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2. Abschied von Holunderfee

Emma der Wolf hatte sehr schlecht geschlafen. Immer wieder war er aufgewacht und hatte an zu Hause gedacht, an seinen Vater, an die Verletzungen und ob sie jemals richtig verheilen würden. Noch mehr aber kreisten seine Gedanken um das Rudel, das jetzt ohne Leitwolf war. Durch manche Geschichten aus seinem Buch Emma wusste er, dass es innerhalb eines Rudels zu Streitigkeiten und sogar zu blutigen Kämpfen kommen konnte, wenn der Leitwolf fehlte. Immer gab es einige Wölfe, die nur darauf warteten, den Platz des Leitwolfes einzunehmen. Auch der Rat der Alten besaß nie die Autorität, einen Leitwolf zu ersetzen. Es würde demnach nicht allzu lange dauern, dann würde man den Rat der Alten auffordern, einen neuen Leitwolf zu wählen. Bis dahin musste er unbedingt zu Hause sein. So schnell wie möglich wollte er mit seinem Vater sprechen und sich dem Rat der Alten als Emma der Wolf vorstellen. Ein gutes halbes Jahr war er in der weiten Welt unterwegs gewesen und hatte alles gelernt, was ein guter Leitwolf wissen und können musste. Er war fest entschlossen, falls sein Vater nicht mehr Leitwolf sein könnte, dessen Nachfolge anzutreten.

Mit diesen klaren Gedanken und diesem festen Entschluss stand Emma der Wolf auf. Als er in die Küche kam, war Holunderfee schon dabei, für ihre Wölfe ein kräftiges Frühstück zu bereiten. Da sonst keiner in der Küche war, nutzte er die Gelegenheit und nahm Holunderfee fest in seine Läufe und sagte: »Liebe Holunderfee, ich habe dir so viel zu verdanken. Sei sicher, du wirst immer einen festen Platz in meinem Herzen behalten.«

Holunderfee regte sich nicht. Sie war einfach nur dankbar und glücklich. Außerdem wusste sie genau, lange könnte es nicht dauern, dann würde sie ihn wiedersehen.

In diesem Moment klopfte es zaghaft an der Haustür. Holunderfee ging hin, machte auf, schmunzelte und rief: »Emma der Wolf, hier ist jemand für dich.« Es war die nette Schülerin aus der Abschlussklasse. Sie trug einen rosaroten Brief in der Pfote, adressiert an Emma der Wolf, und um den Hals hatte sie ein Tuch gebunden, auf das die Zahl 22 gestickt war.

Emma der Wolf war sehr verlegen, als sie sich begrüßten. Auch bemerkte er, dass plötzlich sein Herz unruhiger schlug und eine leichte Wärme durch seinen Körper floss, wie er es vorher noch nie erlebt hatte. Wenige Minuten später verabschiedeten sie sich mit dem gegenseitigen Versprechen, sich bald wiederzusehen.

Kurz darauf saßen alle bei Holunderfee am Frühstückstisch. Viel wurde noch über die Olympiade der Wölfe erzählt und vor allen Dingen über die Verleihung des großen Ehrenpreises. Alle waren enorm stolz, dass Emma der Wolf zu ihrer Familie gehörte und dass sie ihn zum Freund hatten.

Nach einer Weile erhob er sich und meinte: »Bitte lasst uns aufbrechen. Wir dürfen keine Zeit verlieren.«

Vor dem Gartentor warteten schon die beiden Wölfe, die die kleine Gruppe begleiten sollten. Emma der Wolf erinnerte sich, dass dies der Leitwolf angeordnet hatte. Nach wenigen Minuten waren sie startklar. Da meinte Holunderfee: »Ich werde euch noch bis zum Rudelhaus begleiten, dann zieht in Frieden und mit Glück weiter.«

Keiner aus der Gruppe um Emma der Wolf hatte eine Ahnung von dem, was in den nächsten Minuten geschehen sollte. In dem Moment, als sie das Rudelhaus passierten, strömten jubelnd und schreiend alle Kinder der Wolfsschule und dem Wolfskindergarten hinter den Büschen hervor, gefolgt von den Lehrern und Eltern und anderen Wölfen des Rudels. Man bewarf sie mit Blumen und Konfetti und jeder wollte Emma der Wolf ganz persönlich auf Wiedersehen sagen. Unter diese jubelnde Menge mischte sich der Rat der Alten mit seinem Vorsitzenden an der Spitze. Auch er nahm Emma der Wolf in seine Läufe, fast so wie ein Vater seinen Sohn, und verkündete laut, damit es alle hören konnten: »Emma der Wolf, wir sind so stolz auf dich und wir lieben dich. Auf Beschluss des Rates der Alten von heute Morgen wird für dich immer ein Ehrensitz bei unseren Ratssitzungen eingerichtet bleiben.«

In diesem Augenblick begannen alle Wölfe, ob jung oder alt, mit einem feierlichen Wolfsgeheul. Ein Wolfsgeheul wie von einem großen Wolfschor gesungen, das weit draußen im Land zu hören war.

Emma der Wolf, seine Freunde und sein Onkel konnten das alles nicht recht glauben, was sie gerade erlebten. Viele Minuten später, nachdem sie das Rudeldorf schon hinter sich gelassen hatten, hörten sie immer noch den Gesang der Wölfe. Sie sprachen kein Wort miteinander, so sehr waren sie beeindruckt.


Emma der Wolf

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