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• Sokrates

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Der griechische Philosoph Sokrates (469 v.Chr.–399 v.Chr.) war einer der bedeutenden Denker des Abendlandes. Er gilt als der Begründer einer autonomen philosophischen Ethik. Eine der großen Fragen seiner Erkenntnislehre war: Wie führen das „Gute“ und die „Tugend“ zur Glückseligkeit?

Im Alter von 70 Jahren wird Sokrates wegen Missachtung der griechischen Götter und angeblich verderblichen Einfluss auf die Jugend angeklagt:

„Sokrates frevelt und treibt Torheit, indem er unterirdische und himmlische Dinge untersucht und Unrecht zu Recht macht und dies auch andere lehrt.“ 12

Die Ideen des Sokrates waren den Mächtigen ein Dorn im Auge. Der Philosoph verteidigte sich selbst vor einer Jury aus 501 Geschworenen: „Laßt uns aber auch so erwägen, wieviel Ursache wir haben zu hoffen, es sei etwas Gutes. Denn eins von beiden ist das Totsein: entweder so viel als nichts sein noch irgend eine Empfindung von irgend etwas haben, wenn man tot ist; oder, wie auch gesagt wird, es ist eine Versetzung und Umzug der Seele von hinnen an einen andern Ort. Und es ist nun gar keine Empfindung, sondern wie ein Schlaf, in welchem der Schlafende auch nicht einmal einen Traum hat, so wäre der Tod ein wunderbarer Gewinn. (…)

Ist aber der Tod wiederum wie eine Auswanderung von hinnen an einen andern Ort, und ist das wahr, was gesagt wird, daß dort alle Verstorbenen sind – was für ein größeres Gut könnte es wohl geben als dieses, ihr Richter? Denn wenn einer, in der Unterwelt angelangt, nun dieser sich so nennenden Richter entledigt dort die wahren Richter antrifft, von denen auch gesagt wird, daß sie dort Recht sprechen, den Minos und Rhadamanthys und Aiakos und Triptolemos, und welche Halbgötter sonst gerecht gewesen sind in ihrem Leben – wäre das wohl eine schlechte Umwanderung? Oder auch mit dem Orpheus umzugehen und mit Musaios und Hesiodos und Homeros – wie teuer möchtet ihr das wohl erkaufen? Ich wenigstens will gern oftmals sterben, wenn dies wahr ist.“ 13

Unbeugsam in seiner Haltung, zog er sich die Ablehnung und den Zorn den Geschworenen zu und wurde zum Tod verurteilt.

Er hatte mehrfach die Gelegenheit zur Flucht. Aber er hatte das gegen ihn ausgesprochene Todesurteil als gültiges Fehlurteil mit großer Gelassenheit hingenommen. Bis zu dem Moment, wo er den Schierlingsbecher trank, diskutierte er mit seinen im Gefängnis anwesenden Freunden und Schülern philosophische Fragen.

Auch die Frage nach dem Recht auf Selbsttötung wurde besprochen. In Platons „Phaidon“ heißt es dazu: „Nur Gewalt wird er sich doch nicht selbst antun; denn dies, sagen sie, sei nicht recht.

Und als er dies sagte, ließ er seine Beine von dem Bett wieder herunter auf die Erde, und so sitzend sprach er das übrige.

Kebes fragte ihn nun: Wie meinst du das, o Sokrates, daß es nicht recht sei, sich selbst Leides zu tun, daß aber doch der Philosoph dem Sterbenden zu folgen wünsche?

Wie, Kebes? Habt ihr über diese Dinge nichts gehört, du und Simmias, als ihr mit dem Philolaos zusammenwaret?

Nichts Genaues wenigstens, Sokrates.

Auch ich kann freilich nur vom Hörensagen davon reden; was ich aber gehört, bin ich gar nicht abgeneigt, euch zu sagen. Auch ziemt es sich ja wohl am besten, daß der, welcher im Begriff ist, dorthin zu wandern, nachsinne und sich Bilder mache über die Wanderung dorthin, wie man sie sich wohl zu denken habe. Was könnte einer auch wohl noch weiter tun in der Zeit bis zum Untergang der Sonne?

Weshalb also sagen sie, es sei nicht recht, sich selbst zu töten, o Sokrates? Denn ich habe dies auch schon, wonach du eben fragtest, vom Philolaos gehört, als er sich bei uns aufhielt, und auch schon von andern, daß man dies nicht tun dürfe. Genaues aber habe ich von keinem jemals etwas darüber gehört.

So mußt du dich noch weiter bemühen, sagte er, du kannst es ja wohl noch hören. Vielleicht aber kommt es dir auch wunderbar vor, daß dies allein unter allen Dingen schlechthin so sein soll, und auf keine Weise, wie doch sonst überall, nur bisweilen und nur für einige Menschen: nämlich es sei besser zu sterben als zu leben. Und denen nun besser wäre zu sterben, wird dir wunderbar vorkommen, daß es diesen Menschen nicht erlaubt sein solle, sich selbst wohlzutun, sondern daß sie einen andern Wohltäter erwarten sollen.

Da sagte Kebes etwas lächelnd und in seiner Mundart: Das mag Gott wissen.

Es kann freilich so scheinen, unvernünftig zu sein, sprach Sokrates, aber es hat doch auch wieder einigen Grund. Denn was darüber in den Geheimlehren gesagt wird, daß wir Menschen wie in einer Feste sind und man sich aus dieser nicht selbst losmachen und davongehen dürfe, das erscheint mir doch als eine gewichtige Rede und gar nicht leicht zu durchschauen. Wie denn auch dieses, o Kebes, mir ganz richtig gesprochen scheint, daß die Götter unsere Hüter und wir Menschen eine von den Herden der Götter sind. Oder dünkt es dich nicht so?

Allerdings wohl, sagte Kebes.

Also auch du würdest gewiß, wenn ein Stück aus deiner Herde sich selbst tötete, ohne daß du angedeutet hättest, daß du wolltest, es solle sterben, diesem zürnen und, wenn du noch eine Strafe wüßtest, es bestrafen?

Ganz gewiß, sagte er.

Auf diese Weise nun wäre es also wohl nicht unvernünftig, daß man nicht eher sich selbst töten dürfe, bis der Gott irgend eine Notwendigkeit dazu verfügt hat, wie die jetzt uns gewordene?

Dieses freilich, sagte Kebes, scheint ganz billig. Was du jedoch vorher sagtest, daß jeder Philosoph gern werde sterben wollen, dieses, o Sokrates, kommt dann ungereimt heraus; wenn doch, was wir eben sagten, sich richtig so verhält, daß Gott es ist, der uns hütet, und daß wir zu seiner Herde gehören. Denn daß nicht die Vernünftigsten gerade am unwilligsten aus dieser Pflege sich entfernen sollten, wo diejenigen für sie sorgen, welche die besten Versorger sind für alles, was ist, die Götter, das ist gar nicht zu denken. Denn sie können ja nicht glauben, daß sie sich selbst besser hüten werden, wenn sie frei geworden sind; sondern nur ein unvernünftiger Mensch könnte das vielleicht glauben, daß es gut wäre, von seinem Herrn zu fliehen, und könnte nicht bedenken, daß man ja von dem Guten nicht fliehen muß, sondern sich soviel als möglich daran halten, und daß er also unvernünftigerweise fliehen würde; der Vernünftige aber würde immer streben, bei dem zu sein, der besser wäre als er. Und so käme ja wohl, o Sokrates, das Gegenteil von dem heraus, was eben gesagt ward: den Vernünftigen nämlich ziemte es, ungern zu sterben, und nur den Unvernünftigen gern.“ 14

Dieser kurze Ausschnitt aus Platons „Phaidon“ zeigt, dass Sokrates bereit ist, für seine Ideen zu sterben. Aber er spricht sich hier, so wie später auch Platon (428 v.Chr.–348 v.Chr.) oder Aristoteles (384 v.Chr.–328 v.Chr.), klar gegen die Selbsttötung aus.

Bleibt die Frage, hat Sokrates sich selbst getötet, als er den Schierlingsbecher nahm? War es ein Freitod oder eine erzwungene Selbsthinrichtung?

„Ich verstehe, sagte Sokrates. Beten aber darf man doch zu den Göttern und muß es, daß die Wanderung von hier dorthin glücklich sein möge, worum denn auch ich hiermit bete, und so möge es geschehen!

Und wie er dies gesagt, setzte er an, und ganz frisch und unverdrossen trank er aus. Und von uns waren die meisten bis dahin ziemlich imstande gewesen, sich zu halten, daß sie nicht weinten; als wir aber sahen, daß er trank und getrunken hatte, nicht mehr.“ 15

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