Читать книгу EXO Assimilation - Klevno Valentin - Страница 10
Die Mannschaft erhält Zuwachs.
ОглавлениеIn der Zwischenzeit trafen Kostja und Samantha sich mit den Neuankömmlingen. Treffen dieser Art finden normalerweise in der Haupthalle statt, in der sich alle Bewohner der ISS in ihrer Freizeit treffen. Dann geht es zu wie auf einer Party, auf der die Leute tanzen oder einfach Spaß haben. Eine lebhafte Diskussion ist durch nichts zu ersetzen – sie ist wie eine Gruppentherapie, bei der jeder jeden heilt. Der Saal wird auch für Telekonferenzen verwendet, wobei ALL bei den beteiligten Forschungsgruppen von der Erde den Eindruck erweckt, sie seien bei wichtigen wissenschaftlichen Gesprächen unmittelbar vor Ort. Auf der Erde kam diese Methode endgültig zum Durchbruch, als den Menschen klar wurde, dass es sinnlos war, sich voreinander zu verstecken, geheime Untersuchungen durchzuführen und Errungenschaften zu verheimlichen. Dies führt nicht zur Weiterentwicklung der Zivilisation, denn der wissenschaftlich-technische Fortschritt betrifft uns alle und ist lebensnotwendig.
Während sie auf die Halle zuging, fragte Samantha ALL nach den Personalien dreier Studenten, die im Rahmen eines Praktikums im Bereich Weltraumforschung eingetroffen waren. Kostja bat den Kommunikator, ihm die Informationen über die Studenten vorzulesen, und wunderte sich darüber, dass er nur zwei Sätze zu hören bekam: Geschlecht, Alter, Fakultät und Forschungsgebiet. Als sie die Halle betraten, erblickten sie drei junge Personen in eng anliegenden, türkisfarbenen Overalls: zwei Männer und eine junge Frau, die etwa dieselbe, ihrem Alter entsprechende Körpergröße hatten. Kostja hob den Arm und begrüßte seine ergebenen Vasallen wie ein Anführer. Er gab sich jede Mühe, einen steinernen Gesichtsausdruck beizubehalten, konnte ein Lächeln jedoch kaum zurückhalten. Samantha hingegen lächelte offenherzig, streckte ihnen die Hand entgegen und hieß sie mit warmen Worten auf der ISS willkommen. Als sie ihre bleichen Gesichter bemerkte, fragte sie vorsichtig, wie ihnen die Teleportation bekommen sei.
Einmütig erwiderten die Studenten:
„Ganz normal, eigentlich wie immer...“
Damit brachten sie das Eis bei Kostja endgültig zum Schmelzen. Er wäre fast in Lachen ausgebrochen und meinte:
„Jetzt aber mal ehrlich!“
Samantha entgegnete sofort:
„Vergiss nicht, wie es bei dir war.“
Kostja blickte die Neuen an und sagte:
„So etwas vergisst man nicht. Anfangs hätte ich mich selbst kaum erkannt und meinen Organismus auch nicht.“
Samantha meinte:
„Den persönlichen Bereich kennt ihr schon, nun steht die Bekanntschaft mit der Crew an. Die Steuerungstafel ist nämlich direkt nebenan. Danach kommt das Laborgebäude. Alles Weitere erledigen ALL und euer persönlicher Kommunikator. Kostja und ich sind aus der mikrobiologischen Abteilung und helfen euch immer gerne, falls irgendwelche Fragen auftauchen. Und jetzt wartet schon die Plattform an der Transportlinie auf uns. Wahrscheinlich habt ihr die Markierung gesehen, als ihr hierher gelaufen seid.“
Die Studenten nickten einmütig.
„Dem bleibt nur noch hinzuzufügen, dass es auf der ISS zwei Typen gibt: Transportlinien und Passagierlinien. Der Kommunikator sagt euch immer, wie ihr am besten wohin gelangt, und organisiert den Transport.“
Die durchsichtigen Türen öffneten sich, und eine Passagierplattform für sechs Personen kam zum Vorschein. Die Mädchen nahmen auf der einen Seite Platz, die Jungen gegenüber.
Kostja wollte witzig sein und meinte:
„Legt die Gurte an.“
Es regte sich jedoch keiner, da alle wussten, dass dies überflüssig war.
Während des Fluges nimmt man die Geschwindigkeit gar nicht wahr, und der Wind pfeift nicht in den Ohren – ein unbeschreibliches Gefühl, und einen Augenblick später ist man dort, wo man hinwollte.
Die Plattform machte vor einer riesigen Raumanlage Halt, hinter der man außer den gewöhnlichen Lichtreflektoren, die an allen Trennwänden und übrigen Konstruktionen der ISS angebracht sind, keinerlei schützende Kulisse ausmachen konnte. Dies sorgte für Verwunderung bei den Neuankömmlingen, die sich flüsternd darüber austauschten, wie das möglich sei, denn Technologien dieser Art waren noch unerforscht. Ein ganzes Modul kann verschwinden und zusammen mit den anwesenden Personen, Gegenständen und Steuerungssystemen das Aussehen verändern, was die Studenten überraschte.
Kostja meinte:
„ALL, autorisieren Sie den Zutritt zur Zentrale und informieren Sie den Kapitän.“
ALL erwiderte:
„Der Zutritt ist genehmigt, der Kapitän erwartet euch.“
Den verblüfften Studenten erklärte Kostja:
„Diese Technologie ermöglicht es, den unabhängigen Betriebsmodus der Steuerungszentrale aufrechtzuerhalten. Bei Beschädigungen oder in Extremsituationen transformiert ALL die Zentrale in einen sicheren Raum, um das Fortbestehen der Station zu gewährleisten.“
An der Stelle, wo noch eine Sekunde zuvor eine Wand gewesen war, bildete sich ein Durchgang in der Größe einer Doppeltür, durch den alle ungehindert ins Innere des Raumes gelangen konnten. Wie aus dem Nichts tauchte der Kapitän auf und trat auf die Gruppe zu. Er schüttelte allen die Hand und sah sich die Gesichter der jungen Studenten aufmerksam an. Er wusste nur allzu gut, dass die heutigen Studenten schon morgen zu rechtmäßigen Bewohnern der Station werden konnten, mit denen er kooperieren musste.
Mit leicht zusammengekniffenen Augen fragte der Kapitän:
„Wie war die Teleportation?“
Einstimmig und munter erwiderten die jungen Leute:
„Ausgezeichnet, Kapitän, wir können gleich loslegen.“
Der Kapitän entgegnete:
„Nein-nein, wir müssen uns an die Regeln halten. Das gesamte innere System eures Organismus gewöhnt sich momentan an die neue Umgebung, dabei sollten wir es nicht stören. ALL, öffne das Frontpanorama für uns.“
In Sekundenbruchteilen verwandelte sich die matte Wand hinter dem Kapitän in ein riesiges Fenster mit Aussicht in den Weltraum. Eigentlich konnte man gar nicht von einem Fenster sprechen, denn es gab keinerlei Barrieren. Man gewann den Eindruck, man sei Teil eines riesigen, grenzenlosen Raumes – ein Zustand, der gleichzeitig Angst, Freude und Entzücken hervorruft und sich kaum beschreiben lässt. Der Kapitän schlug vor, näher an den Rand zu treten. Kostja und Samantha, die schon mehr als sechs Monate auf der ISS verbracht hatten, verschlug es in Anbetracht einer solchen Schönheit genauso die Sprache wie den Neuen, denen beinahe die Beine versagten. Der Kapitän bemerkte natürlich, dass alle völlig verblüfft waren – er ließ ihnen etwas Zeit, lächelte und trat langsam auf das Panorama zu.
Einer der Studenten fragte:
„Ist das kein Hologramm?“
Der Kapitän antwortete:
„Nein, das ist eine unverzerrte Direktansicht. Unsere Station ist im Bereich wissenschaftlich-technischer Perfektion zu Außergewöhnlichem fähig. Viele Technologien lassen sich auf der Erde einfach nicht anwenden, aber hier laufen sie völlig reibungslos. In gewissem Sinne führt jedes noch so kleine Element der Auskleidung der ISS sowohl innen als auch außen ein Eigenleben. Und ALL kontrolliert sie alle, er kann über 100.000 Programmbezeichnungen sowohl einzeln als auch gemeinsam transformieren. Falls es uns gelingt, jenseits unseres Sonnensystems Retranslatoren als Tageslichtbeschleuniger einzurichten, kann ALL die Station an jeden Punkt der Galaxie befördern. Das ist die Zukunft, dann muss keiner mehr Raumschiffe bauen.“
Die Studenten standen da und hörten dem Kapitän mit offenem Mund zu. Schließlich bedankten sie sich für den interessanten Bericht und meinten, zeit ihres Lebens noch nichts Derartiges erlebt zu haben.
Der Kapitän setzte ein breites, natürliches Lächeln auf, welches man bei älteren Personen häufig dann sieht, wenn sie kleine Kinder mit einem trockenen Streich hinters Licht geführt haben.
Dann sagte er:
„Und jetzt ruht euch aus.“
Kostja erwiderte:
„Aber Kapitän, wir müssen ihnen noch das Laborgebäude zeigen.“
Der Kapitän antwortete:
„Aber nur ganz kurz, überfordert die Jungs nicht.“
Kostja, Samantha und die Studenten bedankten sich beim Kapitän und gingen dorthin zurück, von wo sie gekommen waren. Der Ausgang tat sich genau dort auf, wo sich die Plattform befand. Nun war allen klar, dass ALL jeden Teil der ISS und jede Zwischenwand der Modulverbindungen öffnen und verschließen konnte.
Samantha nahm über das interne Kommunikationssystem flüsternd Kontakt zu Julia auf und erzählte ihr von der Steuerungszentrale und dem breiten Panoramafenster mit Aussicht in den offenen Weltraum. Sie erklärte ihr, dass ein solcher Eindruck mit nichts zu vergleichen sei und dass kein Bordfenster einen solchen Anblick biete.
Samantha fragte:
„Warst du schon zu Gast beim Kapitän?“
Julia antwortete:
„Ja, aber das Panorama hat er mir nicht gezeigt. Wir haben uns über Musik unterhalten, anscheinend spielt er Querflöte, das hat mich sehr beeindruckt.“
Noch bevor sie zu Ende gesprochen hatte, machte die Plattform vor einem riesigen Modul namens „Laborgebäude“ Halt. Dieses stellt einen großen Organismus dar, in dem eine Vielzahl von Mikrorobotern für verschiedene Arbeitsabläufe verantwortlich sind. Sie befördern Objekte und Gegenstände zwischen einzelnen Geräten hin und her und führen komplizierte chemische Reaktionen durch. Jeder Quadratzentimeter der Laboroberfläche weist einen Wirkungsgrad von 100 % auf. Direkt unter der Kuppel dieses Raumes befindet sich ein ovalförmiges Zimmer, in das man über eine spezielle Rolltreppe gelangt. Dort angekommen, waren die Studenten nicht weniger verblüfft als im Deckhaus des Kapitäns.
Kostja sprach:
„Hier könnt ihr sämtliche Arbeitsabläufe und jeden einzelnen Untersuchungsvorgang verfolgen.“
Die Studenten fragten:
„Also nach unten schauen und beobachten, was die Roboter machen?“
Samantha reagierte als Erste:
„ALL, aktiviere das Klassifikationsschema.“
Sofort wurde eine vertikal entlang der Zimmerwände verlaufende Schautafel mit Tabellen sichtbar, auf der die gegenwärtigen Maßnahmen, aktiven Prozesse und eine Vielzahl weiterer, den jungen Spezialisten bisher unbekannter Bezeichnungen abgebildet waren.
Kostja fuhr fort:
„All das wird von ALL kontrolliert, allerdings solltet auch ihr wissen, wie und was hier vor sich geht, daher dient eure Anfangszeit im Labormodul der Adaptation. Euer persönlicher Kommunikator erzählt und zeigt euch alles en détail. Und natürlich sind Samantha und ich ebenfalls für euch da.“
Die Erschöpfung in den Gesichtern der jungen Leute war kaum zu übersehen, daher bot Samantha ihnen an, sie zu ihren Appartements zu bringen. Sie wollte sich selbst davon überzeugen, dass die persönlichen Räumlichkeiten bei allen in Ordnung waren.