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Wahrnehmung als Ereignis. Weltpoesie aus Brannenburg am Inn

Rainer Malkowski, 1939 in Berlin geboren, zog sich im Alter von zweiunddreißig Jahren aus einem überaus erfolgreichen Berufsleben zurück und wurde ein von Kollegen, Kritikern und Lesern hochgeschätzter, mit bedeutenden Preisen geehrter Dichter. Seinem ersten Lyrikband Was für ein Morgen (1975) folgten acht weitere Gedichtbände sowie Kurzprosa, Essays, Aphorismen und Kinderbücher. Dazu kommt eine Vielzahl von Arbeiten für Zeitungen, Zeitschriften und Rundfunk. Auch als Anthologist, Herausgeber und Interpret war Rainer Malkowski tätig. Von den frühen Siebzigerjahren bis zu seinem Tod im Jahr 2003 lebte er in Brannenburg am Inn, weshalb es auch die Bayerische Akademie der Schönen Künste ist, die seit 2006 alle zwei Jahre den Rainer-Malkowski-Preis verleihen darf. Dem Dichter und seinem Werk war 2015 eine Tagung gewidmet, die das Lyrik Kabinett München gemeinsam mit dem Institut für deutsche Philologie an der Ludwig-Maximilians-Universität veranstaltete. Ihr verdankt sich der vorliegende Band. Nicht nur Literaturwissenschaftler sollten ihn lesen.

Eines der großen Verdienste der Herausgeber ist es, Rainer Malkowskis zuerst 2001 in den Akzenten erschienene Dankrede für den Joseph-Breitbach-Preis mit dem Titel Dreizehn Arten das Gedicht zu betrachten sowie seine autobiografisch geprägte, 1996 zum ersten Mal gedruckte Betrachtung Lyrik – Bemerkungen über eine exotische Gattung neu zugänglich gemacht zu haben. Malkowski beginnt diese lesenswerte und lehrreiche Betrachtung mit der Beobachtung, dass ihm und anderen Lyrikern zwei Fragen besonders oft gestellt werden: »Warum schreiben Sie überhaupt Gedichte?« und »Können Sie davon leben?« Und sagt dazu: »Die Antwort auf die zweite Frage ist sehr kurz und geradezu beseligend zweifelsfrei. Sie heißt: nein. Die Antwort auf die erste Frage … ist länger …« Warum Gedichte? Sie seien, schreibt er, »jene Art von Genauigkeit, die die Ungenauigkeit, mit und in der wir leben, bewusst macht. Sie zielen auf Erkenntnis durch Vergegenwärtigung. Und sie zielen auf Totalität …« Erkenntnis? Sind Gedichte am Ende gar nützlich? Im programmatischen Gedicht Am Schreibtisch heißt es: »Die Nützlichkeit des Unnützen: / eine Rangfrage.« Welchen Nutzen man aus dem Werk dieses der präzisen Wahrnehmung des Alltags verpflichteten, skeptischen, unpathetischen, niemals hermetischen, unprätentiös und oft verblüffend lakonisch daherkommenden Sprachperfektionisten ziehen kann, machen die wissenschaftlichen Beiträge von Wulf Segebrecht, Walter Hettche, Theo Elm, Waldemar Fromm, Markus May, Norbert Miller und Gabriele von Bassermann-Jordan deutlich. Welchen Nutzen die Lyrik Rainer Malkowskis für ihr eigenes Schreiben hatte und immer noch besitzt, skizzieren Nico Bleutge, Gino Chiellino, Angela Krauß und Nadja Küchenmeister. Die internationale Beachtung, die Malkowskis Gedichte gefunden haben, führt Ali Abdollahi vor Augen, sein Übersetzer ins Persische. Und wenn man die drei Seiten von Malkowskis langjährigem Verleger Michael Krüger liest, der von einem »hochreflexiven Dichter« spricht, »der alles tat, um nicht durch besondere Reflexionen aufzufallen«, und ihn als genialen Minimalisten bezeichnet, »der nie viele Worte machte« – dann dürfen einem auch mal die Tränen kommen. Vom Rätsel ein Stück ist eine wunderbare Einladung, Rainer Malkowskis Gedichte und Aphorismen (wieder) zu lesen.


Waldemar Fromm / Holger Pils (Hrsg.): Vom Rätsel ein Stück. Beiträge zum Werk des Dichters Rainer Malkowski. Göttingen 2017: Wallstein Verlag. 228 S.

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