Читать книгу Eine feine Gesellschaft – Marder Misties zweiter Fall - Kirsten Klein - Страница 7

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Zu spät bemerkt sie die Gefahr, rennt, rennt, rennt, fühlt sich im Nacken ergriffen und quiekt. „Bitte bitte verschone mich!“

Mistie will zubeißen, zögert jedoch, das Fell der Maus zwischen den Zähnen. Beiß zu, fordert seine innere Raubtierstimme, beiß endlich zu!

Er kann nicht, jetzt nicht mehr. Entsetzt wird ihm klar, dass er viel zu lange gezögert und derweil der Maus zugehört hat. Das ist verrückt, absolut verrückt! „Ich hätte dir nicht zuhören dürfen“, jammert Mistie und lässt sie los. „Marder hören nicht auf ihre Beute! Sie beißen mardermäßig zu! Und ich bin schließlich ein Marder! Ach, was bin ich bloß für ein jämmerlicher Marder!“

„Aber nein, nein“, widerspricht die Maus. „Du bist der beste Marder der Welt, der allerbeste! Überall werde ich dich rühmen, weil du mich verschont hast.“

„Bloß das nicht, bitte nicht!“, fleht nun Mistie. Wie blamabel für ihn, wenn auch nur einer der anderen Marder davon erfährt.

„Überlass’ sie mir“, meldet sich plötzlich eine Stimme hinter ihm. Er wendet sich um und blickt in das Gesicht eines Mardermädchens. „Du bist doch der mit der Villa, nicht wahr? Du kannst es dir leisten, anderen deine Beute zu überlassen.“ Schmeichelnd reibt sie sich an ihm. „Wirst es auch nicht bereuen.“

Doch inzwischen ist es egal, wie Mistie sich entscheiden würde, denn die Maus hat ihre Chance genutzt und ist geflohen. „Weichling“, schimpft das Mardermädchen verächtlich.

Vergebens entschuldigt sich Mistie. Sie will ihm nicht zuhören. „Du bist das Letzte, wirklich das Allerletzte, weder ein richtiger Marder noch ein richtiger Hund!“

Jetzt reicht’s! Mistie will Einspruch erheben, wird aber von dem ohrenbetäubenden Gezeter einer Elster überstimmt. Er schreit dagegen an, umsonst.

Plötzlich ist das Mardermädchen weg. Stattdessen spürt Mistie über sich seine Bettdecke. Dem Himmel sei Dank! Es war ein Traum, nur ein Traum!

Aber warum hört er dann die Elster immer noch? Lauschend bewegt er seine Ohren, um herauszufinden, aus welcher Richtung die Schreie dringen. Aha, von unten, aus Sammys Praxis. Was hat eine Elster dort verloren?

Mistie findet keine Ruhe mehr, hüpft aus dem Bett, die Treppe hinunter, läuft durch das mittlerweile leere Wartezimmer und kratzt an der Tür zum Behandlungsraum. Abrupt verstummen die Schreie.

Sammy öffnet einen Spalt breit, überlegt und lässt den Marder herein, dabei ein Auge auf ihn und das andere auf die Elster gerichtet. In etwas zerrauftem Federkleid hockt sie neben einer Pappschachtel auf dem Tisch, hält den Kopf schief und beäugt den Eintretenden neugierig aus ihren blanken Knopfaugen. „Schön brav, Mistie“, mahnt Sammy vorsichtshalber. „Das ist eine Patientin.“ Der Marder schaut zu ihm auf. „Klar, schließlich ist sie in deiner Praxis, und du bist Arzt“, sagt sein Blick. „Oder hältst du mich etwa für begriffsstutzig?“ Als sie ihre Flügel ausbreitet, erkennt Mistie, dass die Elster noch nicht flügge sein kann. Sie besitzt nämlich noch keine Schwungfedern.

„Wir wollen sie Elsie nennen“, schlägt Sammy vor und sieht beide Tiere fragend an. „Was meint ihr?“

Mistie fühlt sich geschmeichelt. Schließlich hat ihn noch nie jemand bei einer Namensgebung um seine Meinung gefragt. „Elsie“, krächzt die Elster. „Meinetwegen, wenn ich dann endlich was zu futtern kriege.“

Sammy nickt zufrieden und setzt die Frischgetaufte in die Schachtel, als das Telefon klingelt. Zwar trägt er noch seinen weißen Kittel, aber die Praxis hat geschlossen. Er wirft einen Blick auf die Wanduhr. „Schon nach zwei. Eigentlich müssten unsere Mädels längst zurück sein.“

Die Schachtel mit Elsie unter dem Arm und Mistie auf den Fersen, verlässt Sammy den Behandlungsraum und nimmt am Empfang das Gespräch entgegen, obwohl der AB den Anrufer darüber informieren würde, dass die Praxis erst wieder um sechzehn Uhr öffnet.

Schon nach wenigen Worten erkennt Mistie, dass es eine Anruferin ist, die dringend einen Termin für einen Hund vereinbaren will. „Nun beruhigen Sie sich erst mal!“, schreit Sammy, um Elsie zu übertönen, die lautstark gegen ihre Schachtelhaft protestiert. „Wenn er erst seit vorhin Durchfall hat, kann er unmöglich so dehydriert sein, dass er eine Infusion braucht!“

Geduldig hört Sammy weiter zu, setzt sich auf den Empfangstresen, nimmt die Schachtel auf den Schoß und streicht Elsie mit seiner freien Hand beschwichtigend übers Gefieder. Davon überrascht, hält sie den Schnabel, legt aber gleich wieder los, lauter als zuvor. „Nein, so weit lassen wir es nicht kommen! Geben Sie ihm bitte nichts zu fressen, Wasser natürlich! Und Ruhe! Ihre Unruhe überträgt sich auf ihn!

Warum ich so schreie, habe gerade einen Notfall! Kommen Sie gleich um sechzehn Uhr, wenn der Durchfall anhält! Wieder... ...hören“, vollendet Sammy leise, was jedoch in Elsies Geschrei versinkt, legt das Telefon beiseite und wirft einen erschöpften Blick zu Mistie. Der wendet sich energisch an die Elster. „Entweder du hältst jetzt endlich den Schnabel, oder ich erinnere mich daran, dass ich ‘eigentlich’ ein Marder bin!“

„Bingo, mein Junge!“ Sammy grinst Mistie an. „Das hat gesessen.“ Mit langen Schritten umrundet der Tierarzt fast die ganze Villa. Am Pavillon, auf dessen Dach er kürzlich auf Sophias Wunsch einen Wetterhahn aus Messing anbrachte, lehnt noch eine Leiter. Etwas dahinter versetzt, bewegt der Wind die Plane auf dem Swimming-Pool. Auf den ersten Blick kann man der Illusion erliegen, es sei eine Wasseroberfläche.

Endlich erreicht Sammy die rückseitig angebaute Voliere. „Du hast die Ehre, sie einzuweihen“, verkündet er feierlich, lässt Elsie hineinhüpfen und will gerade sein Handy zücken, hält aber inmitten der Bewegung inne. „Was ist, sind sie das?“

Mistie spitzt seine Ohren und lauscht angestrengt Richtung Einfahrt. Im nächsten Augenblick biegt auch schon Lady um die Ecke, gefolgt von Sophia. “Schatz, tut mir leid!“, ruft sie. „Unsere Kleine hatte sich selbstständig gemacht.“

„Ja, und als ich zurückkam, fand ich eine völlig verängstigte Sophia vor“, kläfft Lady Mistie zu. „Dabei soll dieser merkwürdige Therapeut ihr doch Mut machen. Ich bezweifle stark, dass der dazu fähig ist.“

Mistie schnuppert an ihr herum, zunehmend aufgeregter. „Sag bloß, wie ist das möglich? Rieche ich richtig? Du hast doch nicht etwa...“

„Captain Nemo getroffen“, fällt Lady ihm ins Wort. „Doch, genau das habe ich. Die MS Viktoria liegt wieder in ihrem Heimathafen. Und unser Freund hat offenbar Blut geleckt.“

„Was!“, stößt Mistie hervor. „Der geht jetzt tatsächlich selbst auf die Jagd?“

„Nur nach zwielichtigen Gestalten“, hakt Lady ein, erzählt ihm von der Bespitzelung Sauberkrauts und dass sie nur knapp den wohlmeinenden Leuten entkam, die sie ins Tierheim verfrachten wollten.

Unterdessen bahnt sich zwischen Sammy und Sophia eine Auseinandersetzung an. Mistie bemerkt es zuerst. „Hör nur“, meint er zu seiner Freundin. „Sie reißen sich darum, wer wen zum Essen einladen darf.“ Obwohl er nun schon viele Wochen mit Menschen zusammenlebt, vergeht kaum ein Tag, an dem der Marder sich nicht über deren Verhaltensmuster und Gewohnheiten wundert.

Elsie hat inzwischen die Voliere inspiziert, klettert am Maschendraht hoch und macht mit ohrenbetäubendem „Krah Krah“ auf sich aufmerksam. „He, habt ihr mich etwa vergessen? Ich hab Hunger, Hunger, Hunger!“

Sophia, die Sammy gerade wieder mal versichern wollte, wie gerne sie für ihn bezahle und dass das überhaupt nicht ehrenrührig sei, horcht erstaunt auf und tritt an die Voliere heran. „Oh, wie ich sehe, haben wir Familienzuwachs.“

Elsie hält ihren Kopf schief und hört ihr aufmerksam zu. „Ob ich zu eurer Familie gehören will, muss ich mir erst überlegen. Ich hoffe, ihr seid nicht ganz so blöd wie die Menschen, die mich meinen Eltern entführt haben, bloß weil ich aus dem Nest gefallen bin!“

„Ich hab den Spaziergängern, die sie mir brachten, erklärt, dass Rabenvögel ihre Jungen weiterversorgen, wenn sie aus dem Nest fallen, und man sie nicht mitnehmen sollte“, berichtet Sammy und seufzt. „Elsie nützt das leider nichts mehr.“

„Sie ist bestimmt hungrig“, überlegt Sophia, worauf die Elster zustimmend krächzt. „Endlich jemand, der mich versteht!“

„Ich hol’ ihr was“, sagt Sammy, bereits unterwegs in die Villa. Ihren eigenen Magen scheint Sophia vergessen zu haben, beobachtet die Elster und redet ihr gut zu. „Gleich bekommst du was. Du hast vielleicht kluge, blanke Äuglein, siehst mich an, als ob du alles ganz genau verstündest.“

Lady räkelt sich auf dem kurzgeschorenen Rasen und lässt sich die Sonne auf den Bauch scheinen.

„Was ist jetzt mit diesem Sauberkraut?“, erkundigt sich Mistie. „Wird er diese Typen, von denen die Rede war, freilassen?“

Lady rollt sich auf den Bauch. „Das weiß vielleicht Captain Nemo. Ich musste doch fliehen, weil die mich ins Tierheim stecken wollten.“

Elsie wird schon wieder ungeduldig, steckt Sophia damit an. „Ja, du hast ganz Recht. Wo bleibt er bloß mit deinem Fresschen?“ Sie schaut Richtung Einfahrt, von wo Sammy vor unendlich lang anmutender Zeit um die Ecke gebogen ist. Dann beordert erneutes Krächzen ihren Blick zu Elsie zurück. Aber von ihr kann es nicht stammen. Sie hält gerade brav ihren Schnabel und schaut zum Waldrand, woran das in sanften Bodenwellen verlaufende Grundstück grenzt.

Mistie und Lady folgen ihrem Blick, jetzt auch Sophia. Alle horchen so gebannt in den Wald, dass Sophia wie aus einer Trance aufschreckt und herumfährt, als sie hinterrücks angesprochen wird.

„Prinzessin, entschuldige.“ Sammy will sie am liebsten umarmen, kann es aber nicht, weil er beide Hände voll hat, links einen Napf mit Rührei und Mehlwürmern, rechts eine Plastikschüssel voll Wasser. Damit weicht er zurück, als er registriert, wie angsterfüllt Sophias Augen darauf haften. „Oh, ich dachte, Elsie möchte vielleicht gern baden.“

Kaum hat er beides auf dem Erdboden vor der Voliere abgestellt, um deren Tür zu öffnen, klammert sich die Elster an den Maschendraht, steckt ihren Schnabel hindurch und versucht, die krabbelnden Mehlwürmer zu erreichen. Mistie schiebt ihr den Napf zu und kostet selbst daraus.

„Ich helfe dir“, sagt Sophia zu Sammy mit unterdrücktem Zittern in der Stimme und ergreift die Wasserschüssel, heftet dabei ihren Blick an die Volierentür.

„Lass nur, ich mach’ das schon“, entgegnet Sammy schnell. „Nein, lass es mich bitte tun“, beharrt Sophia. „Es kann doch einfach nicht sein, dass ich mich vor einem Schüsselchen voll Wasser fürchte. Geh rein und zieh dich um, damit wir endlich fortkommen. Ich kümmere mich um Elsie.“

Sammy zögert. „Ich weiß nicht...“ „Aber ich“, unterbricht ihn Sophia entschlossen. „Los los, du könntest schon längst wieder zurück sein.“

Sammy druckst herum. „Da ist noch was, Prinzessin.“

„Was denn?“, wundert sich Sophia, mit einer Hand die Wasserschüssel weit von sich weg haltend.

„Eine Frau mit einem Hund, im Wartezimmer.“

Wasser schwapppt über den Schüsselrand, so sehr zittert Sophias Hand schon wieder. „Jetzt? Du öffnest doch erst um vier.“

„Ja, aber sie ist so besorgt.“

Sophia sieht Sammy eindringlich in die Augen. „Ist das denn wirklich ein Notfall?“

„Nein, eher nicht, aber...“ Wie soll er ihr erklären, was er selbst nicht ganz versteht, dass diese Frau irgendwie etwas Zwingendes an sich hat, was ihm jeglichen Widerspruch verwehrt? Dass vielleicht nur er als Mann es so empfindet, kommt dem jungen Tierarzt gerade nicht in den Sinn. „Liebes, ich kümmere mich geschwind darum und...“

Sophia lässt ihn nicht ausreden. „Hier“, drückt sie ihm die inzwischen nur noch halbvolle Schüssel in die Hand und wendet sich dem Hintereingang ihrer Villa zu. „Dann kannst du das auch selber machen.“

Belämmert steht Sammy da, sieht ihr und Lady nach, die ihr folgt und sich auf halbem Weg nach Mistie umdreht. „Pass du auf ihn auf und überprüf' diese Frau.“

Der Marder hätte sich ja viel lieber ein paar Stündchen aufs Ohr gelegt als gleich beide zu spitzen, aber Ladys Anweisung duldet keinen Widerspruch. Ergeben trottet er also hinter Sammy her. Im Wartezimmer sitzt eine schwarzmähnige junge Frau, die aus supersexy Shorts herausragenden Endlosbeine teilweise verdeckt von einem Fellberg von Hund in selber Haarfarbe. Mistie sieht, dass er angeleint ist, bleibt aber trotzdem vorsorglich dicht hinter Sammy. „So Frau Sieger“, beginnt der und wird sofort von ihrer melodiösen Stimme unterbrochen. „Gut, dass Sie kommen.“

„Wie dünnflüssig ist denn Brunos Stuhl?“, erkundigt sich der Tierarzt.

Charlotte Sieger erhebt sich graziös und tritt an ihn heran, etwas näher als es unbedingt nötig wäre. „Blutig, das pure Blut. Sonst würde ich Sie doch nicht in Ihrer sicher wohlverdienten Mittagspause überfallen.“

Sammy will ausweichen, bleibt aber wie angewurzelt stehen – zumindest für einen langen Moment, so lange, dass es Mistie auffällt. „Ja, also... Gut... Dann sehen wir uns Bruno mal an“, stammelt Sammy endlich irritiert, fasst sich aber gleich wieder und lässt den Fellberg am Handrücken schnuppern. „Hallo Bruno, bist du so umgänglich wie du aussiehst?“

Die Schwarzmähnige lächelt betörend. „Zu seiner Charlotte und charmanten Tierärzten immer. Allerdings“, fährt sie fort und wirft einen skeptischen Seitenblick auf Mistie, „kann ich für seine guten Manieren gegenüber Wildtieren nicht die Hand ins Feuer legen.“

Wer würde auch so was Dummes tun, denkt Mistie und zieht sich vorsichtshalber hinter den Tresen zurück. Gleich spickt er aber neugierig hervor und beobachtet, wie das Fieberthermometer scheinbar völlig in Brunos After verschwindet. „Er hat eine unglaublich dichte Unterwolle“, bemerkt Sammy. „Wie alt ist er denn?“

„Geschätzte sieben, kommt aus dem Tierschutz. Seine Mutter war ein Briard. Aber sagen Sie...“ Charlotte hält im Sprechen inne und schaut zu Mistie herüber. „Ist das etwa der berühmte Marder, über den ich in der Zeitung las?“

Aha, überlegt Mistie. Ist sie womöglich gar nicht wegen Bruno hier, sondern nur neugierig auf mich? Bruno hat jedenfalls eine ganz normale Temperatur, wie Sammy feststellt, und wirkt auch sonst kein bisschen krank, knurrt verhalten, als Sammy seine Maulschleimhäute überprüft und leicht darauf drückt.

Mistie, der die hellen Augen im schwarzen Hundegesicht auf sich gerichtet fühlt, ist unsicher. Gilt Brunos Unmut ihm?

„Blutiger Durchfall...“, überlegt Sammy, schaut dann in Charlottes Gesicht. „Das ist seltsam, aber ich kann Sie beruhigen. Meines Erachtens besteht keine akute Gefahr. Vorsichtshalber sollte er heute trotzdem nichts mehr fressen.“ Bruno winselt, als Charlotte ihm über den Kopf streicht. „Sei schön brav zu dem Marderchen“, ermahnt sie ihn. „Das ist nämlich ein richtiger Held!“

Sammy lacht. „Ja, sogar deutsche Zeitungen berichteten darüber.“

Charlotte lächelt verführerisch und berührt seine Brust. „Aber mal Hand auf’s Herz – haben die nicht ein ‘bisschen’ übertrieben?“

„Das hatten sie diesmal ausnahmsweise nicht nötig“, versichert Sammy verschmitzt. „Doch ich kann Ihre Zweifel nachvollziehen. Was für eine verrückte Geschichte! Wenn ich sie nicht selbst erlebt hätte...“

Mistie fasst es nicht. Jetzt beginnt der doch tatsächlich zu erzählen, hat offenbar nicht gemerkt, wie Charlotte das Thema direkt darauf gelenkt hat. Steckt dahinter wirklich nur Neugier? Mistie versteht zwar noch nicht, was sie damit bezweckt, aber die ist ihm auf jeden Fall noch suspekter als Bruno. Apropos Bruno – an den wagt er sich jetzt doch nicht heran. Dazu ist jemand anderes weitaus geeigneter.

So schnell seine kurzen Beinchen es ermöglichen, hoppelt der Marder die Treppe hinauf, rast einen breiten, hellen Flur entlang, der in die riesige Bibliothek mündet, und bremst dermaßen abrupt, dass das Leder unter den Ballen aller Pfoten schier quietscht auf dem Parkett.

Vor einem Fenster, das sich fast über die gesamte Höhe und Breite der zum parkartigen Garten gelegenen Außenwand erstreckt, hockt Sophia in einem orangenen Stressless-Sessel, Lady halb auf Lehne und Schulter liegend und beide Unterschenkel schräg an den Oberkörper gezogen. Den letzten Riegel einer Schokoladentafel in sich hineinstopfend, sieht sie den Marder verdutzt aus geröteten Augen an. „Na Mistie, willst du mich auch trösten? Das ist aber lieb von dir.“

Verlegen wendet sich Mistie an Lady. „Komm schnell und sprich mit diesem Hund. Mit seinem Menschen stimmt was nicht!“

„Meinst du wirklich?“ Lady springt von der Lehne. „Eigentlich kann ich Sophia jetzt nicht allein lassen.“ Die gibt auch schon einen enttäuschten Seufzer von sich und veranlasst die Hündin damit zu einem besorgten Blick.

Aber Mistie lässt nicht locker. „Du musst, wenn dir unser aller Leben lieb ist!“

Also winselt Lady Sophia entschuldigend zu und folgt ihm, der bereits auf der Treppe ist. „Jetzt tu doch nicht so theatralisch!“ Wieder so ein Wort, mit dem der Marder nichts anfangen kann, aber das ist ihm momentan egal. „Los beeil dich!“, drängt er, erreicht den Hausflur und muss feststellen, dass die Tür zur Praxis verschlossen ist. Zwar vernimmt er Sammys und Charlottes Stimmen, jedoch von draußen.

Lady kriegt das auch mit und schlüpft durch die Marderklappe, gefolgt von Mistie. Betreten sehen sie Charlottes blutrotem Sportcoupé hinterher, das durch die von Magnolien gesäumte Einfahrt davonbraust.

„Na ihr beiden“, sagt Sammy und folgt ihrem Blick. „Ein bisschen schnell für’s Wohngebiet.“

Hund und Marder lassen sich die Tür öffnen und hereinbitten. „Von der geht nichts Gutes aus, das spüre ich“, argwöhnt Mistie. „Witternd prüft Lady die Luft im Foyer. Sie beinhaltet noch deutliche Duftspuren der Besucherin. „Und ich rieche es, kommt mir irgendwie bekannt vor, dir nicht?“

„Hm“, überlegt Mistie. „Bin mir nicht sicher, kann’s nicht zuordnen.“ Lady zittert vor Nervosität. „Wenigstens ist sie jetzt weg.“ Doch auch Mistie lässt sich davon nur bedingt beruhigen. „Vorerst.“

Eine feine Gesellschaft – Marder Misties zweiter Fall

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