Читать книгу Glauben an einen Gott, den es nicht gibt - Klaas Hendrikse - Страница 7

Ein Wort über mich

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Pfarrer zu werden, wurde mir nicht in die Wiege gelegt. Ich wurde 1947 geboren als Sohn eines atheistischen Vaters und einer Mutter, die sich allmählich in die gleiche Richtung verirrte. Mein Vater war Tierarzt in Groot-Ammers, einem Dorf, in dem man damals vor dem Pfarrer noch den Hut oder die Mütze abnahm. Groot-Ammers liegt im Alblasserwaard, einer Gegend, in der bis auf den heutigen Tag das Wort Gottes noch unverfälscht verkündigt wird.

Letzteres allerdings habe ich in meiner Jugend nie vernommen, denn meine Erziehung war streng atheistisch. Erst als ich dreiundzwanzig war, nahm ich zum ersten Mal an einem Gottesdienst teil, und der war nicht besonders ermunternd. So wenig wie ein Besuch im Pfarrhaus, den ich als ungefähr Achtjähriger auf Verlangen meines Vaters machen musste, um mich wegen unanständigen Benehmens gegenüber dem Pfarrer zu entschuldigen. Ich kann die Szene nicht mehr genau rekonstruieren, aber ich vermute, dass die traumatischen zehn Minuten, die ich dort verbrachte, in nicht geringem Mass zu dem eigenartigen Unbehagen beigetragen haben, das mich seither beim Wort «Kirche» befällt. Ich bin unterdessen seit mehr als zwanzig Jahren Pfarrer, aber noch immer geschieht es bisweilen, dass ich morgens aufwache, mit einem Bein aus dem Bett steige, feststelle, dass ich Pfarrer bin, und vor Verwunderung wieder in die Kissen sinke: Ich? Ein Pfarrer? Ein Leben kann merkwürdig verlaufen, oder, wenn man so will (aber so würde ich’s nicht sagen): Die Wege des Herrn sind unerforschlich.

Als Kind wurde mir erklärt, dass es Gott nicht gibt und dass Glaube und Zur-Kirche-Gehen etwas für andere ist. Bei Eltern von Klassenkameraden und auch in meiner eigenen Verwandtschaft konnte ich spüren, was bei den anderen anders war: Sie taten so, als ob es Gott doch gäbe. Später, wenn ich jeweils die Rechnungen unserer Tierarztpraxis austrug, begegnete mir dieses Anders-Sein bei den Bauern und Bäuerinnen. Ich sah, wie sie lebten, in Verhältnissen, die wir heute als «unter dem Durchschnitt» bezeichnen würden, wie sie mit Einschränkungen umgingen, mit Erfolg und Misserfolg, miteinander. Sie schienen mir über etwas zu verfügen, was man in meinen Kreisen nicht kannte: eine Fähigkeit, das Leben so anzunehmen, wie es war, nicht als etwas Selbstverständliches, sondern als etwas von irgendwoher «Gegebenes», und es sah so aus, als wären ihnen damit auch Halt und Ermutigung mitgegeben, um hinzunehmen, was für sie bestimmt oder «verfügt» war.

Besser konnte ich das damals und kann ich es noch heute nicht ausdrücken. Aber es hat mich berührt und meine Neugier geweckt. Wenn es stimmte, dass diese Leute, wie man mich gelehrt hatte, an einen Gott glaubten, den es gar nicht gab, warum taten sie dann so, als ob es Gott doch gäbe? Mir war damals schon klar, dass man diese Frage nicht mit der einfachen Antwort abtun konnte: Sie lassen sich eben etwas weismachen, was samt und sonders Unsinn ist.

Ich absolvierte den Militärdienst, studierte, trat ins Berufsleben. Ich hatte weder Lust noch Zeit noch das Bedürfnis, mich mit geistlichen Dingen zu befassen, und schon gar nicht mit Gott. Erst nachdem ich geheiratet hatte und einigermassen «etabliert» war, kam jene Frage zurück: Was ist denn so anders bei den anderen? Und wenn es diesen Gott, an den sie glauben, gar nicht gibt, was kann dieser Gott dann doch bewirken?

Um es kurz zu machen: Ich studierte Theologie. Ich habe viel dabei gelernt, vor allem über das, was ich jetzt «Nicht-Gott» nenne. Besonders das Fach Dogmatik hat wesentlich dazu beigetragen, mich in meinem Atheismus zu bestärken. Unter solchen Umständen schien freilich alles andere als ein Pfarramt in Aussicht zu stehen.

In den letzten Studienjahren besuchte ich dann einige Veranstaltungen über «Psychosynthese und Religion» bei Dolf Coppes.1 Da ging mir ein Licht auf, das seither nie mehr erloschen ist: Es ist doch möglich, man kann ein gläubiger Mensch, sogar ein Christ sein, ohne glauben zu müssen, dass es Gott gibt.

Ich begeisterte mich für das Pfarramt, bezweifelte aber, dass sich Gemeinden fänden, denen meine Überzeugung nicht zu weit ging. Es stellte sich heraus, dass es solche gab, in Zeeland noch immer gibt. Der Ehrlichkeit halber muss ich sagen, dass ich jeweils im Vorstellungsgespräch die Frage, ob es Gott gibt, von meiner Seite her nicht aufgeworfen habe, und von der anderen Seite wurde sie auch nicht gestellt, vermutlich, weil man die Antwort als bekannt voraussetzte. Ich beliess es dabei, und so wurde ich Pfarrer, zuerst in Zierikzee, dann in Middelburg.

Dort liess ich dann an einem Gemeindeabend einen ersten Versuchsballon steigen mit der Behauptung, der Glaube der meisten Menschen beruhe auf der Überzeugung, dass es einen Gott gibt; mein Glaube beruhe auf der Überzeugung, dass es diesen Gott nicht gibt. Das war zwar ein Anfängerfehler, der mich beinahe meine Stelle gekostet hat (der Pfarrer glaubt nicht an Gott!), dafür aber eine korrekt formulierte atheistische Behauptung: Ich behauptete, nicht zu glauben an einen Gott, von dem andere behaupten, dass es ihn gebe. Das ist genau das, was Atheisten tun oder tun müssten.

Ich stehe noch immer zu dieser Aussage, doch um Missverständnissen zuvorzukommen, formuliere ich sie heute anders. Ich sage: Der Ausdruck «es gibt» passt nicht zu dem, was ich Gott nenne. Damit drücke ich aus, dass (mein) Gott nicht unterzubringen ist in der Kategorie jener Dinge, von denen gesagt werden kann, dass es sie gibt. Darauf wird meistens etwas weniger schockiert reagiert, aber es kommt auf dasselbe heraus: Gott gibt es nicht. Die Erfahrung aber hat mich inzwischen gelehrt, hinterher sofort zu sagen, dass ich dennoch an Gott glaube, und das kann nicht oft genug wiederholt werden, hiermit einmal mehr!

Glauben an einen Gott, den es nicht gibt

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