hat mir von letzter Nacht erzählt – der Mann mit dem Messer. Whitney, lass dir das noch mal durch den Kopf gehen. Es sind schon genug Menschen gestorben.«
»Was ist in dich gefahren?« Enttäuschung durchfuhr sie. George hatte stets hinter ihren Entscheidungen gestanden. Dieser Sinneswandel gefiel ihr gar nicht. »Ich bin überrascht. Ich hätte gedacht, du wärst auf meiner Seite. Was ist mit dem Emmy?«
»Hey, ich bin auf deiner Seite, Kleines. Emmy oder nicht. Ich muss dir nicht zustimmen. Es muss einen anderen Weg geben, an diese Story ranzukommen.«
»Es gibt keinen.« Blake kam mit seiner Kaffeetasse in der Hand ins Wohnzimmer geschlendert. »Ich kenne Nathan. Er ist ein Gewohnheitstier. Das Labor. Dort werden deine Beweismittel sein.«
Whitney nickte. »Da stimme ich dir zu. George, wusstest du, dass Nathan jedes Jahr mehrere Millionen Dollar an Tafeln und Obdachlosenunterkünfte spendet? Nicht nur das, er steckt Millionen von Dollars in medizinische Versorgung und wissenschaftliche Forschung. Er war sechs Jahre nacheinander Man of the Year und hat es zweimal auf das Titelblatt des Time Magazine geschafft. Mit einer Bilanz wie dieser werden wir so viele Beweise brauchen, wie wir finden können. Ein Video und unsere Aussage werden nicht reichen. Um ihn festzunageln brauchen wir handfeste Beweise.«
»Da hat jemand seine Hausaufgaben gemacht.« George wandte sich Blake zu. »Hast du das Kind gesehen?«
Blake schenkte sich im Küchenbereich weiteren Kaffee ein. »Nein.«
»Damit ich das richtig verstehe.« George kniff die Augen zusammen. »Du warst noch nie im Labor, du hast das Kind nie gesehen, woher …«
Blake drehte sich um. »Du wirst mir vertrauen müssen, George. Auch ich suche nach Antworten.«
Gänsehaut brach auf Whitneys Armen aus, aber es war nicht kalt. Ihre Haut wurde klamm und Masons erschütternde Worte hallten in ihrem Kopf.
Vertraue niemandem.
Sie schluckte den Kloß in ihrem Hals runter und fuhr fort, fest entschlossen, mehr von Blake zu erfahren. »Wie ist das Labor gesichert?«
»Minimal.« Blake nahm einen Schluck von seinem Kaffee und stellte die Tasse auf der Frühstückstheke ab. »Momentan durch Schlüsselkarten und Wachen.«
Whitney warf einen Blick auf die Uhr. Zwanzig nach elf. Sie wollte herausfinden, was Blake sonst noch preisgeben würde, doch vor ihrem Flug nach Vegas später am Abend hatte sie noch ein paar Dinge zu erledigen.
»Hör mal, ich muss jetzt los. Wir reden dann, wenn ich wieder zurück bin.«
»Klar doch. Was immer du willst.« Blake steckte die Hände in die Taschen seiner Jeans und warf ihr ein Was-zur-Hölle-hast-du-vor-Grinsen zu.
»Oh, nur dass du Bescheid weißt, die hier nehme ich mit.« Sie wedelte mit der Waffe herum, als freundliche Erinnerung. Mit einem tiefen Atemzug legte sie ihren Arm um Georges Schulter. »Bring mich zur Tür.«
Während sie auf die Vorderseite des Hauses zuliefen, hob George eine Augenbraue. »Wo gehst du hin?«
»Ich habe ein paar Einkäufe zu erledigen, und solange ich die Gelegenheit habe, wollte ich am Friedhof vorbeigehen.«
Sie steckte Blakes Waffe in ihre Handtasche und zog ihre Schlüssel heraus. »George, behalte Blake gut im Auge. Glaub mir, da ist was faul.«