Читать книгу Lieblingsplätze Chiemgau - Klaus Bovers - Страница 7
Hier fand der Chiemgau seine Mitte Der See, die Inseln und die Ufer
ОглавлениеMit dem See hat der Chiemgau seine Mitte gefunden. Er brauchte nicht lange zu suchen, sie wurde ihm geschenkt, vor etwa 10.000 Jahren, am Ende der letzten Eiszeit.
Mit seinen Inseln und Buchten war er ein Präsent der Natur, und der Mensch nahm das große, fischreiche Gewässer als Geschenk gerne an. Die Kelten besiedelten Ufer und Inseln, die Römer bauten ein Kastell in Seebruck, und missionierende irische Mönche brachten im 7. Jahrhundert neue Gedanken an den See. Eine Weltsicht, die den Frieden betonte und mit dem Erfolg der christlichen Mission den Grundstock für die Klosterkultur im Chiemgau legte. 14 Klöster gab es zu ihrer Blütezeit, die Inselklöster waren dabei immer die wichtigsten.
Um den See herum fiel die Friedensbotschaft auf fruchtbaren Boden, denn im Chiemgau blieb es immer, selbst in kriegerischen Zeiten, überwiegend friedlich. Der Chiemgauer mag’s nun mal harmonisch, und seine eigene Mitte findet er gerne dann, wenn Arbeit und Feiern im Gleichgewicht sind.
Apropos Arbeit: Auf beiden Inseln standen schon früh bedeutende Bauwerke. Da ergibt sich die Frage, wie das seinerzeit mit der Logistik war. Für Transport und Fischerei auf dem Chiemsee gab es lange Zeit nur den Einbaum, ein primitives Fahrzeug aus der Vorzeit. Auf manchen Bildern der Chiemseemaler kann man ihn noch bewundern – und bewundern müssen wir auch die Leistung der alten Inselbaumeister.
Der neue Inselbaumeister Ludwig II. verfügte schon über viel modernere Wasserfahrzeuge, als er Schloss Herrenchiemsee errichten ließ. Schon seit 1846 gab es nämlich auf dem Chiemsee eine Dampfschifffahrt! Das erste Fahrzeug war mehr ein Experiment, aus Fichtenholz gebaut vom Grassauer Zimmermann Wolfgang Schmid. Maschinerie und Dampfkessel kamen aus München, Letzteren fertigte der Kupferschmied Joseph Feßler. Die »Bauernarche« erntete viel Spott, aber dass sie überhaupt schwamm, war eine Sensation und fast wichtiger als die langen Stunden, die sie auf ihrer Jungfernfahrt von der Feldwies zur Fraueninsel brauchte.
Joseph Feßler witterte trotzdem ein Geschäft, kaufte dem Zimmermann die Arche samt königlicher Lizenz ab und baute den ersten eisernen Dampfer namens Maximilian. Der hatte viele Nachfolger und alle liefen und laufen bis heute unter der Flagge der Familie Feßler. Die nach dem Tod des Märchenkönigs heftig einsetzende Neugier auf sein Inselschloss ließ den Chiemgauern keine Wahl, sie erlernten von da an den Fremdenverkehr.
Keine Wahl hatten 80 Jahre zuvor auch die beiden Inselklöster, als sie 1803 mit der Säkularisation aufgelöst wurden. Auf der Fraueninsel durften die Nonnen zwar weiter im Kloster wohnen, aber nur, weil sich für die Gebäude kein Käufer fand. Das Kloster der Chorherren von der Herreninsel wurde dagegen verkauft, im barocken Dom wurde 1818 sogar eine Brauerei eingerichtet. Der Münchner Großkaufmann Alois Fleckinger ließ dafür die zwei Türme abreißen. Die Chiemgauer mochten sein Bier überhaupt nicht, und er gab sehr bald auf. Die Nonnen auf Frauenwörth hingegen gaben nicht auf, ihr Kloster ist heute ein spiritueller Leuchtturm.
Die Chiemseefischer waren bis 1803 gewohnt an klösterliche und kurfürstliche Vorgaben, die neue, ungewohnte Selbstständigkeit war für sie eine große Herausforderung. Aber der See ernährte seine Fischer weiter, Renken und Brachsen wurden schließlich immer gebraucht. Zur Zeit gibt es 16 Fischer am Chiemsee, sechs davon auf der Fraueninsel, manche seit Generationen. An schönen Sommertagen, wenn sich die Fischer den See mit einem Dutzend Dampfer und Hunderten Seglern teilen, kommt es trotzdem nie zu Konflikten. In der Mitte des Chiemgaus mit seiner paradiesischen Szenerie findet jeder sehr rasch seine ganz persönliche Mitte, und sei es nur für einen Tag auf dem See.