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Оглавление9. KAPITEL
SAN SCHU / Dreifache Wechselseitigkeit
Die Episoden des 9. Kapitels gehören durchweg einer früheren Traditionsschicht an als die des 8. Die meisten sind im Buche Sündsï belegt, und zwar in den Kapiteln Fa Hing (Abschnitt 1), Yu Dso (Abschnitte 3–6) und Dsï Dau (Abschnitte 7–9). Eine stark abweichende Version des 2. findet sich im Yen Dsï Tschun Tsiu, der 3. ist auch in Han Schï Wai Dschuan 3, im Schuo Yüan, Kap. Ging Schen, im Huainandsï, Kap. Dau Ying Hün, und im Wen Dsï, Kap. Schï Schou, enthalten. Der 8. findet sich leicht abweichend im Hiau Ging wieder (Wilhelm S. 17–18), der 9. auch im Han Schï Wai Dschuan 3 und im Schuo Yüan, Kap. Dsa Yen. Der 10. Abschnitt ist sonst nicht belegt.
1. Dreifache Wechselseitigkeit1 und drei Warnungen
Meister Kung sprach: »Der Edle kennt drei Wechselseitigkeiten. Wer einen Herrn hat, dem er nicht dienen kann, und einen Diener hat, von dem er dennoch Dienste verlangt, der fehlt gegen die Wechselseitigkeit. Wer Eltern hat, die er nicht ehrfurchtsvoll behandeln kann, und Söhne hat, von denen er dennoch Anerkennung verlangt, der fehlt gegen die Wechselseitigkeit. Wer einen älteren Bruder hat, den er nicht ehren kann, und einen jüngeren Bruder hat, von dem er dennoch Gehorsam verlangt, der fehlt gegen die Wechselseitigkeit. Wer klar zu sein vermag über die Wurzeln dieser dreifachen Wechselseitigkeit, den kann man eine aufrechte Person nennen.«
Meister Kung sprach: »Der Edle kennt drei Gedanken, die man nicht außer Acht lassen darf. Wer in der Jugend nicht lernt, hat im Alter keine Kenntnisse. Wer im Alter nicht lehrt, hinterläßt nach dem Tode kein Andenken. Wer im Wohlstand nicht spendet, findet in der Armut niemand, der ihm beisteht. Darum denkt der Edle in der Jugend an die Zeit, da er erwachsen sein wird, und verlegt sich deshalb aufs Lernen. Im Alter denkt er an die Zeit, da er gestorben sein wird, und verlegt sich deshalb aufs Lehren. Im Wohlstand denkt er an die Zeit, da er arm sein wird, und verlegt sich deshalb aufs Wohltun.«
2. Der Weg des Wirkens
Bo-Tschang Kiën2 befragte den Meister Kung und sprach: »Ich bin freilich nur ein niedriger Diener des Hauses Dschou, doch halte ich mich nicht für unwürdig, einem Edlen ehrfürchtig zu dienen, deshalb erlaube ich mir eine Frage: Wollte man dem rechten Weg (Tao) entsprechend handeln, so findet man keine Anerkennung unter diesem Geschlecht; wollte man den rechten Weg verleugnen bei seinen Handlungen, so widerspricht das unserem Gefühl. Nun möchte ich wissen, gibt es einen Weg, auf dem man so handeln kann, daß man selbst nicht zur Erfolglosigkeit verdammt ist und doch auch den rechten Weg nicht zu verleugnen braucht?«
Meister Kung sprach: »Vortrefflich ist Eure Frage. Ich habe noch nie einen Menschen gehört, der wie Ihr, mein Herr, in seinen Worten so einsichtig gewesen wäre. Ich habe einst gehört, daß der Edle, wenn er vom Wege spricht, beachtet, daß, wenn der Hörer nicht aufmerkt, der Weg keinen Eingang findet, und daß man, wenn man zu sehr ins Große und Außerordentliche geht, das sich nicht nachprüfen läßt, keinen Glauben findet für den Weg.
Wiederum habe ich gehört, daß, wenn der Edle von Regierungsangelegenheiten redet, er beachtet, daß, wenn die Ordnungen keine festen Regeln haben, die Regierungsangelegenheiten sich nicht durchführen lassen, und daß, wenn die Regierung allzu kleinlich und genau ist, das Volk nicht zur Ruhe kommt.
Wiederum habe ich gehört, daß, wenn der Edle von seinen Entschlüssen redet, er beachtet, daß, wer zu hart und unbeugsam ist, nichts zu Ende bringt, wer zu bequem und lässig ist, häufig zu Schaden kommt, wer hochmütig und herrisch ist, keine Liebe findet, und wer auf Vorteil aus ist, unter allen Umständen zugrunde geht.
Wiederum habe ich gehört, daß der Edle, dem es um das Wohl seiner Zeit zu tun ist, sich nicht vordrängt, wo es einem leicht gemacht wird, und sich nicht hintan hält, wo es einem schwer gemacht wird, daß er ein Ideal zeigt, aber niemand zu seiner Befolgung zwingt, und daß er den rechten Weg vor Augen stellt, ohne Rechthaberei. Diese vier Dinge sind es, die ich gehört habe.«
3. Der Wunderbecher
Meister Kung betrachtete den Tempel des Herzogs Huan von Lu3. Da war ein schräg hängendes Gefäß. Der Meister fragte den Tempelhüter: »Was ist das für ein Gefäß?« Der erwiderte: »Das ist wohl ein Wunderbecher.« Meister Kung sprach: »Ich habe gehört, daß der Wunderbecher, wenn er leer ist, schräg hängt; ist er bis zur Mitte voll, so hängt er gerade; ist er ganz voll, so kippt er um. Die weisen Fürsten sahen darin eine stetige Warnung, darum hatten sie ihn stets zur Seite ihres Sitzes.« Dann wandte er sich an die Jünger und sprach: »Versucht es einmal und gießt Wasser hinein.« Sie gossen Wasser hinein bis zur Mitte, da wurde er gerade, sie machten ihn ganz voll, da kippte er um.
Der Meister seufzte tief und sprach: »Ach, wo gibt es unter allen Dingen etwas Volles, das nicht umschlägt!«
Dsï Lu trat vor und sprach: »Darf ich fragen: Gibt es einen Weg, Volles festzuhalten?«
Der Meister sprach: »Wer klug und weise ist und vermag sich in Torheit zu halten, wessen Verdienst die Welt erfüllt und er vermag sich nachgiebig zu halten, wessen Mut und Kraft sein ganzes Geschlecht erschüttert und er vermag sich schüchtern zu halten, wessen Besitz alle vier Meere umspannt und er vermag sich bescheiden zu halten: Das ist der Weg der Minderung und abermaligen Minderung4.«
4. Das Wasser
Der 4. Abschnitt hat Parallelen in Sündsï, Kap. Yu Dso, und in Schuo Yüan, Kap. Dsa Yen. Aus der Version in Da Dai Li Gi, Kap. Küan Hüo, ist er übersetzt im Buch der Sitte S. 147. Der Ausspruch ist wohl eine Ausführung von Lun Yü 9, 6, Wilhelm S. 92.
5. Die eingelegten Fensterläden
Dsï Gung betrachtete das Heiligtum im Staatstempel von Lu. Als er herauskam, fragte er den Meister Kung: »Ich habe soeben das Heiligtum des Staatstempels betrachtet; ich wollte gerade umkehren, als ich bemerkte, daß an der Nordseite die Fensterläden alle aus einzelnen Holzstücken zusammengesetzt sind. Hat das einen besonderen Sinn, oder ist es Nachlässigkeit der Handwerker?«
Meister Kung sprach: »Der Erbauer dieses Heiligtums hatte die geschicktesten Arbeiter gewählt, und die Arbeiter hatten das beste Material ausgesucht und ihre ganze Geschicklichkeit aufgewandt. Sie beabsichtigten wohl eine besondere Verzierung dabei. Sicher hat es einen Sinn.«
6. Drei Dinge, die zu meiden sind
Meister Kung sprach: »Es gibt etwas, das mir beschämend scheint, etwas, das mir gemein scheint, etwas, das mir gefährlich scheint. Wenn einer in der Jugend nicht imstande ist, sich Mühe zu geben beim Lernen, so daß er im Alter nichts hat, das er lehren kann: Das halte ich für eine Schande. Wenn einer seine Heimat verläßt und es im Fürstendienste zu Erfolgen bringt, und er begegnet etwa einem alten Bekannten und findet keine Worte alter Zeit: Das halte ich für gemein. Mit niedrigen Menschen zusammensein und sich nicht an Würdige halten: Das halte ich für gefährlich.«
7. Drei Ansichten über Weisheit und Liebe
Dsï Lu trat vor Meister Kung. Meister Kung sprach: »Wie verhält sich der Weise, wie verhält sich der Gütige?« Dsï Lu erwiderte: »Der Weise bewirkt, daß die Menschen ihn kennen, der Gütige bewirkt, daß die Menschen ihn lieben.« Der Meister sprach: »Das sind die Worte eines gebildeten Mannes.«
Dsï Lu ging hinaus, und Dsï Gung kam herein, und dieselbe Frage wurde ihm vorgelegt. Dsï Gung sprach: »Der Weise kennt die Menschen, der Gütige liebt die Menschen.« Der Meister sprach: »Das sind die Worte eines edlen und gebildeten Mannes.«
Dsï Gung ging hinaus, und Yen Hui kam herein, und dieselbe Frage wurde ihm vorgelegt. Er erwiderte: »Der Weise kennt sich selbst, der Gütige liebt sich selbst5.« Der Meister sprach: »Das sind die Worte eines weisen und edlen Mannes.«
8. Gegen blinden Gehorsam
Dsï Gung befragte den Meister Kung und sprach: »Ohne Zweifel verlangt doch die kindliche Ehrfurcht, daß der Sohn den Befehlen seines Vaters gemäß handelt, und die Treue, daß der Beamte den Befehlen seines Fürsten gemäß handelt.«
Meister Kung sprach: »Unwissend bist du doch, Sï, daß du es nicht besser weißt. Vor Zeiten galt es, daß die erleuchteten Herren der Reiche von zehntausend Kriegswagen sieben Beamte hatten, die ihnen zu widersprechen wagten, so daß sie frei von Fehlern blieben. Die Fürsten der Staaten von tausend Kriegswagen hatten fünf Beamte, die ihnen zu widersprechen wagten, so daß die Altäre6 nicht in Gefahr gerieten. Die Herren aus Häusern mit hundert Kriegswagen hatten drei Beamte, die ihnen zu widersprechen wagten, so daß sie frei blieben vom Verlust des Einkommens und der Stellung. Ein Vater, der einen Sohn hat, der ihm zu widersprechen wagt, gerät nicht in die Gefahr, sittenlos zu handeln. Ein Gebildeter, der einen Freund hat, der ihm zu widersprechen wagt, tut nichts Unrechtes. Wie sollte es darum ein Zeichen der Ehrfurcht sein, wenn der Sohn unter allen Umständen dem Willen seiner Eltern folgt; wie sollte es ein Zeichen von Treue sein, wenn der Beamte unter allen Umständen dem Willen seines Herrn folgt. Nur wer zu beurteilen vermag, wo er zu folgen hat, der kann ehrfurchtsvoll, der kann treu genannt werden.«
9. Die Gefahren eines großartigen Auftretens
Dsï Lu trat in prächtigem Gewand vor den Meister Kung. Der Meister sprach: »Yu, was bist du denn so großartig? Wo der Giangfluß entspringt, am Berge Min, da ist seine Quelle so klein, daß man sie mit einem Becher auffangen kann; wo er aber die Stromfurt erreicht, da braucht man ein wohlgezimmertes Schiff und windstilles Wetter, um hinüberfahren zu können. Ist’s nicht also, daß sein Wasser deshalb so groß ist, weil er nach unten fließt? Wenn du nun in deiner Kleidung so prächtig und in deinem Auftreten so selbstbewußt vor die Welt trittst, wer sollte da gewillt sein, dich auf deine Fehler aufmerksam zu machen?«
Dsï Lu eilte hinaus, zog sich um und kam wieder herein, nicht ohne sich etwas darauf zugute zu tun. Der Meister sprach: »Yu, merke dir’s, ich sage dir: Wer prahlt in seinen Reden, der ist eitel, wer prahlt in seinem Auftreten, der ist eingebildet, wer seine Weisheit und sein Können zur Schau trägt, der ist ein kleiner Mensch. Darum macht es der Edle so, daß er nur dann, wenn er etwas wirklich weiß, sagt, daß er es weiß: Das ist Beschränkung im Reden7. Und wenn er etwas nicht kann, sagt er, daß er es nicht kann: Das ist Vollendung im Handeln. Wer Beschränkung kennt im Reden, der ist weise. Wer Vollendung zeigt im Handeln, der ist gütig. Güte und Weisheit: Was willst du noch mehr?«
10. Der Edelstein
Dsï Lu fragte den Meister Kung und sprach: »Angenommen, hier sei ein Mann in härenem Gewand, der einen Edelstein im Busen birgt. Was ist von dem zu halten?« Der Meister sprach: »Wenn keine Ordnung im Lande ist, dann mag er ihn verborgen halten. Ist Ordnung im Lande, so mag er festliche Gewänder antun und den Edelstein zeigen.«8