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Kriegst du auf Fresse

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Fup ist begeistert. Eine Achterbahn auf Wasser. Genau das Richtige für ihn. Von außen sieht das sehr verlockend aus. Auf dem Boot, wenn man nicht mehr raus kann, wird die Sache dann doch brenzlig, vor allem, wenn das Boot das steile Gefälle nach unten rauscht, schwappt und donnert. Aber Fup hält sich wacker. Nur »Mehr!«, wie es ihm sonst fordernd über die Lippen kommt, will er dieses Mal nicht.

Die Maientage in der Hasenheide haben aber noch jede Menge Attraktionen mehr zu bieten. Und Schausteller. Ich bin fasziniert von den Schaustellern, auch wenn sie sich vom Publikum inzwischen nicht mehr sonderlich unterscheiden, denn Tätowierungen – früher mal ihr Alleinstellungsmerkmal – hat inzwischen jeder, und das überall und flächendeckend. Vielleicht liegt es an den nach hinten gekämmten langen und geschwärzten Haaren aus Pomade. Vielleicht an ihrem gelangweilten und deprimierten Blick.

Ich traue mich kaum ans Kassenhäuschen. Da sitzt was Mürrisches drin und rückt nur widerwillig die Chips heraus. Es ist nicht viel los. Das Karussel fährt für Fup ganz allein, und er kann sich ganz allein auf einem Motorrad ins Zeug legen. Beim Ponyreiten werden vier traurige Ponys im Kreis geführt von einem älteren Mann, der den Kopf genauso hängen lässt wie die Ponys.

»Eine Runde noch, dann ist Schluss«, sagt der Mann. Es hört sich deprimiert und sehr existentiell an.

Auch die Bratwurst ist deprimierend. Sie hat eine dicke braune Kruste, weil sie schon lange auf dem Rost liegt. Aber schließlich muss sie noch verfüttert werden. Da kommen wir genau richtig. Fup schmeißt seine Bratwurst einfach in den Sand. Das ist nicht die schlechteste Alternative.

Wir setzen uns auf eine Bank. Neben uns lärmen zwei türkische Großfamilien. Einer der Män­ner guckt uns lange an. Dann fragt er: »Seid ihr Sinti?«

»Nein«, sagt Nadja, und das ist schade, dass man immer automatisch die Wahrheit sagt, denn jetzt werden wir nie erfahren, was gewesen wäre, wenn wir gesagt hätten: »Sieht man uns das so deutlich an?«

Sofort entbrennt eine heftige Diskussion darüber, von der wir allerdings nichts verstehen, weil auf türkisch diskutiert wird.

»Bist du der Mann«, fragt mich der andere Mann. Komischerweise weiß ich sofort, was er meint. Fröhlich halte ich meine Hand mit dem Ehering in die Höhe. Der befindet sich bei mir am Mittelfinger, und um den Ring zu betonen, knicke ich die anderen Finger ein. Für eine Sekunde wird es plötzlich ganz still. Man hätte eine Stecknadel gehört, hätte jemand eine fallen lassen. Aber niemand hatte eine Stecknadel zur Hand. Das ist natürlich Quatsch, aber ich wollte das immer schon mal schreiben. In Wirklichkeit ergießt sich die Soße aus Schnulzen, Rap und Techno auch weiterhin über den Platz und verklebt die Ohren.

»Wenn du so machen«, sagt der Mann, zeigt mir den Mittelfinger und lacht, »kriegst du auf Fresse.« Erst jetzt fällt mir auf, dass meine Geste nicht besonders glücklich gewählt war. Das hat man davon, wenn man unbedingt seinen Ehering vorzeigen muss.

Der kleine Fup

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