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Die Geburt eines Dichters. Wie der Free Jazz die Freiheit entfesselte

Das Motto seiner im Frühjahr 1966 in Manhattan spielenden Erzählung hat der fünfundsiebzigjährige Berliner Schriftsteller Friedrich Christian Delius in Robert Musils Mann ohne Eigenschaften gefunden: »Und die Musik hielt keinen Augenblick still, die Musik kannte kein Nein.« Die Musik, das ist der Free Jazz des Albert Ayler, der durch Slug's Saloon in der unteren Lower East Side tobt. Dorthin hat sich der dreiundzwanzig Jahre junge Ich-Erzähler von zwei Freunden entführen lassen, und was er dort erlebt, ist nichts weniger als ein »Ritus der Initiation«. Der verträumte Jüngling aus dem Pfarrhaus im nordhessischen Korbach, der nach ersten – gar nicht mal erfolglosen – dichterischen Versuchen im Westberliner Studentenmilieu um Autonomie und Selbstbewusstsein ringt, wird durch die »vulkanische Gewalt der Musik« verzaubert. Wie noch nie zuvor spürt er die unwiderstehliche Kraft von Freiheit und Schönheit, die ihn zu einem politisch wachen Künstler werden lässt. »Improvisieren, frei und doch an versteckte Regeln gebunden, so war es oft auch beim Schreiben«. Slug's Saloon wird zum Geburtsort eines jungen Dichters namens F. C. Delius.

Den biografischen Hintergrund des Ganzen – die abenteuerliche Reise der Gruppe 47, an der auch Jungpoeten wie Hans Christoph Buch, Peter Handke oder eben Delius teilnehmen durften – hat Jörg Magenau in seinem Buch Princeton 66 beleuchtet. Doch die Gruppe 47 oder die Politik der USA in jenen Jahren, ja selbst das fulminante Konzert sind dem Erzähler von Anfang an vornehmlich Anlass zu Assoziationen. »Neben dieser Vorstellung liefen auf einer zweiten Spur im Gehirn Filme ab.« In diesen Filmen geht es um Pubertätskonflikte mit dem vom Zweiten Weltkrieg nicht unbeschädigten Vater, um die beschwiegene NS-Vergangenheit angesehener Korbacher Bürger, um frühe Küsse und Liebesschmerzen und schließlich um die Entdeckung der »Heilkraft des Schaffens und Schöpfens«. Sie macht aus dem stotternden Provinzler einen von John F. Kennedys Berliner Rede angeregten, durch die Lieder von Wolf Biermann aufgerüttelten und durch die ersten Protestaktionen gegen den Vietnamkrieg politisierten Schriftsteller. Die expressive und zugleich elegante Prosa des Büchner-Preisträgers trägt. Durch den mit einem Pasolini-Diktum begründeten und dennoch abschreckend öden Buchtitel sollte sich niemand von der Lektüre abhalten lassen.


Friedrich Christian Delius: Die Zukunft der Schönheit. Erzählung. Berlin 2018: Verlag Rowohlt Berlin. 92 S.

HIPPIES, PRINZEN UND ANDERE KÜNSTLER

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