Читать книгу Strafrecht Allgemeiner Teil - Klaus Hoffmann-Holland - Страница 69
ОглавлениеVII. Tatbestandsannex: Objektive Bedingung der Strafbarkeit
1. Bedeutung und Einordnung im Straftataufbau
205In wenigen Ausnahmefällen enthalten die Strafnormen des Besonderen Teils objektive Merkmale, die nicht vom Vorsatz des Täters umfasst sein müssen. Es handelt sich um sog. objektive Bedingungen der Strafbarkeit, die nach der Feststellung des subjektiven Tatbestands als Tatbestandsannex zu prüfen sind.[216] Ob – was selten vorkommt – eine objektive Bedingung der Strafbarkeit zur Straftat gehört, ergibt sich durch Auslegung der Vorschriften des Besonderen Teils. Eine objektive Bedingung der Strafbarkeit ist z.B. in § 231 Abs. 1 StGB (Beteiligung an einer Schlägerei) der Tod oder die schwere Körperverletzung. Die Prüfung des Tatbestandes von § 231 Abs. 1 StGB beschränkt sich mithin auf die Feststellung, dass der Täter an einer Schlägerei bzw. an einem Angriff mehrerer beteiligt war und diesbezüglich mit Vorsatz gehandelt hat. Erst hieran anschließend ist festzustellen, dass durch die Schlägerei bzw. den Angriff objektiv der Tod eines Menschen oder eine schwere Körperverletzung verursacht wurde. Auf die subjektive Einstellung des Täters hinsichtlich der schweren Folge kommt es für seine Strafbarkeit nicht an.
206|73|Weitere objektive Bedingungen der Strafbarkeit sind bspw. in § 186 StGB (Üble Nachrede) die Nichterweislichkeit der Wahrheit und in § 323a Abs. 1 StGB (Vollrausch) die Begehung einer rechtswidrigen Tat im Rauschzustand. Die objektive Bedingung der Strafbarkeit ist wie folgt in den Straftataufbau zu integrieren:
Tab. 5:
207Objektive Bedingung der Strafbarkeit im Straftataufbau
1. | Tatbestand |
a) objektiver Tatbestand | |
b) subjektiver Tatbestand | |
2. | Objektive Bedingung der Strafbarkeit |
3. | Rechtswidrigkeit |
4. | Schuld |
2. Leitentscheidungen
208BGHSt 14, 132, 133ff.; Nachträglicher Bedingungseintritt bei § 231 StGB: Ein Jugendlicher nimmt an einer Schlägerei auf einer Kirmes teil. Nachdem er sich wieder vom Ort der Schlägerei entfernt hat, wird einer der an der Schlägerei Beteiligten tödlich verletzt. – Der BGH bejahte die Voraussetzungen des § 231 Abs. 1 StGB, obgleich die objektive Bedingung der Strafbarkeit zu einem Zeitpunkt eintrat, in dem der Jugendliche nicht mehr an der Schlägerei mitwirkte. Die durch die eigene Mitwirkung erhöhte Gefährlichkeit einer Schlägerei wirke regelmäßig über die Dauer der eigenen Beteiligung fort, so dass das Verhalten des Jugendlichen vom Schutzzweck des § 231 Abs. 1 StGB erfasst werde.
209BGHSt 16, 130, 131ff.; Vorzeitiger Bedingungseintritt bei § 231 StGB: Ein Gastwirt gerät durch eine nach § 32 Abs. 1 StGB gerechtfertigte Verteidigungshandlung in eine Schlägerei. Im Verlauf der Schlägerei überschreitet er sein Notwehrrecht, ohne die Voraussetzungen des § 33 StGB zu erfüllen. Eine der an der Schlägerei beteiligten Personen wird tödlich verletzt, zu diesem Zeitpunkt hatte der Gastwirt sich noch auf zulässige Verteidigungshandlungen beschränkt. – Auch hier bejahte der BGH die Voraussetzungen des § 231 Abs. 1 StGB und stellte fest, dass eine Strafbarkeit wegen Beteiligung an einer Schlägerei generell auch dann in Betracht komme, wenn die objektive Bedingung der Strafbarkeit in einem Zeitpunkt eintritt, in dem der Täter sich der Schlägerei noch nicht angeschlossen hat. Mit dem Zweck des § 231 StGB sei es nicht zu vereinbaren, den Zeitpunkt der Beteiligung über die Strafbarkeit entscheiden zu lassen.