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Pedantismus und Professionalität.

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Der Gruppe „Thomas“ gehörten folgende Personen an: der Brigadeleiter Thomas (48) selbst, der technische Sachverständige Brigg (35) und die Mechaniker Phil (42) und Rey (34). Wozu sie wirklich in der Lage waren, konnte niemand genau sagen, denn alles, was sie in die Hand nahmen, wurde zu 100 Prozent und manchmal auch mehr erledigt. Es ging das Gerücht um, diese Männer könnten jeden beliebigen Planeten durchbohren. Die Station „Thomas“ befand sich im Landesinneren Australiens unweit der Kleinstadt Oodnadatta. Sie bestand aus mehreren kreisrund angeordneten Start- und Landebahnen, in deren Zentrum eine riesige Flugzeughalle mit nicht minder riesigen unterirdischen Anlagen stand. Im Grunde genommen fungierte die Station als hochmodernes Experimentierzentrum, in dem künftig sämtliche neuen Systeme für Transformer-Roboter und weitere wissenschaftlich-technische Konzepte der Geoforschung nutzbar gemacht und angewendet werden sollten.

Das Treffen wurde im Zentrum der Internationalen Raumfahrtgemeinschaft anberaumt, das seinerzeit auf der Observationsstation des Mauna Kea auf Hawaii gebaut worden war. Alle Teleportationen zur ISS und zurück wurden von der Station aus vorgenommen.

Anfang Juni des Jahres 2072 wurden mit Habib und Julia zwei Mitarbeiter (oder vielmehr Praktikanten) von der Raumstation teleportiert. Sie sollten unter anderem Kontakt zur Betriebsgruppe „Thomas“ aufnehmen, die Bohrkoordinaten festlegen, erforderliche Proben entnehmen und sie auf die Raumstation transportieren. Ihre Hauptaufgabe bestand darin, die Entnahme des Erdbodens in bestimmten Intervallen zu gewährleisten, wenngleich man diesen Boden im Original kaum als solchen bezeichnen konnte. Vielmehr handelte es sich um glühende Magma oder deren Axialformen.


***

Wenige Stunden nach ihrer Ankunft hatten sich die jungen Leute akklimatisiert und erfrischt. Habib schlug vor, in den Park zu gehen und die Wartezeit an der frischen Luft zu verbringen. Im zentrumseigenen Park duftete es nach verschiedenen exotischen Pflanzen, und das akkurat geschnittene Gras schmiegte sich wie ein weicher Samtteppich um die Füße. Julia wedelte mit den Armen und meinte:

„Wie gern wäre ich jetzt ein Schmetterling!“

Die grelle Sonne blendete ihr die Augen, sie ließ langsam die Arme sinken, kniff die Augen leicht zusammen und erblickte einen Schmetterling, der gleichmäßig auf ihren Arm zuflog. Sie streckte ihn dem Schmetterling entgegen, und dieser ließ sich auf der Kuppe ihres Daumens nieder. Julia seufzte, und ihre Augen begannen vor Verwunderung zu leuchten:

„Ich kann fühlen, wie er sich mit seinen Beinen an meinem Daumen festhält. Sieh nur, Habib, wie schön seine Flügel verziert sind. So etwas habe ich noch nie gesehen.“

Habib war vom Auftauchen des Schmetterlings ebenso überrascht wie Julia, auch er begutachtete interessiert seine Flügelzier. Erst jetzt fiel den beiden auf, dass der ganze Park mit hüpfenden und kriechenden Insekten aller Art übersät war. Sie suchten sich einen geeigneten Platz unter einem großen, massiven Baum, legten sich aufs Gras und nahmen den warmen Atem der Erde mit dem ganzen Körper wahr. Während er so mit hinter dem Kopf verschränkten Armen dalag, hörte sich Habib fragen:

„Wie kommt es, dass du so vielseitig interessiert bist? Du spielst Geige, singst, malst...“

Ohne lange nachzudenken, erwiderte Julia:

„Meine ganze Kindheit und Jugend vor dem Studium habe ich in einem Kinderheim verbracht. Ich habe meine Eltern nie gekannt, deswegen habe ich mich verschiedenen Gruppen angeschlossen, statt wie andere Kinder am Fenster zu sitzen und auf besseres Wetter zu warten. Mein Tagesablauf sah so aus, dass ich stets etwas kennenlernen oder erlernen musste. Und so kam ich zu meiner ersten und einzigen Geige: Ich habe einen Wettbewerb gewonnen, und ein berühmter Musikant hat sie mir persönlich überreicht.“

Habib blickte schweigend zum Himmel und versuchte, den in seinem Hals steckengebliebenen Kloß lautlos herunterzuschlucken. Niemals hätte er damit gerechnet, so etwas aus Julias Mund zu vernehmen. Er verspürte den Wunsch aufzustehen, sie fest an sich zu drücken und mit ihr zu fühlen. Da sie ihre Geschichte jedoch vollkommen ruhig vorgebracht hatte, war ihm klar, dass sie einen starken Charakter hatte und Tatsachen trotz zahlreicher Unbekannter angemessen verarbeiten konnte.

„Das Malen“, fuhr Julia fort, „stellt eine Fortsetzung der Musik dar, impliziert allerdings eine konkrete Veranschaulichung. Die Abbildung einer Unterhaltung mit sich selbst ist äußerst hilfreich.“

Sie hatte noch nicht zu Ende gesprochen, als sich plötzlich die Sonne vor ihnen verdunkelte und eine riesige menschliche Figur auftauchte.

Sie sprach:

„Ich bin Thomas.“

Julia und Habib erhoben sich, erwiderten den Gruß, stellten sich vor und schüttelten dem Neuankömmling die Hand.

„Kommt wir gehen ins Gebäude und suchen uns einen Raum fürs Briefing“, meinte Habib.

„Aber natürlich“, erwiderte Thomas und ging mit ihnen aufs Gebäude zu. Am Eingang wartete eine Administratorendrohne auf sie und schlug ihnen einen Arbeitsraum vor. Nachdem sie an einem großen Tisch inmitten eines völlig leeren Saales mit großen Panoramafenstern mit Aussicht auf den Ozean Platz genommen hatten, machte Julia den Vorschlag, mit dem Protokollteil zu beginnen. Die Drohne legte ein Video ein, in dem die nötigen Informationen – insbesondere wer bei dieser Expedition wofür verantwortlich war – aufgezählt wurden. Nach Beendigung des Protokollteils wandte sich Julia fragend an Thomas:

„Werden Sie mit einem solchen Arbeitsumfang fertig?“

Thomas entgegnete:

„Wenn Sie damit einverstanden sind, möchte ich, dass meine Brigade diese Unterredung mithören kann. Sie sind alle Experten auf ihrem Gebiet, das trägt zur korrekten Einschätzung der Lage bei.“

Julia und Habib nickten zustimmend.

Habib meinte:

„Wir benötigen Kernbohrungen von mindestens drei Punkten der Erdoberfläche. Einer davon befindet sich in Algier, der andere in den Antarktischen Trockentälern und der dritte in Moldawien im Zwischenstromland der Flüsse Pruth und Dnister. Die genauen Koordinaten müssen vor Ort bestimmt werden. Wir sollten die Lithosphäre und die Asthenosphäre bis zum Oberen Mantel durchbohren, falls möglich.“

Julia fuhr fort:

„Und das sollte innerhalb kürzester Zeit umgesetzt werden. Wie viel Zeit benötigen Sie für die Vorbereitung der Ausrüstung?“

Thomas blickte auf den vor ihm liegenden Tablet-PC, während Brigg drei Finger ausstreckte – drei Tage für die Vorbereitung würden also ausreichen.

Julia meinte:

„Okay, in drei Tagen treffen wir uns, machen einen Rundflug und legen die Bohrkoordinaten fest.“

Nachdem er allen die Hände geschüttelt hatte, trat Thomas nach draußen und ging in Richtung Startfeld, wo er seinen „Torpedo“ gelassen hatte – so nannte er zärtlich sein Fluggerät. Dieses unterschied sich stark von sämtlichen Modellprojekten, und bei vielen setzte sich der Eindruck durch, er habe es selbst gebaut.

Habib und Julia kontaktierten die ISS und erstatteten Michael Bericht von ihrem Treffen mit Thomas. Michael hörte ihnen zu und wünschte ihnen für diese drei Tage auf der Erde eine gute Zeit.

Habib meinte:

„Hör mal, hast du nicht auch den Eindruck, dass man auf der Erde die ganze Zeit essen möchte? Ich ertappe mich immer wieder beim Gedanken ans Essen und will ständig futtern.“

Julia antwortete:

„Ja, bei mir ist es so ähnlich. Komm wir essen eine Kleinigkeit.“

Sie saßen zu zweit am Tisch und hatten die bestellten Snacks beinahe aufgegessen, als Habib plötzlich unerwartet fragte:

„Du kannst also auch nirgendwo hinfahren?“

Julia lächelte und fragte zurück:

„Und du sag mir, woher du einen so altertümlichen Namen hast.“

Habib erklärte:

„Oh, das ist ein alter muslimischer Name. Er bedeutet etwa „guter Freund“ oder „lieber und geliebter Freund“. Ich stamme aus einer großen Familie – ich habe viele Geschwister und bin der jüngste von allen. Deswegen haben meine Eltern mir diesen Namen gegeben. Wie wäre es, wenn ich dich zu uns einlade? Ich bin mir sicher, dass dir bei uns nicht langweilig wird.“

Julia sah Habib direkt in die Augen und antwortete ohne zu zögern:

„Nun, ich habe nichts dagegen.“


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