Читать книгу Erinnerungen eines polnischen Zwangsarbeiters - Konrad Szumiński - Страница 8
ОглавлениеHistorische Einleitung
Im Zweiten Weltkrieg existierte in Deutschland in der Zeit vom 07. August 1944 bis 12. April 1945 in Zöschen ein sogenanntes Arbeitserziehungslager (AEL), in dem mehr als 500 Häftlinge, entsprechend dem Auftrag der Nazis „Tod durch Arbeit“, ihr Leben lassen mussten. Sie starben entweder an Mangelerscheinungen durch die körperliche Schwerstarbeit oder als Folge der schlechten medizinischen Versorgung beim Ausbruch von Infektionskrankheiten. Viele von ihnen erreichten nicht einmal das 20. Lebensjahr. Die jungen Menschen kamen aus fast zwanzig europäischen Ländern.
Zöschen im Bundesland Sachsen-Anhalt in der Nähe von LeipzigQuelle: Wikipedia
In diesem Zusammenhang muss auch das Spergauer Lager erwähnt werden, welches nach einem Bombenangriff amerikanischer Flugzeuge auf die Leuna-Werke im Juli 1944 vollständig zerstört wurde. Die Direktion ließ aus diesem Grund zwei neue Lager (Bruckdorf und Zöschen) errichten. Ungefähr 1.300 Häftlinge aus Spergau sowie die sie begleitenden 100 Wachleute wurden nach Zöschen verlegt. Ursprünglich war das Lager für nur ca. 500 Häftlinge vorgesehen. Allein dadurch, ohne die neu Inhaftierten hinzuzurechnen, war die Kapazität bereits mehr als überschritten. Insgesamt durchliefen das Lager in den oben genannten acht Monaten ca. 5.000 Gefangene.
Die Todesfälle durch Epidemien und Hunger stiegen in Folge dessen natürlich rasant an. Sehr häufig kam es außerdem vor, dass die Zwangsarbeiter ihre „Strafe“ zwar abgeleistet hatten, statt der ersehnten Freiheit jedoch in Konzentrationslager gebracht wurden. Viele von ihnen kehrten also nie wieder zurück.
Noch heute erinnern in Zöschen zwei ehemalige Häftlingsbaracken sowie ein Verwaltungsgebäude mahnend an die Zeit von damals. Die nachfolgenden Fotos entstanden in diesem Jahr mit freundlicher Genehmigung des Grundstückbesitzers. Sie sind ein Zeugnis davon, unter welchen unmenschlichen Bedingungen man im Lager leben musste.
Ruinen der ehemaligen Häftlingsbaracken in Zöschen – 2016
Ehemaliges Verwaltungsgebäude des AEL Zöschen z. Z. Firmengelände – 2016
Ca. einen Kilometer entfernt in der Aue befindet sich ein Gedenkort, der seit 25 Jahren dazu einlädt, innezuhalten und still derer zu gedenken, die diese Gräueltaten des Nationalsozialismus nicht überlebt haben.
Ehrenmal am Gedenkort in Zöschen
Das Lager in Zöschen, welches hier in der Teilbiografie von Konrad Szumiński erwähnt wird, ist nur eines von vielen dieser Art, in denen die Zwangsarbeiter unter unmenschlichen Bedingungen leben mussten. Man kompensierte auf diese Art und Weise den wachsenden Arbeitskräftebedarf der Industriebetriebe in der Region – in seinem Fall ganz speziell in Leuna. Den Tod dieser Menschen kalkulierte man mit ein. Für die SS waren sie nur eine Nummer, die nach deren Tod emotionslos von der Liste gestrichen wurde. Der Ursprung der Zwangsarbeit war darin begründet, dass der von Deutschland ausgelöste Zweite Weltkrieg nicht nur ein militärischer Eroberungsfeldzug war, sondern durch die Okkupation fremder Länder auch die Voraussetzung dafür geschaffen werden sollte, die Lebensraum- und Rassenideologie der Nationalsozialisten durchzusetzen. So spricht man von ca. 12 Millionen Menschen, die zur Ausbeutung ihrer Arbeitskraft nach Deutschland deportiert wurden, ca. 2,8 Millionen davon waren Polen. Nur dieser hohe Prozentsatz an ausländischen Arbeitern ermöglichte es, die Rüstungsanforderungen, speziell die Untertagefertigung von Bomben, Raketen und Flugzeugen, zu erfüllen und das vergleichsweise hohe Versorgungsniveau der Deutschen sicherzustellen. Die sogenannten deutschen „Herrenmenschen“ benutzten für ihre Deklassierung und Entrechtung ein perfektes hierarchisches System. Am zweitschlechtesten nach der Sowjetunion waren die polnischen Menschen gestellt. Die Rassenideologie des Naziregimes setzte alle Mittel ein, ihre persönliche Freiheit so einzuschränken, dass sie sich auf Grund der permanenten Demütigungen und Schikanen jeder Anweisung unterordneten. Außerdem sollte ihr Lebensstandard extrem niedrig gehalten werden, um so eine direkte Abhängigkeit zu schaffen, die die Ausbeutung ihrer Arbeitskraft rechtfertigte. Um jeden sozialen Kontakt zwischen Deutschen und Polen zu unterbinden, waren diese das erste Volk, welches durch das Tragen eines „P“ auf der Kleidung sichtbar diskriminiert und stigmatisiert wurden. Als „Nicht-Arier“ galten sie als eine „Gefahr für das deutsche Volkstum“. Um die „Reinheit“ des deutschen Volkes zu sichern, beschloss man im März 1940 den aus der Geschichte des Zweiten Weltkrieges bekannten „Polenerlass“. Jeder Deutsche hatte das Recht und die Pflicht, polnische Menschen zu legitimieren und zu strafen. Man behandelte die Zwangsarbeiter wie Eigentum des deutschen Staates. Ursprünglich waren die Arbeitserziehungslager, und somit auch das Lager in Zöschen, zur Aufnahme von Menschen gedacht, die ihren Arbeitsvertrag nicht eingehalten hatten. Sehr schnell entstand daraus jedoch eine Art „Verbotssystem“, so dass auch alle anderen Vergehen gegen die Verordnungen der Gestapo mit dieser Arbeitserziehungshaft bestraft werden konnten. Dazu gehörten u. a. politische Vergehen, Diebstähle, Fahnenflucht, die Erledigung von Einkäufen, Telefonieren, Gruppengespräche auf der Straße, der Besitz von Fotoapparaten, Fahrrädern u. ä., Urlaubsüberschreitungen, unerlaubtes Entfernen vom Wohnort ohne polizeilichen Passierschein, nicht genehmigte Bahnreisen, Aufenthalt in öffentlichen Lokalen, die Teilnahme an Veranstaltungen, jede Art von Andachtsübungen und Gebeten, das Zeitunglesen, gemeinsame Kontakte, das Singen von polnischen patriotischen Liedern sowie die oben bereits erwähnten Arbeitsvertragsbrüche. Wurde eine intime Beziehung zwischen einem Polen und einer deutschen Frau bekannt, bedeutete dies für den Polen meistens die Todesstrafe. Der ursprünglich festgelegte Haftzeitraum von 6 bis 16 Wochen wurde, wie es auch das Beispiel von Konrad Szumiński zeigt, sehr oft weit überschritten. Man „vergaß“ einfach, die Gefangenen zu entlassen. Bei einigen war es besonders leicht, dies von Seiten der SS zu begründen, da ihre Papiere verbrannt waren. Andere Häftlinge wurden wiederum nach der Entlassung vom Arbeitsamt zurück ins Lager geschickt, weil sie auf Grund der extremen Unterernährung aus derer Sicht nicht arbeitsfähig waren. Ein Teufelskreis, der ebenfalls meist mit dem Tod endete.
Was damals geschah, kann man leider nicht rückgängig machen. Aber jeder einzelne von uns sollte seinen Beitrag dafür leisten, dass sich dieser Teil der Geschichte nicht wiederholt!
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