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Fazit meiner NVA-Zeit

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Mitte Oktober trat ich meinen 14-tägigen Resturlaub an, brauchte nur noch am Entlassungstag in Eggesin zu erscheinen, um die NVA-Klamotten abzugeben und den Entlassungs-Laufzettel abzeichnen zu lassen. Das letzte Mal in NVA-Uniform mit dem Zug durch Berlin – und dann weiter nach Dresden. Das war die gefährlichste Strecke, denn hier fuhren oft Dresdner, die mich kannten.

Wieder schlich ich nachts durch den Großen Garten in die Winterbergstraße, riss daheim die Uniform vom Leibe und verstaute sie in einem Beutel, damit sie ja niemand sah, der eventuell zu Besuch käme.

Als ich an einem der nächsten Tage in meinem Maßanzug wieder in der „Kakadu-Bar“ aufkreuzte, war meine Freude groß. Wer lief da adrett mit Servierschürzchen, Servierhaube und Tablett, kokett nach strammen Burschen ausspähend, durchs Revier? Margot aus Gera!

Der Tiefpunkt meiner Jugend, nun kann ich sagen, meines ganzen Lebens, war überwunden, und das pralle Leben konnte fortfahren.

Am Entlassungstag mache ich es wie die anderen, nahm den Nachtzug, der mich um 6.00 Uhr nach Eggesin brachte. Noch vor Mittag war die Entlassungsprozedur vorüber.

„Mölli“ verabschiedete sich von jedem Einzelnen mit Handschlag, Spröter drehte sich nur wortlos um, als sich Mölli ihm näherte und ging einige Schritte in Richtung Ausgang. Mich übersah Mölli zuerst, wollte sich aber dann, als die Entlassenen aus der Kaserne traten, doch noch von mir verabschieden. Ich sagte: „Herr Mölscharek, ich möchte mir Ihnen und Ihrer Armee nie mehr etwas zu tun haben!“

Auf der Heimreise im Zug dachte ich, was haben diese anderthalb Jahre gestohlener Zeit gebracht? Bruni hatte ich verloren, und mein Sohn wuchs in einer Familie auf, in die hineinzudrängen mich zum Störenfried gemacht hätte. Nur der perfekte Umgang mit der Kalaschnikow wäre ein mageres Äquivalent dazu.

Es hatte sich aber ein militärisches Denken in meine persönliche Lebensführung eingegraben: taktischer, operativer und strategischer Art. Wichtige Vorhaben, die sich ja bei mir auch meist am Rande der sozialistischen Legalität bewegten, sind fürderhin immer mit exakter militärischer Planung, bei Einhaltung absoluter Konspiration, einhergegangen; Aufklärung betreiben, Rückzugsmöglichkeit gewährleisten, Ausweichmöglichkeit erkunden, Reserven bereitstellen und dann die Hauptaktion mit aller Wucht und Courage in der Hauptstoßrichtung durchführen. Dass man Schlüssel, Dokumente und passendes Geld immer am Mann zu haben hat, das wusste ich schon vorher. Die wichtigsten militärischen Tugenden: Disziplin, Pünktlichkeit und Verlässlichkeit, im privaten Leben praktizierte ich sie nun täglich, sie wurden mir zur zweiten Natur.

Meine persönliche Mobilität – im Rahmen der DDR-Verhältnisse – ständig zu bewahren, nahm ich mir nun fest vor. Dazu gehörte vor allem Liquidität, gehörte aber auch, stets reisefertig gepackte Koffer unterschiedlicher Größe für verschiedene Anlässe (meine „Sturmgepäcke“) parat zu haben. Den Traum von der Schlossvilla an den Elbhängen vergaß ich für lange Zeit. Jetzt erst wurde mir die ganze lebensphilosophische Tiefe von Thomas Manns Sentenz klar: „Soldatisch leben, doch nicht als Soldat!“

Stiefelschritt und süßes Leben

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