Читать книгу Die Schule der Wunderdinge (1). Hokus Pokus Kerzenständer - Kira Gembri - Страница 10
Оглавление3. Kapitel
Tilly gab sich große Mühe, tapfer zu sein. Sie hielt sich fünfunddreißig Mal die Hand vor, als sie gähnen musste. Sie schrieb brav von der Tafel ab, was Klassenlehrer Klausner wie in Zeitlupe notierte: zuerst seitenweise Grammatikregeln, dann endlose Divisionen. Und sie versuchte, wenigstens irgendetwas an ihrer neuen Schule zu mögen. Zum Beispiel roch es in der Sporthalle nicht nach Stinkesocken (sondern nach absolut nichts), und das Schulessen schmeckte nicht direkt ekelig (nur ganz leicht nach lauwarmer Pappe).
Doch als Herr Klausner in der letzten Stunde sagte: »So, nun wollen wir … ganz in Ruhe … alles wiederholen … was wir heute … gelernt haben«, da hielt Tilly es einfach nicht mehr aus. Sie spürte, dass sie gleich zu Staub zerfallen würde, wenn sie sich noch eine Minute langweilte. Panisch hob sie den Arm, während Herr Klausner über Akkusativ-objekte und Lokaladverbiale zu reden begann. »Darf ich bitte zur Toilette?«
Herr Klausner wedelte nur schwach mit der Hand. Dabei erinnerte er an einen satt gefressenen Kater, der im Halbschlaf eine Fliege verscheucht. Ohne zu zögern, huschte Tilly aus dem Klassenzimmer und ein Stück den Flur entlang. In einer Fensternische blieb sie stehen und atmete tief durch. Sie hatte das Gefühl, an diesem Schultag zum ersten Mal wieder richtig Luft zu bekommen. Erleichtert setzte sie sich auf den Fußboden und zog das Notizbuch hervor, das sie unter ihren Arm geklemmt hatte. Sobald sie es aufschlug, startete in ihrem Kopf ein Feuerwerk aus Ideen. Sie merkte gar nicht, wie viel Zeit verging, während sie zeichnete und schrieb.
Tilly musste kichern, als sie sich vorstellte, wie Clarissa von Rosenberg auf so einem Stuhl Platz nahm. Dabei hob sie ein wenig den Kopf – und sah ein Paar graue Plastikschuhe.
Erschrocken rappelte sie sich vom Fußboden hoch. Vor ihr stand eine Frau mit straffem Haarknoten, die einen Wischmopp umklammert hielt. Ihr Kittel passte farblich genau zu den trostlosen Schuhen. Sie sah so unauffällig aus, dass Tilly sich erst mit etwas Verzögerung daran erinnerte, woher sie diese Frau kannte: In der Mittagspause hatte sie an der Essensausgabe der Cafeteria gestanden und wässrige Nudeln auf die Teller geschöpft. Vermutlich war sie eine Art Hausmeisterin an dieser Schule.
»Was hast du hier zu suchen?«, fragte sie und musterte Tilly prüfend. »Solltest du nicht in deiner Klasse sein?«
»Na ja, schon«, stammelte Tilly. »Aber ich bin neu hier, und irgendwie war mir der Unterricht gerade zu … schwierig.«
»Du meinst: zu langweilig. Hab ich recht?«
Normalerweise hatte Tilly kein Problem damit, ein wenig zu flunkern – aber unter dem aufmerksamen Blick der Hausmeisterin konnte sie gar nicht anders, als ehrlich zu nicken. Sie sträubte sich auch nicht, als die Frau ihre Hand nach dem Notizbuch ausstreckte.
»Zeig mir doch bitte mal, was du stattdessen gemacht hast.« Eine Weile blätterte die Hausmeisterin durch die Seiten, ohne ein Wort zu sagen. Dann klappte sie das Buch zu und zeigte Tilly mit einer schnellen Geste, dass sie mitkommen sollte. Schweigend liefen sie den Flur entlang, und Tilly fragte sich, ob die Hausmeisterin sie wohl zu ihrer Klasse begleiten würde. Doch sie hielt nicht vor Herrn Klausners Klassenraum an, sondern ging immer weiter … bis zum Büro der Schulrektorin.
Tilly hatte das Gefühl, als plumpste ihr das Herz in die Magengrube. »Bitte«, wisperte sie, »kann ich nicht einfach wieder in den Unterricht gehen? Ich werde auch nichts mehr erfinden, versprochen!«
Aber die Hausmeisterin verzog nur das Gesicht, als hielte sie das für eine ganz schlechte Idee. Hastig kontrollierte sie, ob ihr Haarknoten richtig saß, dann klopfte sie an Frau Schmelings Tür.