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c) Bestellung

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Ein häufig vernachlässigtes, im Einzelfall aber durchaus problemreiches Element des Amtsträgerbegriffs nach § 11 Abs. 1 Nr. 2c ist das der „Bestellung“ („zur Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung“).[111]

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Dass diese „Bestellung“ durch einen öffentlich-rechtlichen Akt zu erfolgen hat, entspricht – soweit ersichtlich – allgemeiner Meinung.[112] Unklar ist allerdings schon, ob und wie ein solcher (öffentlich-rechtlicher) Bestellungsakt von dem ggf. privatrechtlich begründeten Beschäftigungsverhältnis zu trennen ist.[113] Soweit als Bestellungssubjekt eine „Behörde“ in Betracht kommt, ist mit einer dauerhaften Beschäftigung nach den Regeln etwa des „Tarifvertrages der Länder“ zugleich eine „Bestellung“ zur Wahrnehmung der behördlichen Aufgaben verbunden.

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Anders verhält es sich, wenn es um die Beauftragung eines privaten Dienstleisters durch eine Behörde geht. Hier verbindet sich mit dem privatrechtlichen Dienstvertrag noch keine „Bestellung“. Sie ergibt sich auch nicht aus der Art der von dem „Verwaltungshelfer“ vorgenommenen Tätigkeit. Der BGH verlangt vielmehr, dass es sich entweder für den Betroffenen um eine langfristige Tätigkeit handeln muss oder seine Tätigkeit eine organisatorische Eingliederung in die Behördenstruktur bedingt.[114]

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Eine präzise, für den Strafrechtsadressaten leicht zu entschlüsselnde Definition verbindet sich mit dieser sog. „organisatorischen Betrachtung“ allerdings nicht: Der BGH versäumt zu begründen, unter welchen Voraussetzungen eine „längerfristige Tätigkeit“ anzunehmen ist und warum allein die bloße Längerfristigkeit der vertraglichen Beziehung eine „Bestellung“ indizieren soll, die kurzfristige, aber ggf. umso intensivere Hilfe bei hoheitlichen Eingriffen diesseits einer „Beleihung“ aber nicht.

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Schwer nachzuvollziehen ist der Umgang des BGH mit dem Erfordernis der „Bestellung“ auch, wenn die in Frage stehende, ggf. auch dauerhaft und voll in den betrieblichen Ablauf integrierte Person, bei einer „sonstigen Stelle“ beschäftigt ist, die privatrechtlich organisiert ist. Hier will der BGH offensichtlich einen Unterschied machen zwischen der nach wie vor einen öffentlich-rechtlichen Akt verlangenden „Bestellung“ eines „privaten Verwaltungshelfers“[115] und dem Beschäftigen in einem Unternehmen, das „selbst durch öffentlich-rechtlichen Akt, nämlich durch … einen öffentlich-rechtlichen Vertrag … zur Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung berufen“ ist.[116] In letzterem Unternehmen sollen Mitarbeiter schon „dadurch“, d. h. allein durch die „Bestellung“ des Unternehmens, von diesem dann (nur noch) per Anstellungsvertrag i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 2c „bestellt“ werden können.

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In dieser „Deduktion“ des BGH liegt nicht nur ein Bruch mit der angeblich nach wie vor Beachtung verlangenden überkommenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zum „strafrechtlichen Beamtenbegriff“[117], in der – wie selbstverständlich – ausnahmslos von einem öffentlich-rechtlichen Bestellungsakt gesprochen wird.[118] Begründungsbedürftig ist auch, warum bzw. auf welche Weise eine juristische Person überhaupt „bestellt“ werden kann; oder umgekehrt, warum in der Möglichkeit einer mittelbaren „Bestellung“ keine Umgehung der Vorschrift des § 14 und kein Verstoß gegen das Analogieverbot liegt:[119]

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Immerhin wird eine nicht-beliehene juristische Person des Privatrechts unbesehen mit einer „Behörde“ gleichgesetzt und ein „Vertreter“ in die Haftung genommen, obwohl die Voraussetzungen des § 14 nicht vorliegen.[120]

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Abgesehen davon bejaht der BGH selbst dann – undiskutiert – eine „Bestellung“ einer juristischen Person des Privatrechts, wenn diese nicht (einmal) durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit dem Staat verbunden ist.[121] Auch darin liegt eine Missachtung der – jedenfalls nach Auffassung des Gesetzgebers und des BGH – fortgeltenden Rechtsprechung des RG bzw. des „frühen“ BGH (§ 359 a. F.) zur „Bestellung“.[122] Nach dieser Rechtsprechung war es selbstverständlich, dass eine „Bestellung“, die „naturgemäß“ von einem Träger öffentlicher Gewalt auszugehen hatte, nur ein „öffentlich-rechtlicher Akt“ sein konnte.[123] Dass juristische Personen des Privatrechts sollten „bestellt“ werden können und mit ihnen die dort Beschäftigten, war der Rechtsprechung vor 1997[124] schon deswegen keiner Diskussion wert, weil juristische Personen des Privatrechts ohnehin nicht als „sonstige Stelle“ galten[125] oder zumindest nicht Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung waren.

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In diesem Zusammenhang verwundert auch, dass die „Berufung“ zum „Beamten“ (vgl. § 359 a. F.) bzw. die „Bestellung“ zum „Amtsträger“ (§ 11 Abs. 1 Nr. 2c) zwar allenthalben als „öffentlich-rechtlicher“ Akt bezeichnet wird,[126] dass aber diese Inpflichtnahme einer Person durch das Strafrecht in dem für Verwaltungshandeln eigentlich zuständigen Öffentlichen Recht – soweit ersichtlich – nicht vorkommt. Angesichts der nicht zuletzt vom BGH beschworenen Verwaltungsrechtsakzessorietät des „Amtsträgerbegriffs“[127] mag dies überraschen, darf allerdings umgekehrt nicht dazu führen, dass ausgerechnet in Bezug auf die „Bestellung“ nunmehr rein ergebnisorientiert auf jeden Rückgriff auf Grundsätze des Verwaltungsrechts verzichtet wird.

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Insbesondere kann daher eine „Bestellung“ nicht allein deswegen angenommen werden, weil eine Person „Aufgaben der öffentlichen Verwaltung“ wahrnimmt. Letzteres kann zwanglos auch durch einen Angestellten eines materiell privatisierten Unternehmens, das keine „sonstige Stelle“ ist, erfolgen. Die „Bestellung“ darf sich aber auch nicht aus dem Umfang der staatlichen Beteiligung oder der Art der „Steuerung“ des Unternehmens durch die öffentliche Hand ergeben, weil (auch) diese Umstände allein die juristische, nicht aber die natürliche Person betreffen.

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Soweit der BGH meint, dass durch einen „öffentlich-rechtlichen Akt“, nämlich „… einen öffentlich-rechtlichen Vertrag“ ein Unternehmen „zur Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung berufen“ werden könnte und allein „dadurch“ zugleich „einzelne Mitarbeiter … zu Amtsträgern“ transformiert werden könnten,[128] fehlt jede Auseinandersetzung mit der abschließenden Regelung des § 14. Gemäß dieser Vorschrift könnte die „Bestellung“ der juristischen Person einen Vertreter[129] des Unternehmens nur dann zu einem „Amtsträger“ machen, wenn die Amtsträgereigenschaft ein besonderes persönliches Merkmal des Unternehmens (!) wäre. Dazu müsste aber eine juristische Person „Amtsträger“ sein können. Das ist nicht der Fall.[130] Die Konstruktion einer mittelbaren „Bestellung“, mit der der BGH das unübersehbare Fehlen eines an die jeweilige als „Amtsträger“ in Betracht kommende Person gerichteten „öffentlich-rechtlichen Aktes“ gleichsam „heilen“ will, stellt eine Umgehung der Regelung des § 14 dar und ist damit eine strafbarkeitserweiternde unzulässige Analogie.

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Abgesehen davon läge es in der Konsequenz der Auffassung des BGH, dass eine „Bestellung“ allein deswegen vorliegen würde, wenn eine Person in irgendeinem Unternehmen „Aufgaben der öffentlichen Verwaltung“ wahrnimmt. Dass das nicht richtig sein kann, zeigt sich allerdings daran, dass auch materiell privatisierte Unternehmen oder in Public-Private-Partnership geführte Unternehmen bei vertraglicher Bindung an die Auftrag vergebende öffentliche Hand „Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen“, ohne dass das Unternehmen oder gar dessen Mitarbeiter deswegen i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 2c zur Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung „bestellt“ wären! Mit Blick auf „mittelbare“ Bestellungen sollte es daher bei dem bleiben, was der 1. Senat des BGH in seiner Entscheidung vom 15. Mai 1997 mit erfreulicher Klarheit hervorgehoben hat: „Allein aus der von einer Bestellung losgelösten Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung lässt sich kein ausreichendes Abgrenzungskriterium – zumindest für die §§ 331 ff. entnehmen. … Eine Amtsträgereigenschaft ist ohne öffentlich-rechtlichen Bestellungsakt nicht anzunehmen.“[131]

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Deutlicher ließe sich die Fortgeltung der Rechtsprechung zu § 359 a. F.,[132] aber auch das Erfordernis eines unmittelbar personenbezogenen „öffentlich-rechtlichen“ Bestellakts, eigentlich kaum postulieren; der BGH hat dem allerdings nicht Folge geleistet.

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